Parodie auf die Sissi-Filmtrilogie

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 24.10.2007
"Lissi und der wilde Kaiser" von Michael "Bully" Herbig gilt als eine Parodie auf die Sissi-Filmtrilogie. Andrew Dominiks Western "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" ist ein Abgesang auf das uramerikanischste aller Genres. In dem Liebesmärchen "Odette Toulemonde" geht es um ein bodenständiges Aschenputtel, das den intellektuellen Prinzen verzaubert
Lissi und der wilde Kaiser
Deutschland 2007, Regie: Michael Herbig, Hauptdarsteller: Michael Herbig, 85 Minuten

Der heute 39-jährige Münchner Schauspieler, Drehbuch-Autor, Produzent und Regisseur Michael "Bully" Herbig begann im Rundfunk ("Bullys Late Night Show"), wurde dann im Comic-TV von Pro7 populär ("Bullyparade"), bevor er schließlich mit zwei Kinofilmen einen ungeheuren Zuspruch verbuchen konnte: "Der Schuh des Manitu" (2001/11,7 Millionen Kinobesucher) sowie "(T)Raumschiff Surprise - Periode 1" (2004/9,1 Millionen). Mit zwei Kinofilmen rund 20 Millionen Interessenten ins Kino zu locken, das bedeutet heimischen Rekord. Weitere Kinofilme mit "Bully": "Erkan & Stefan" (2000/Rg.-Debüt) und im Vorjahr "Hui Buh - Das Schlossgespenst" (als Schauspieler und computer-animierter Schauspieler).
"Lissi..." ist also der vierte eigene Kinofilm von "Bully" Herbig. Es ist ein Animationsfilm, der als Parodie auf die von Ernst Marischka in den 50er Jahren geschaffene legendäre, außerordentlich erfolgreiche Sissi-Filmtrilogie mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm in den Hauptrollen als Prinzessin Elisabeth/Sissi und Kaiser Franz Joseph entwickelt wurde ("Sissi"/1955; "Sissi - Die junge Kaiserin"/1956 und "Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin"/1957).

Am Anfang allerdings steht die Figur des pelzigen Schneemenschen Yeti im Himalaya (gesprochen von Waldemar Kobus) im Blickfang. Den will sich der (breit-hessisch-brabbelnde) Teufel samt Schatten (Comedy-Duo Badesalz) "einverleiben". Doch für das Versprechen, ihm, dem Teufel, die schönste Frau überhaupt "besorgen" zu wollen, muss er nicht in die Hölle. Sondern landet in Österreich. Wo er die herzige Kaiserin Lissi ("Bully" Herbig) von Schloss Schöngrün entführt. Da des Kaisers Truppen mal wieder irgendwo in irgendwelchen Kriegen verwickelt sind, nimmt Franz höchstpersönlich die Verfolgung auf. An seiner Seite: Die sexuell frustrierte Mama und der schusselige Feldmarschall. Weitere auftretende Beteiligte: Die Bajuwaren Schwaiger und Ignaz (Charaktere aus der Hörfunkserie "Männer von Isar 3", für die Herbig - nach eigenen Angaben - nicht weniger als 800 Folgen geschrieben und gesprochen hat) sowie der geistesschwache König Bussi von Bayern auf seinem Schloss Neuzahnstein. Fortan ist Animations-Slapstick angesagt, mit vielen Bemühungen in Sachen Gag sucht Gag.

