Patientenradio

Ein Bufdi als Programmchef

Die Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden
Die Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden: Von hier sendet Bufdi Moritz Biba. © picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen
Anke Petermann · 07.08.2015
Der 20-jährige Moritz Biba ist zugleich Moderator, Redakteur, Programm- und Praktikanten-Chef beim Wiesbadener "Radio Klinikfunk". Als Bufdi bekommt er zwar nur ein Taschengeld, glücklich ist er trotzdem mit seinem Job.
In Jeans und T-Shirt, mit Lockenkopf und wachen Augen wirkt er jungenhaft. Ihm gegenüber am Computer sitzt Tanja Becker, 23, Studentin und Praktikantin. In 20 Minuten moderieren die beiden live den zweistündigen "Stadtreport" im Wiesbadener "Radio Klinikfunk". Schnell noch die letzten Moderationstexte schreiben. Kurzer Austausch über die Bildschirme hinweg.
"Was fehlt n jetzt noch?"
"Wetter."
"Dann hast du alles?"
"Ja. Gut, ne?!"
"Was sind wir denn so in der Zeit heute! Was ist 'n da los?"
Dass die Sendung mit Wetter, Fußball-Interview, Reisetipp und Promi-Klatsch ganz ohne Hektik schon eine Viertelstunde vor Beginn steht – eher die Ausnahme im ehrenamtlich betriebenen Radio Klinikfunk. Schließlich sind der Freiwillige und die Praktikantin nicht nur für Redaktion, Moderation und die technische Sendevorbereitung zuständig. Der Bufdi fährt außerdem die Sendung aus dem voll digitalisierten Container-Studio auf dem Klinik-Dach selbst. Für die heutige Ausgabe hört er noch eben die ersten Musiktitel vor.
"Das ist natürlich nicht so einfach"
"Ja, da kann natürlich immer sein, dass die Technik nicht geht. Neulich war so 'ne Sendung, da ging fast gar nichts. Das ist natürlich nicht so einfach."
Zumal Moritz Biba das Radiomachen beim Klinikfunk im Schnelldurchgang lernte.
"Also, er wurde bei uns, als er den Bufdi angefangen hat, in die Technik eingewiesen und hat das Studio erklärt bekommen, und so das Rüstzeug, was man zum Fahren einer Radiosendung braucht, wurde ihm vermittelt, und jetzt macht er täglich oder dreimal in der Woche selbstständig eine Sendung, die er betreut und auch redaktionell füllt",
erklärt der Bufdi-Beauftragte Kai Simon und Klinikfunk-Sprecher Christopher Schenk ergänzt:
"Wie fahre ich das Studio hoch, was ist zu beachten, was ist zu tun, wenn auf einmal der Bildschirm schwarz wird. Also, da gibt's auf jeden Fall Nachschlagewerke, wo man nachschauen kann, wenn wirklich auf einmal was ausfallen sollte oder wenn Fragen zur Technik sind."
Moderiert wird ehrenamtlich neben einem Vollzeit-Job
Für den Bufdi sind Simon und Schenk im Notfall per E-Mail und Handy erreichbar. Beide moderieren auch beim Klinikfunk – ehrenamtlich neben einem Vollzeit-Job. Gesendet und gehört wird das Wohlfühl- und Genesungsprogramm auf Kanal 1 in den Zimmern der Horst Schmidt Klinik, einem Krankenhaus in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. Früher war ein Zivildienstleistender der einzige Festangestellte des Unterhaltungsprogramms für Patienten, heute ist das der Bufdi. Der Freiwillige ist damit zu den üblichen Bürozeiten auch Ansprechpartner für Fragen zum Programm und zu dem Verein, der es betreibt.
"Er hat da auch 'ne hohe eigenständige Kompetenz, die er da wahrnehmen darf",
sagt Kai Simon über Moritz Biba, der schnell noch einen Song von Deep Purple vorhört und dabei erklärt, wie das Patienten-Radio organisiert ist.
"Also, die Klinik hat mit uns eigentlich auch nicht so viel zu tun. Die dulden uns hier nur sozusagen und zahlen uns Strom und Wasser sozusagen."
Im Container-Büro auf dem Klinik-Dach ist es heiß. Der 20-Jährige setzt ein Plastikfläschchen Mineralwasser an den Mund. Im angrenzenden Sendestudio macht Biba die Klima-Anlage an. Noch ein Schluck krankenhausfinanziertes Wasser,
"Ansonsten ist das halt alles von uns. Also, die Technik usw., die ganze Einrichtung ist von uns",
also vom Verein Radio Klinikfunk. Hochmoderne Rundfunktechnik in einem 20 Jahre alten Container-Komplex. Die Studiotür quietscht, vergilbter Noppenschaumstoff an Wänden und Decke dämpft den Schall. Aber die Mikrofone sind vom Feinsten.
