Freitag, 19. April 2024

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Dlf-Reporterin Louise Brown
Wie "Brexit Monday" entstand

Was verbindet sie selbst mit Großbritannien? Was werden die Briten nach dem Brexit an Kontinentaleuropa vermissen? Und welches britische Sprichwort bringt die aktuelle Lage auf den Punkt? Dlf-Reporterin und gebürtige Britin, Louise Brown, erklärt, was sie zur Serie "Brexit Monday" bewegt hat.

Von Adalbert Siniawski | 09.07.2018
    Dlf-Autorin Louise Brown sitzt auf einer Bank und mit Teetasse in der Hand in einem Garten
    Dlf-Autorin Louise Brown (Deutschlandradio / Louise Brown)
    Was verbindet Sie mit Großbritannien?
    Louise Brown: "Ich bin in London aufgewachsen und ein Kind der 70er-Jahre. Der Eiswagen auf der heißen Vorort-Straße, Thatcher in den Abendnachrichten, meine geliebte Schuluniform und Culture Club im Radio - das alles sind prägende Erlebnisse. Später berichtete ich aus London für deutsche Medien über Politik und Kultur zu Zeiten des Cool Britannia: Die Ära Blair war wie keine andere Zeit eine Romanze zwischen Pop und Politik. Sie setze die Grundsteine für die heutige Creative Economy, die heute maßgeblich zur britischen Identität und auch zur Wirtschaft beiträgt."
    Was gab den Anstoß zu dieser Brexit-Serie?

    Brown: "Zwar lebe ich heute in Hamburg, aber ich höre laufend britisches Radio, lese online britische Zeitungen und bin alle paar Monate im Land. Mir war aufgefallen, dass das Thema auffällig selten jenseits der Politikseiten oder -sendungen auftauchte. Dabei steht Großbritannien mit dem Brexit vor einem der größten Umbrüche seit der Nachkriegszeit! Aber wo ist die Reaktion von Kunst und Kultur darauf? Wo ist der Aktionismus, die Bearbeitung des Themas wie bei früheren Krisen? Stattdessen scheint das Land wie gelähmt. Oder doch nicht? Vielleicht habe ich nicht genau genug hingeschaut, nicht gut genug hingehört? Vielleicht bin ich zu weit entfernt? Dem wollte ich nachgehen."
    DLF-Reporterin Louise Brown als Kind in Schuluniform blickt in die Kamera
    DLF-Reporterin Louise Brown in Schuluniform im Norden Londons (Louise Brown)
    Was werden die Briten nach dem Brexit an Kontinentaleuropa vermissen?
    Brown: "Die Freiheit: Ich kenne einige Briten, die in Hamburg und Berlin leben, weil es ihnen in London zu eng oder zu teuer wurde. Sollte es zu einem 'Soft Brexit' kommen, wird diese Bewegungsfreiheit möglicherweise bleiben. Aber vermutlich wird es für viele Briten schwieriger werden, sich so frei innerhalb der EU zu bewegen, sprich: zu arbeiten oder sich niederzulassen. Umgekehrt werden im UK die Einwanderer aus den EU-Staaten fehlen, die - etwa aus Osteuropa - in letzten Jahren viel zum heutigen Großbritannien beigetragen haben. Schon jetzt gehen die Einwandererzahlen aus EU-Ländern zurück. Diese Vielfalt wird es in Zukunft nicht mehr geben, genauso wenig wie den Austausch auf gesellschaftlicher, kultureller und persönlicher Ebene. Letztlich schrumpfen so die Chancen für junge Menschen auf beiden Seiten des Ärmelkanals."
    Und was wird den EU-Bürgern nach dem Austritt fehlen?
    Brown: "Ein Land, das bislang bekannt ist für seine Offenheit, seinen Pragmatismus und seine Kreativität. Gerade weil die die Briten nicht emotional an der EU hängen, galt Großbritannien als ein guter Ausgleich zu den EU-Schwergewichten Frankreich und Deutschland. Großbritannien gehört nach wie vor zu den kulturell und wirtschaftlich einflussreichsten der Welt. Eine EU ohne Großbritannien ist zweifellos eine schwächere EU. In einer zunehmend fragmentierten Welt - allein die jüngste Flüchtlingskrise hat gezeigt, wo in der EU die Gräben liegen - ist es da nicht an der Zeit, zusammenzuhalten?"
    Ein britisches Sprichwort, das die aktuelle Lage auf den Punkt bringt?
    Brown: "'Keep calm and carry on' trifft die derzeitige Stimmung auf der Straße gut. 'Welcher Brexit?', könnte man fragen. Man sieht es im Alltag kaum, dass dieser Schritt bevorsteht. Viele Briten verdrängen den Gedanken - ich inklusive -, weil keiner die geringste Ahnung hat, wie es nach dem Brexit weitergehen wird. Trotz der Härte des Wortes bleibt es etwas Diffuses, nicht Greifbares. Für mich persönlich fasst Barry Blitts Titelbild für den New Yorker 'Silly Walk Off a Cliff' die Lage am besten zusammen."
    Eine Spotify-Playlist mit den besten Songs zum Thema begleitet die Serie - im Deutschlandfunk-Account unter "DLF_BrexitMonday"