Paul-Spiegel-Preis für Pfarrer Wilfried Manneke

"Wenn wir aufgeben, haben die Nazis gewonnen"

Pfarrer Wilfried Manneke demonstriert am Samstag (23.06.2012) in Eschede (Landkreis Celle) gegen Rechtsextremismus.
Pfarrer Wilfried Manneke setzt sich gegen Rechtsextreme ein © dpa/Julian Stratenschulte
Von Jens Rosbach · 18.06.2018
Heute verleiht der Zentralrat der Juden den Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage – er geht in diesem Jahr an den niedersächsischen Pastor Wilfried Manneke, der seit mehr als zwei Jahrzehnten gegen Rechtsextremismus kämpft. Ein Porträt.
"Wir stellen uns hier einer Bewegung in den Weg, die keinen Hehl aus ihrer Begeisterung für den Nationalsozialismus macht."
Ein Mann im schwarzen Pastorenhemd, in der Hand ein Mikrofon und neben sich ein violettes Transparent: "Rechtsextremismus ist Gift für unser Land." Pfarrer Wilfried Manneke demonstriert gegen sogenannte Sonnenwendfeiern in der Lüneburger Heide - braune Events, die der NPD-Aktivist Joachim Nahtz regelmäßig auf seinem Hof organisiert. Vor laufender Fernsehkamera prallen die beiden Kontrahenten aufeinander. Manneke liest dem Ausländerfeind die Leviten.
Manneke: "Das, was Rechtsextreme verkündigen, das ist in unseren Augen menschenverachtend, rassistisch!"
Nahtz: "Wir sind für unser Volk und Vaterland und Sie sorgen dafür, dass wir rassisch gemischt werden, hier kommen Leute rein, die nicht zu uns passen! Die wollen wir hier nicht!"
So geschehen im vergangen Sommer im niedersächsischen Eschede. Manneke – 64 Jahre alt, graue Haare und grauer Schnauzbart – ist Mitbegründer des Netzwerks Südheide gegen Rechtsextremismus und weiterer antirassistischer Initiativen.

Der Kampf gegen Neonazis ist gefährlich

Ein gefährliches Engagement: Neonazis drohten, dem Pfarrer eine Kugel in den Kopf zu schießen. Unbekannte hängten eine tote Ratte an sein Kirchenzentrum in Unterlüß, im Landkreis Celle. Eines Nachts traf sogar ein Molotowcocktail das Pfarrhaus.
"Die Flammen gingen zwei Meter hoch, der Molotowcocktail hat nur so ungefähr 30, 40 Zentimeter unser Küchenfenster verfehlt. Wenn er durch das Fenster geflogen wäre – die Schlafzimmer sind oben, im ersten Stock – wir hätten das gar nicht so schnell mitbekommen, wenn es unten angefangen hätte zu brennen. Und ich weiß nicht, ob wir noch aus dem Haus rausgekommen wären."
Wilfried Mannekes Kampf gegen Rassenhass begann ursprünglich in Südafrika. Hier war er zwölf Jahre lang als Auslandspfarrer der Evangelischen Kirche in Deutschland im Einsatz – und erlebte unmittelbar die Diskriminierung der Schwarzen mit.
1995, ein Jahr nach dem Ende der Apartheid, kehrte der Theologe zurück nach Deutschland. Eigentlich dachte er, das Thema Rassismus sei für ihn damit erledigt. Doch als er seine Pastorenstelle in Unterlüß antrat, traf ihn der Schock: In seinem Umkreis waren vier Neonazi-Kameradschaften und sogar ein rechtsextremes Schulungszentrum aktiv, das größte in Deutschland. Manneke musste mitansehen, wie zehn evangelische Teenager in die rechte Szene abdrifteten.
Rechtsradikale bei einem Aufmarsch der NPD
Neonazis: Geschoren und eingekleidet© dpa / picture alliance / Ingo Wagner
"Die meisten von ihnen hatte ich kurz zuvor konfirmiert – und die sind von Neonazis regelrecht rekrutiert worden. Man hat ihnen geholfen sich einzukleiden mit Bomberjacken und Springerstiefeln. Sie ließen sich sogar die Haare kurzscheren."
Manneke wollte nicht tatenlos bleiben: Er gründete einen Runden Tisch mit Eltern, Lehrern und Jugendarbeitern – und klärte die Teenager unter anderem darüber auf, was einst - in unmittelbarer Nähe - im KZ Bergen-Belsen geschah. Es dauerte nicht lange, bis die Rechtsextremen Gegenaktionen starteten.

Hakenkreuze an der Kirchentür

"Hakenkreuze an meiner Kirchentür, Neonazigruppen traten nachts bei mir vor der Haustür auf und grölten unter anderem 'Juden raus!'. Es hat mich also nicht überrascht, weil wer sich Rechtsextremen in den Weg stellt, muss mit Anfeindungen rechnen."
Der Kampf läuft auch online. So wurde Wilfried Manneke auf der größten deutschsprachigen Neonazi-Plattform Altermedia unter anderem als Volksverräter beschimpft.
Der Pfarrer wehrte sich mit Strafanzeigen und auch sein Arbeitgeber, die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover, ging gegen das rechtsextreme Portal vor. Mit Erfolg: 2016 wurde es vom Bundesinnenministerium verboten.
Die größte Genugtuung erfährt Wilfried Manneke heute, wenn er vom Zentralrat der Juden den Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage erhält. Rats-Präsident Josef Schuster lobt den Mut des Preisträgers:
"Es ist in besonderem Maße anerkennenswert, dass er in einer ländlichen Region, in der gerade Neonazi-Szenen meinen, eher im Unbemerkten, im Stillen, tätig werden zu können – dass er gerade dort sich gegen Rechtsradikalismus einsetzt, wo es vielleicht sogar noch notwendiger ist wie in manchem großstädtischen Bereich."
Wilfried Manneke will das Preisgeld, 5000 Euro, für Aktionen gegen Rechtsextremismus ausgeben. Der Pastor kämpft weiter - trotz aller Einschüchterungsversuche.
"Denn wenn wir aufgeben, dann haben die Nazis gewonnen."
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