Paradies für Blaualgen

Von Alexander Budde · 18.05.2010
Überfischt, überdüngt und viel zu stark befahren, verliert die Ostsee zunehmend ihr ökologisches Gleichgewicht, was vor allem in den die Anrainerstaaten zur Sorge führt. Sie haben sich zu einer zwischenstaatlichen Organisation, HELCOM, zusammengeschlossen. Ihr Ziel: den Zustand des europäischen Binnenmeeres zu verfolgen und auf eine Verbesserung hinzuwirken.
Von Helsinkis Lotsenzentrale aus überwacht Kai Parnanen den Schiffsverkehr in der Finnischen Bucht. Tische stehen im Raum, darauf Telefone, Computer, Bildschirme. Einige zeigen Videobilder von Kameras, die an Kaianlagen und entlang der Küste platziert sind. Auf anderen sind die Schifffahrtsrouten im Meerbusen als virtuelle Seekarte dargestellt. Ein blinkender Leuchtpunkt signalisiert: Ein Frachter aus Estland nähert sich dem Kontrollsektor.

Kai Parnanen: "Die Rezession ist vorbei. Vor einem Jahr noch kamen täglich fünf oder sechs Schiffe. Inzwischen sind es gut zwei Dutzend. Wenn sie in unseren Sektor kommen, müssen sie sich anmelden. Wir sehen dann zu, dass sie auf ihren zugewiesenen Routen bleiben. Und bei kniffligen Passagen können wir Schlepper zur Unterstützung schicken."

Durch die rund 400 Kilometer lange Bucht verlaufen intensiv befahrene und gefährliche Schifffahrtsrouten. 100 Tage im Jahr ist die Ostsee hier von Eis bedeckt. Vor allem in der Inselwelt vor der finnischen Küste mit ihren zahlreichen Untiefen bleibt nur wenig Platz zum Navigieren.

Kai Parnanen: "Wenn es im Archipel zu einem Ausfall der Systeme kommt und das Schiff aus dem Ruder läuft, lässt sich kaum noch was ausrichten. Innerhalb von Sekunden sitzt das Schiff auf Grund."

Draußen im Hafen schiebt sich die Passagierfähre "Mariella" an die Kaimauer. Landgang für die Pendler und Kurzbesucher aus Stockholm. In den Sommermonaten sind im Tagesschnitt rund 2 000 Schiffe auf der Ostsee unterwegs: Frachter, Tanker, Fähren.

Und es werden ständig mehr: Allein bei den Öltransporten aus den russischen Häfen könnten nach Schätzungen von Experten - abhängig von der Wirtschaftslage - statt 145 Millionen Tonnen in 2008 bald schon bis zu 260 Millionen Tonnen bewegt werden. Mit dem Schiffsverkehr wächst das Risiko einer verheerenden Ölpest. Bislang sind Havarien wie die der "Volgoneft", "Baltic Carrier" oder "Fu Shan Hai" vergleichbar glimpflich abgelaufen. Doch der Ostsee setzt noch mehr zu.

Maria Laamanen: "Die Transporte tragen zur Verschmutzung des Meeres bei, durch das Verbrennen von Schiffsdiesel und die Entsorgung von Schmutzwasser auf See. Zwar ist der Eintrag von Nährstoffen im Trend rückläufig, was vor allem auf die bessere Reinigung von Abwasser im Einzugsgebiet zurückzuführen ist, etwa in der Großstadt Sankt Petersburg.

Doch die Überdüngung der Ostsee ist vor allem wegen der intensiven Landwirtschaft ein ungelöstes Problem. Und von sicheren Beständen zum Erhalt der Artenvielfalt kann nach wie vor keine Rede sein."

Sagt Maria Laamanen. Die Meeresbiologin spricht für HELCOM, die Helsinki-Kommission. 1974 verständigten sich die Anrainer über alle Blockgrenzen hinweg auf ein gemeinsames Gremium zur Rettung der damals schon durch Pestizide, Düngemittel und verklappte Kampfmittel schwer belasteten Ostsee.