Denn: Dies hier ist purer, schlichter Krampf in Sachen Jux und Anspielerei. Die Witze entpuppen sich als Witzchen, die nur so dahintropfen. Während sich der "wilde Kaiser" eher als lahme "fade Pflaume" erweist. Shrek lass’ nach oder "Die Simpsons" haben kürzlich bewiesen, wie kess, frech und spaßig es durchaus auch animationsmäßig auf der großen Kino-Leinwand zugehen kann, wenn nur die Gagdichte ausreichend lang und gut ist. Doch davon ist hier nichts zu spüren: Die Geschichte wirkt wurscht-bemüht und nur leidlich komisch und/oder spannend; die Szenerie orientiert sich am Platt-Charme, und die vielen Wortspiele haben die Witzigkeit von Steinzeit-Humor: "Was macht der Herpes?" "Der spielt mit Akne hinten im Sandkasten!" Gemeinsam geht das verliebte Hofpaar im Schlosspark panieren. Samstag ist der gesetzlich verordnete Turteltag. Franzl spielt Golf mit "Schoklad-Kugeln". Und immer wieder wird gerne der Slogan eingeblendet: "Hier könnte ihre Werbung stehen". Das ist nicht komisch, sondern gähn-langweilig. Etwas Grinsen, manchmal auch Schmunzeln, aber das war´s dann auch schon. Oh Bully: Wir jubeln gerade mit Pixar bei "Ratatouille". Eine animierte Unterhaltungs-Köstlichkeit. "Lissi..." ist dagegen belanglos-albern-langweilig - der Eben-Unterschied zwischen Klasse-Animation und Möchtegern-Provinz-Versuchern.


Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford
USA 2007, Regie: Andrew Dominik, Hauptdarsteller: Brad Pitt, Casey Affleck, 156 Minuten, ab 12 Jahren

Der Film ist von Andrew Dominik, einem unbekannten Australier, dessen Debütfilm "Chopper" ebenso unbekannt ist. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Ron Hanson aus dem Jahr 1984 wird die Geschichte eines Pop-Stars im auslaufenden "Wilden Westen" Amerikas erzählt. Eines Helden/Anti-Helden, der tatsächlich gelebt hat, es zu Lebzeiten bereits schon zum Mythos gewordenen Outlaw gebracht hatte. Das Hollywood-Kino hat ihn schon desöfteren heldenhaft benutzt/"besetzt", wobei selten auf historische Genauigkeit geachtet wurde: Es begann bereits zur Stummfilmzeit 1921 mit dem Epos "Jesse James under the blag flag" mit Jesses Sohn Jesse James jr. in der Titelrolle. Weitere Jesse-James-Filme waren "Jesse James - Mann ohne Gesetz" (1939/mit Tyrone Power), "Rache für Jesse James" (Fortsetzung von 1940 unter der Regie von Fritz Lang/mit Henry Fonda), "I shot Jesse James" (1949/von Sam Fuller) oder "The Last Days of Frank and Jesse James" (1986/mit Johnny Cash). Nun also die Story von Brutus und Judas, vom Vertrauten, der zum Verräter wird. Der Film nimmt das letzte Lebensjahr von Jesse James ins Visier. Wir schreiben die Zeiten 1881/82. Jesse James ist für die einen der ruchlose Mörder, der gemeine Bandit, der fiese Räuber. Für die anderen im Staate ist er eine bewunderte Legende. Der sein Leben so eingerichtet hat, wie er es für richtig hält. Der sich in keine Ordnung fügt, der sich in keine Gemeinschaft einlässt, der keine Regeln beachtet/einhält. Unzählige Bücher/Groschenromane/Zeitungsartikel erzählen von ihm und seinen Bank- und Eisenbahnüberfällen. Auf seinen Kopf ist das größte Lösegeld ausgesetzt, das es jemals gab: 10.000 Dollar. Doch als wir "den wahren Jesse" im Alter von 33/34 Jahren erstmals sehen, blicken wir auf ein müdes Wrack. Das über-nervös, paranoid und gesundheitlich kaputt erscheint. Zermürbt zwischen der Tarn-Existenz als braver Bürger und dem Tagesgeschäft als Räuber. Er wirkt wie ein Art "Zombie", der nur noch auf das finale Ende wartet. Bruder Frank hat sich schon aus dem Staub, in die bürgerliche Zivilisation gemacht, jetzt taucht das vaterlose "Bübchen", der 19-jährige Bewunderer/Fan/Verehrer Bob, auf.

