Paul Klee in der Fondation Beyeler

Die abstrakte Dimension

Harmonie der nördlichen Flora von Paul Klee - eine Anordnung von Rechtecken und Quadraten in gedeckten Farbtönen (Bild: imago stock&people)
"Harmonie der nördlichen Flora" von Paul Klee © imago stock&people
Von Johannes Halder · 01.10.2017
Paul Klees Werke umfassen die Themen Natur, Architektur, Musik und Schriftzeichen. An einer Dokumentation all dieser Themen in Klees Werken versucht sich nun eine Ausstellung bei Basel und will die kaum bekannte Seite des deutsch-schweizerischen Künstlers beleuchten.
Ob Paul Klee wohl ein glücklicher Mensch gewesen ist? Je schreckensvoller die Zeiten, so schreibt der Maler im Kriegsjahr 1915, desto abstrakter sei die Kunst. Eine glückliche Welt hingegen bringe eine diesseitige Kunst hervor. Wie es um Klees Gefühle bestellt war, können wir nur ahnen, aber als ausgesprochen abstrakt galt der Poet und Träumer bislang nicht, sagt die Kuratorin Anna Szech:
"Man sieht ihn ja eher als einen romantischen, empfindsamen Künstler, während die Künstler, die sich um die Abstraktion bemühten, ja schon ganz anders agiert haben wie z.B. Kandinsky und Malewitsch. Die haben Manifeste veröffentlicht, Klee hat ja nichts dergleichen getan."
Tatsächlich war Klee keiner, der sich in radikale Theorien verbohrte, sich dem Diktat des rechten Winkels unterwarf oder strengen Farbkonzepten folgte. Klees Wege zur Abstraktion sind subtil, und die in sieben Sälen wunderbar arrangierte Schau führt uns zunächst vor Augen, dass er die Farbe nicht erst auf der Tunis-Reise 1914 entdeckte. Damals schwärmte er: "Die Farbe hat mich. Ich bin Maler."

Abstraktion nie als Selbstzweck

Die Farbe hatte ihn schon früher in Paris gepackt, wo er sie vom Gegenstand befreit und in schwerelos schwebende Strukturen übersetzt, die sich dann, in spielerischen Rhythmen variiert, durch sein ganzes Werk ziehen. Dazu brauchte er keine Theorie: "Abstraktion war für Klee nie ein Selbst- oder schon gar kein Endzweck." Für Klee war Abstraktion ein Mittel unter vielen. Trotzdem hat er so etwas wie ein Rezept, und das sind rasterartig nebeneinander gesetzte Farbflächen, die er seit 1912 ganz flexibel nutzt, um damit aus der gegenständlichen Welt das abstrakte Element zu extrahieren.


Nur während der zehn Jahre seiner Bauhauszeit sieht er sich genötigt, seine intuitive Methode mit ein bisschen Theorie zu untermauern. Ein Bild, schreibt er, "wird Stück für Stück aufgebaut, nicht anders als ein Haus." So entstehen die sogenannten "Schachbrett-Bilder" oder auch die in zahlreichen Farbschichten aufgebauten Aquarelle: Landschaften, Farbfelder, Gärten, Kugelbäume, Fische im Aquarium – mal organisch gewachsen, mal tektonisch gebaut.
Der Maler und Pianist Paul Klee
Der Maler Paul Klee© imago / United Archives International

Fein komponierte Balance

Vier Themen ziehen sich so durch die ganze Schau: Natur, Architektur, Musik und Schriftzeichen. Klees Kunst setzt dabei immer auf Emotionen, allerdings nicht radikal wie bei den Expressionisten, sondern in fein komponierter Balance zwischen dem, was er sieht und was er fühlt. Und wenn er abstrakte Strukturen wie auf einem Farbklavier zum Klingen bringt, wird man daran erinnert, dass Klee von Haus aus ja ein überaus begabter Musiker war. Die Bildtitel sprechen für sich: "Ouvertüre" oder "Klang des Südens.
"Also an einem Zeitpunkt seines Lebens musste er ja wirklich eine Entscheidung treffen: Was macht er – Musik oder Kunst? Interessanterweise hat er die Ansicht, dass in der Musik schon alles erreicht wurde und dass er da als Musiker nicht weiterkommen würde. Deswegen entscheidet er sich für die Malerei. Und zum Beispiel bei diesen mosaikartigen Werken: Man spürt hier diese Klänge buchstäblich heraus aus dem farbigen, sehr feinen Hintergrund."

Klees späte Bilder - geradezu prophetisch

Doch am interessantesten ist Klee da, wo er am wenigsten gefällig ist. In den 30er Jahren scheint es in seinem Werk zu gären, sein Pinselstrich wird fahrig, in einigen Fällen schmiert er die Farbe zu gestischen Psychogrammen – das ist ein Klee, den man kaum kennt.
"Da nimmt Klee eine Zeitung, klebt diese auf Leinwand und bringt mit schwarzer Kleisterfarbe also sehr reduziert Buchstaben und Zahlen auf die Bildoberfläche. Eigentlich ist das schon Konzeptkunst."
Geradezu prophetisch muten manche dieser späten Bilder an, in denen sich Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg, den Klee nicht mehr erlebt, die Zeichen einer auseinandergefallenen Welt manifestieren. Das ist die Entdeckung dieser Schau.
Wohltuend ist auch die ungewohnt großzügige Hängung. Klee ist ja eher als Kammerkünstler bekannt: kleine Bilder, dicht gehängt. Aber, sagt Anna Szech: "Ich bin fest davon überzeugt, dass viele Klee-Werke dermaßen stark sind, dass sie auch alleine auf einer Wand hängen dürfen, können und sollen. Ich glaube an seine Stärke."

Die Ausstellung "Klee" ist noch bis zum 21. Januar zu sehen.

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