Streit um die Bühnen Halle

Wird Kunst kaputt gespart?

Der Intendant der Oper Halle, Florian Lutz (l.) und der Geschäftsführer der Halleschen Theater GmbH, Stefan Rosinski, aufgenommen 2016
Damals war noch alles in Ordnung: der Intendant der Oper Halle, Florian Lutz (l.) und der Geschäftsführer der halleschen Theater GmbH, Stefan Rosinski im Jahr 2016. © dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt
Von Christoph Richter · 19.01.2019
Die finanziellen Turbulenzen der Bühnen Halle scheinen zwar beigelegt. Jetzt sorgt jedoch ein Offener Brief von Theaterleuten aus ganz Deutschland für Aufregung: Der Geschäftsführer, heißt es darin, schränke die Kunstfreiheit ein – aus Sparsamkeit.
In Halle tobt ein Theater- und Opernstreit, der in Deutschland derzeit seinesgleichen sucht. Die Beteiligten: die künstlerischen Leiter der Sparten Theater und Oper, Matthias Brenner und Florian Lutz auf der einen, Geschäftsführer Stefan Rosinski auf der anderen Seite.
Der Vorwurf wiegt schwer: Es heißt, Rosinski würde sich in die künstlerischen Belange einmischen, die Kunstfreiheit an den Bühnen Halle einschränken. Das rief jetzt auch den Noch-Chef der Münchner Kammerspiele, Matthias Lilienthal, auf den Plan. Er schrieb einen Offenen Brief. Tenor: Es bestehe akute Gefahr für das Theater, es sei Handlungsbedarf geboten.

Große Solidarität für die Hallenser Kollegen

Mitunterzeichner sind unter anderem Jürgen Flimm, der frühere Intendant der Berliner Staatsoper, Nicolas Stemann, der künftige Intendant am Schauspielhaus Zürich oder Oliver Reese vom Berliner Ensemble. Letzterer sagte Deutschlandfunk Kultur, dass der Geschäftsführer Stefan Rosinski den künstlerischen Leitern den Geldhahn zu- oder aufdrehe, je nach Gutdünken. Das Problem kenne Reese aus seinen Zeiten an den Bühnen in Frankfurt am Main. Sein Vorschlag: Es brauche statt eines Geschäftsführers einen oder eine Verwaltungsdirektorin.
Sarah Nemtsovs multiräumliche Oper „Sacrifice“ im Opernhaus der Bühnen der Stadt Halle
Inszenierungen im Opernhaus der Bühnen der Stadt Halle stoßen bei vielen Hallenser Bürgern auf wenig Gegenliebe.© Falk Wenzel
Detlef Wend, SPD-Stadtrat und Mitglied des Aufsichtsrats der Theater, Opern und Orchester GmbH in Halle, kurz TOOH, schüttelt den Kopf. "Ich bin überrascht, dass sich Leute so unprofessionell aus der Ferne einmischen. Und gar nicht wissen, was hier vor Ort passiert, was es für interpersonelle Probleme es gibt. Das ist ihnen nicht bewusst. Ich denke, man hat ihnen einen Zettel vorgehalten, und den hat man dann unterschrieben."

Streitpunkt: die Vertragsverlängerungen

Hauptstreitpunkt sind die anstehenden Vertrags-Verlängerungen von Schauspiel-Intendant Matthias Brenner und Opern-Chef Florian Lutz. Gerade an Letzteren hat sich in der Stadtgesellschaft Halle ein Streit entbrannt.
2016 wurde Lutz geholt, um die Oper Halle zu entstauben. Der 1979 in Köln geborene Theater-Mann schert sich nicht um Konventionen. Lutz geht es um experimentelle Zugänge, Opernstoffe sollen "dekonstruiert" werden. Was im Feuilleton auf positive Resonanz stößt, Studierende begeistert, löst in der Hallenser Stadtgesellschaft Widerspruch aus. Die Hälfte der Abos wurden gekündigt. Wolfgang Aldag ficht das nicht an, er ist Stadtrat der Grünen und stellt sich hinter Opern-Chef Florian Lutz.
"Ich kann nur appellieren sich zu öffnen, nicht nur auf die Zahlen zu gucken, sondern auch auf das Künstlerische zu schauen. Wenn ich mir den Spielplan von 2019 angucke, da hat es für mich eine gute Mischung."

"Ein Aufsichtsrat darf sich nicht erpressen lassen"

Bei weitem nicht alle Stadträte sehen das so positiv. In einer gemeinsamen Pressemitteilung einer durchaus ungewöhnlichen Koalition – bestehend aus CDU, FDP, SPD und Linke – wird kritisiert, dass mit dem Offenen Brief auf den Aufsichtsrat der Bühnen Halle Druck ausgeübt werden solle. Damit würden die Bühnen im Ganzen beschädigt, so Katja Müller, Stadträtin der Linken und Mitglied im Hallenser Kulturausschuss.
"Ein Aufsichtsrat darf sich nicht erpressen lassen: Nicht von Briefen aus München und nicht von führenden Theaterleuten."
Müller ergänzt, dass Geschäftsführer Rosinski es sich zur Aufgabe gemacht habe, mit Sparsamkeit zu agieren, damit am Ende am Vier-Sparten Haus keine Sparte hinten runter falle. Etat 40 Millionen Euro, 470 Mitarbeiter. Stadträtin Müller erinnert an die finanziellen Turbulenzen der letzten Jahre. Ähnlich sieht es Detlef Wend. Aufsichtsratsmitglied der Theater, Opern und Orchester GmbH in Halle an der Saale.
"Es ist leider festzustellen, dass wir rückläufigen Zuspruch haben. Und das beobachten wir im Aufsichtsrat mit Besorgnis."

Mahnung zur Sparsamkeit

Im Hintergrund-Gespräch gibt Rosinski zu erkennen, dass er gewillt sei, mit den Intendanten weiter zu arbeiten. Mahnt zur Sparsamkeit, insbesondere was den Einsatz von Gästesängern und Videokünstlern betreffe. Öffentlich will er sich derzeit aber nicht äußern.
Auch Opern-Intendant Florian Lutz hat das Schweigen vorgezogen. Auf die Frage, inwiefern ihm die Geschäftsführung das Arbeiten erschwere, gar die Kunstfreiheit einschränke, darauf will Lutz keine Antwort geben. Sagt aber, dass er sich über den Offenen Brief aus München gefreut habe.
Hinter den Kulissen brodelt es, wegen des Offenen Briefes. Auch der Unmut unter den Mitarbeitern – vom Pförtner bis zur Souffleuse – ist groß. Weshalb sich jetzt Oliver Reese, der Chef des Berliner Ensemble als Mediator im Streit unter den Beteiligten angeboten hat, so äußert er sich zumindest gegenüber Deutschlandfunk Kultur. Doch dazu, so Reese weiter, müssten die Beteiligten schon selbst auf ihn zukommen.
Mehr zum Thema