Der sich einschmeichelt/einschleimt, der die Gier eines groupies nach Ebenso-Ruhm zeigt. Hündisch ergeben wie innerlich vollkommen zerrissen. Begriffsstutzig wie auch bauernschlau. Da paart sich die Faszination "für seinen Herren" mit extremer Geltungssucht. Ein Niemand möchte endlich "erkannt/bekannt" werden; verlangt nach der Aufmerksamkeit/dem Interesse/den "Streicheleinheiten des Lebens". Man stelle sich ein dickes Buch vor. Als gewaltige Lektüre. Man beginnt darin zu lesen und kann nicht mehr davon lassen. So ist der Film. Er nimmt sich angenehm-ausgiebig Zeit. Für Personen, Bewegungen, Gedanken, für die Landschaften. Der weite Himmel, die Wolkenspiele, das Gras, die Bäume, die stummen Gesichter. Gesprochen wird nur das Nötigste. So entsteht ein ambitioniertes, bildergewaltiges, atmosphärisches Western-Werk. Als psychologisches Drama. Spannend allemal, weil die beiden Hauptakteure Absicht und Bilder voll "tragen": Co-Produzent Brad Pitt spielt beeindruckend-zurückhaltend-dicht diesen Star-Verbrecher mit Todessehnsucht; "gibt" einen ganz düsteren und dennoch nicht unsympathischen Typ, und wie er diese emotionale Gradwanderung auslotet, ist ein Ereignis; und nicht minder außergewöhnlich ausdrucksstark erweist sich Partner Casey Affleck. Der 32-jährige Ben-Affleck-Bruder wird zum gefeierten Newcomer in dieser Kino-Saison, denn auch in seinem nächsten Leinwand-Auftritt - "Gone Baby Gone - Kein Kinderspiel" (Start: 29. November) - überzeugt er immens. Mit seiner hell weinerlichen Stimme, den unsicheren Körperbewegungen, diesem stets schwer einzuschätzenden spätpubertären Charakter packt er hier als gefährlich-diabolischer Western-"Stalker". Phantastisches Darsteller-Kino von knapp 160 faszinierenden Kino-Minuten.


Odette Toulemonde
Belgien/Frankreich 2006, Regie: Eric-Emmanuel Schmitt, Darsteller: Catherine Frot, Albert Dupontel, Jacques Weber, Fabrice Murgia, Nina Drecq, 100 Minuten

<im_41093>"Odette Toulemonde" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_41093>Der 47-jährige französische Schriftsteller und Dramaturg Eric-Emmanuel Schmitt zählt beim Nachbarn zu den "Großen" in Sachen Theater und Bücher, erhielt 2001 den "Grand Prix des Theaters" der Académie Francaise, wurde hierzulande 2004 mit dem "Deutschen Bücherpreis" für seinen Roman "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" ausgezeichnet. Der Roman wurde dann bekanntlich 2003 unter der Regie von Francois Dupeyron verfilmt; mit Omar Sharif in der Hauptrolle, der dafür den französischen "Oscar", den "Cesar", bekam. Das Regie-Debüt von Eric-Emmanuel Schmitt ist eine schön-kitschige Geschichte um einen depressiven Erfolgsschriftsteller in der Schaffens- wie Lebenskrise, seinen größten weiblichen Fan und wie beide in einer schicksalhaften Verwinkelung von Zufall und Gefühl zusammentreffen. Das besitzt französische Leichtigkeit, wird augenzwinkernd-charmant sowie mit viel Musikalität hübsch-stimmungsvoll vorgetragen.

Ein Film wie ein Chanson. Motto: Was bedeutet Glück, wo/wie kann ich es finden? Catherine Frot ("Zwei ungleiche Schwestern"/an der Seite von Isabelle Huppert; neulich in "Das Mädchen, das die Seiten umblättert") gibt prima die einfache, aber selbstbewusst-zufriedene Feminine aus dem Volk; Albert Dupontel ("Ein perfekter Platz") mimt sympathisch- unaufdringlich den überraschten, übertölpelten Intellektuellen. Angenehm-spielerisch-sentimentales Unterhaltungs-Kintopp.