"Am Ende bleibt eigentlich nichts mehr übrig"
"Das ist halt alles von Mitgliedsbeiträgen oder halt Spenden finanziert. Also, da stehen wir komplett auf eigenen Füßen. Ohne die ganzen Mitglieder, ohne den Verein gäb's das nicht."
Und ohne Sponsoren und Preisgelder könnte der Radiosender das Taschengeld und den Verpflegungszuschuss von monatlich je 200 Euro für den Bundesfreiwilligendienst nicht aufbringen. Die Kosten für die tägliche Autofahrt nach Wiesbaden muss der junge Darmstädter allerdings selbst zahlen, das gibt die Vereinskasse nicht her:
"Das sind am Tag halt 130 Kilometer, und den Sprit gibt's ja leider nicht umsonst. Deswegen frisst das eigentlich mein gesamtes Taschengeld auf, sodass am Ende eigentlich nichts mehr übrig bleibt, weil der Sprit halt einfach so teuer ist."
Moritz Biba zuckt die Schultern: Eine nötige Investition in die Zukunft, findet er. Zehn-Stunden-Tage gegen ein Taschengeld - für seinen Traum-Job nimmt er das in Kauf.
"Wenn ich jetzt irgendwie ins Radio oder ins Fernsehen will – da muss man halt Opfer bringen, ne. Und dann lohnt es sich halt auch, keine Ahnung, andere Interessen mal zurückzustellen und dann halt Einsatz zu bringen, damit man halt im Leben weiterkommt. Man kriegt ja nichts geschenkt."
Der 20-jährige Moritz Biba hat sein Leben, seine ganze berufliche Zukunft noch vor sich. Der Bundesfreiwilligendienst hilft ihm, sich ehrenamtlich zu engagieren und beruflich zu orientieren.
"Wir sind Ihre Gute-Laune-Garantie"
Er hatte geahnt, dass ihm das Moderieren liegen würde. Deshalb schlug er im Spätsommer vergangenen Jahres Angebote von Kindergärten und Tafeln rund um seinen Wohnort Darmstadt aus und entschied sich für den stressigen Radio-Job in Wiesbaden. Jetzt, fast ein Jahr später, hat er die Gewissheit: Das ist sein Ding, das soll sein Beruf werden.
Es ist kurz nach 15 Uhr. Der Nachwuchsmoderator setzt den Kopfhörer auf, zieht den Mikrofonregler am Mischpult hoch, sagt den Stadtreport für Kranke und Genesende an.
"Wir sind Ihre Gute-Laune-Garantie und versorgen Sie in den kommenden zwei Stunden mit spannenden Themen und natürlich wieder mit guter Musik. Fahren Sie denn gerne ans Meer?"
Ein Reisebeitrag kommt als Nächstes. Gerade angespielt, klingelt draußen das Telefon. Ko-Moderatorin Tanja Becker nimmt ab. Der Karlsruher Sänger Sebastian Niklaus ist dran. Er bietet an, nach einem Auftritt im Südwestrundfunk auch beim Wiesbadener Klinikfunk zu gastieren. Darüber kann die Praktikantin nicht entscheiden.
"Moment mal, ich gebe Sie gerade mal an den Chef weiter."
Moritz Biba gibt in diesem Fall auch den Programmchef. Und entscheidet: Der Sänger bekommt die Gelegenheit, sich im Patientenradio vorzustellen.
Gut gemacht, meint im Nachhinein Klinikfunk-Sprecher Christopher Schenk.
Moderator, Redakteur, zeitweiliger Programm- und Praktikanten-Chef
"Wir haben da großes Vertrauen in unseren Bufdi und er ist dann doch schon so selbstständig, dass er das entscheiden kann. Und wir sagen, wenn so was kommt, entscheide das ruhig, du kannst uns bei Fragen jederzeit erreichen. Aber klar, wenn ein Studiogast sich ankündigt, und es ist auch noch ein Musiker aus der Gegend, ist natürlich interessant für die Hörerinnen und Hörer, da sagen wir: Klar, warum nicht."
Moderator, Redakteur, zeitweiliger Programm- und Praktikanten-Chef - Moritz Biba hätte Anlass, sich überfordert zu fühlen. Stattdessen ist er dankbar, dass er für den Klinikfunk ausgewählt wurde.
"Es haben sich so viele Leute hier beworben - so viele, die es unbedingt machen wollten. Und wenn man dann unter so vielen genommen wird, dann will man's ja auch schlecht ausschlagen, dieses Angebot, weil es ziemlich einmalig ist, dass man Radio machen kann."
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