Paul Auster in Berlin

Von der Liebe zum Zufall

Der Schriftsteller Paul Auster
Der Schriftsteller Paul Auster © Imago
Von Gerd Brendel · 14.03.2017
Ausverkauft war der Saal: Im Berliner Haus des Rundfunks hat der US-amerikanische Schriftsteller seine Lesereise begonnen. Die Laudatio hielt Michael Naumann, sein früherer Verleger.
Wie es sich für einen Star gehört, bekommt die versammelte Fan-Gemeinde vor Paul Austers Auftritt erst einmal eine Kurz-Laudatio seines ehemaligen Verlegers Michael Naumann zu hören.
Alte Säcke seien sie beide mittlerweile, wobei das die freundlichste Übersetzung von "old farts" ist. Und dann nennt Naumann das Thema des Abends: Im Leben wie in der Literatur komme es nicht auf perfekte Planung an - vielmehr auf das Gegenteil.
Das gilt auch für die Autor-Verleger-Beziehung der beiden alten Herren. Den Unbekannten, wecher Naumann auf der Frankfurter Buchmesse 1985 Paul Auster zur Lektüre empfahl, hat der Verleger nie wieder gesehen. Aber ein paar Monate später hatte Auster einen deutschen Verlag.

Zufallsgeschichten von Verleger und Autor

Die nächste Zufallsgeschichte erzählt Auster selbst: Er war 14 und im Ferienlager, als seine Gruppe auf einer Wanderung von einem Gewittersturm überrascht wurden.
"Die Blitze waren furchterregend. Um zu einer Lichtung zu gelangen, mussten wir unter einem Stacheldrahtzaun durchkriechen und gerade als der Junge vor mir schon halb unter dem Zaun durch war, schlug der Blitz ein. Der Junge war sofort tot. Und mit einem Mal wurde mir klar, dass jedem Menschen alles Mögliche zu jedem Zeitpunkt passieren kann."
So wie Archibald Ferguson in Paul Austers aktuellen Roman "4 3 2 1" Viermal erzählt Paul Auster das Leben des Enkels jüdischer Einwanderer und wie im richtigen Leben bestimmen auch hier Zufälle die Geschichte.

Alte Konflikte brechen wieder auf

"4 3 2 1" spielt im Amerika der 50er und 60er Jahre, als das Land geteilt war, als Hunderttausende für die Bürgerrechtsbewegung und gegen den Krieg in Vietnam auf die Straße gingen. Unter dem gegenwärtigen Präsidenten brechen genau diese alten Konflikte wieder auf, meint Auster, als er auf Trump angesprochen wird.
Die Realität holt die Vergangenheit ein. Keine sehr hoffnungsfrohe Aussage. Und weil ein Abend wie dieser nicht so düster enden kann, liest Paul Auster aus dem allerersten Kapitel vor, wie Archis Großvater, der eigentlich Isaak Reznikoff hieß, in Ellis Island von den Einwanderungsbehörden seinen neuen Namen verpasst bekommt Ein Landsmann hatte ihm geraten, sich als "Rockefeller" vorzustellen, aber als er schließlich vor dem Beamten steht, kann er sich nicht mehr erinnern:
"By the time the nineteen-year-old Reznikoff sat down to be questioned by the immigration official, he had forgotten the name the man had told him to give. Your name? the official asked. Slapping his head in frustration, the weary immigrant blurted out in Yiddish, Ikh hob fargessen! And so it was that Isaac Reznikoff began his new life in America as Ichabod Ferguson."
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