Parlamentswahl

Polen steht vor einem Rechtsruck

Beata Szydlo, Spitzenkandidatin von "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) auf einer Wahlveranstaltung
Beata Szydlo, Spitzenkandidatin von "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) auf einer Wahlveranstaltung © JANEK SKARZYNSKI / AFP
Von Florian Kellermann · 24.10.2015
Sogar die absolute Mehrheit der Mandate ist für die konservative Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" in Reichweite, wenn die Polen Sonntag ein neues Parlament wählen. Und rechts von ihr machen weitere Gruppen Stimmung gegen Flüchtlinge.
Seit über einem Jahr liegt die rechtskonservative Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" in den Umfragen vorne. Zum klaren Favoriten der Wahl wurde die PiS dann im Mai: Ihr Kandidat gewann die Präsidentenwahl. Andrzej Duda wurde mit 43 Jahren das bisher jüngste Staatsoberhaupt. Der Sieg kam überraschend, weil die Umfrageinstitute dem damaligen Amtsinhaber Bronislaw Komorowski noch wenige Monate zuvor einen klaren Sieg prophezeit hatten.
Seitdem wollten immer mehr Polen einen Politik-Wechsel, sagt der Politologe Antoni Dudek.
"Die PiS kann es sogar schaffen, dass sie alleine die Mehrheit im Sejm haben wird. Das ist bisher noch keiner polnischen Partei gelungen, bisher gab es immer Koalitionsregierungen. Ob die PiS tatsächlich über die Hälfte der Mandate erhält, ist für mich am Sonntag die wichtigste Frage."
Die Antwort wird wesentlich davon abhängen, wie viele Parteien noch ins Parlament einziehen. Fest steht das nur für die rechtsliberale "Bürgerplattform", für die Umfragen den zweiten Platz vorhersehen. Die PO regiert seit acht Jahren mit der Bauernpartei PSL, doch die sogenannte Abhöraffäre im vergangenen Jahr kostete sie viel Sympathie. Kellner nahmen in zwei Restaurants die privaten Gespräche von Ministern und anderen Politiker auf und veröffentlichten deren teilweise vulgären Aussprüche. Auch der Wechsel von Ex-Ministerpräsident Donald Tusk nach Brüssel schwächte die Partei − Tusk ist heute EU-Ratspräsident.
Seine Nachfolgerin Ewa Kopacz entschuldigte sich für die Äußerungen ihrer Kollegen und betonte die positiven Seiten der vergangenen acht Regierungsjahre.
"Die Opposition sagt, sie wolle Stabilität und Wirtschaftswachstum. Dabei hat sie scheinbar nicht mitbekommen, dass die polnische Wirtschaft in den vergangenen Jahren um 24 Prozent gewachsen ist. Der EU-Durchschnitt lag nur bei 0,6 Prozent. Von der Opposition höre ich nur Versprechen, teuere Versprechen."
Tatsächlich versprach die PiS viel: einen höherer Steuerfreibetrag, mehr Kindergeld und keine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Ihr Argument: Das Wirtschaftswachstum komme bei viel zu wenigen Polen an. Außerdem steht die PiS für eine enge Beziehung zwischen Staat und der katholischen Kirche.
"Vernichtung der polnischen Kultur"
Spitzenkandidatin der PiS ist die 52-jährige Beata Szydlo − bis dato ein politisch eher unbeschriebenes Blatt. Sollte die PiS alleine keine Mehrheit erreichen, kommen für sie zwei Parteien als Koalitionspartner in Frage. Beide stehen noch einmal deutlich rechts von der PiS. Das zeigte sich vor allem in der polnischen Debatte über die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten.
Der Rocksänger Pawel Kukiz, der eine der beiden Formationen leitet, sprach in dem Zusammenhang von einer geplanten Vernichtung der polnischen Kultur. Dabei hatte sich die Regierung nur zur Aufnahme von 7000 Flüchtlingen bereit erklärt.
Kukiz, der bei der Präsidentenwahl im Mai 20 Prozent der Stimmen erreichte, gibt sich als Volkstribun:
"Wir müssen ein ganz neues Polen schaffen, Gesetze müssen für die Bürger geschrieben werden. Unser Staat, wie er jetzt ist, dient nur den Partei-Oligarchen."
Mit der PiS und Politikern wie Pawel Kukiz dürfte sich die polnische Politik nach der Wahl morgen deutlich nach rechts verschieben.
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