Maria Laamanen: "Die Konvention war ziemlich einzigartig. Ost und West suchten das Gespräch, trotz der tiefen Teilung. Forschungsprojekte hatte es schon damals gegeben - an allen Ufern waren die Wissenschaftler besorgt. Sie wussten, der Ostsee geht es nicht gut."

Heute gehören HELCOM neun Küstenstaaten sowie die Europäische Union an, vertreten durch die Kommission. Die Organisation mit Sitz in Helsinki stößt politische Debatten an, arbeitet konkrete Reduktionsziele der Länder aus und koordiniert Forschungsprojekte.

Früh am Morgen auf dem Forschungsschiff "Professor Albrecht Penck": Wissenschaftler vom Leibnitz Institut für Ostseeforschung in Warnemünde lassen eine Tauchsonde in die dunklen Wasser der Ostsee hinab. Der Meereschemiker Günther Nausch koordiniert den deutschen Teil der Umweltüberwachung.

Bis zu fünfmal im Jahr fahren die Wissenschaftler auf festgelegten Routen hinaus.

Günther Nausch: "Das Grundinstrument unserer Untersuchungen ist eine sogenannte CTD-Sonde. Das ist ein Messgerät, das während dem Ablassen in das Wasser hinein Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff, Fluoreszenz und andere Parameter registriert.

Und daneben befinden sich dort viele Wasserschöpfer daran, mit denen in unterschiedlichen Tiefen Proben genommen werden. Die werden entweder direkt auf dem Schiff analysiert oder konserviert. Das sind zum Beispiel Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Kadmium, die hier im Labor untersucht werden mit. Oder organische Schadstoffe wie DDT, Polychlorierte Biphenyle und eine ganze Reihe von sehr komplizierten Substanzen."

Das Untersuchungsgebiet, in dem die Proben genommen werden, reicht von der Kieler Bucht bis nördlich von Gotland. An einigen Stellen ist die Ostsee nur 20 Meter tief, an anderen 500.

Günther Nausch: "Die Ostsee ist ein sogenanntes Nebenmeer des Atlantischen Ozeans. Und wenn man auf die Karte schaut, sieht man, dass es nur eine sehr schmale und flache Verbindung über den großen und kleinen Belt sowie den Sund mit der Nordsee gibt. Der Wasseraustausch mit dem offenen Meer ist weitgehend eingegrenzt. Und dadurch entstehen eine ganze Reihe von Problemen. Man spricht davon, dass die Wasserverweilzeit in der Ostsee bei etwa 35 Jahren liegt. Alles, was in die Ostsee eingetragen wird, bleibt sehr lange darin.

Es können zwar Partikel, die im Oberflächenwasser entstanden sind, Algen die absterben, absinken. Es kann aber sehr wenige Stoffe, die sich unten angereichert haben, nach oben transportiert werden. Und hinzu kommt, dass im tiefen Wasser, wenn solche Partikel absinken, diese abgebaut werden und dort der Sauerstoff verbraucht wird aber kein neuer Sauerstoff hineingelangen kann."

Cyanobakterien, im Volksmund schlicht Blaualgen genannt, zählen zu den ältesten Organismen unseres Planeten. Durch den hohen Phosphatgehalt im Wasser können die Winzlinge wunderbar gedeihen. Die Algenblüte entsteht in der offenen See und wird mit Wind und Strömung verteilt.

Besonders häufig tritt die Plage vor der schwedischen Küste auf. Dann schwappt braungrüne Suppe übelriechender Algen vor Badeinseln wie Sandhamn im Stockholmer Schärenarchipel.

Frau: "Keine zehn Pferde kriegen mich ins Wasser! Das ist ein ekelhaftes Zeug!"

Frau: "Man sieht keine Vögel mehr, die finden keine Beute. Und Fische treiben tot an der Oberfläche. Es ist furchtbar!"

Die immer neuen Alarmmeldungen von der angeblich mausetoten Ostsee hält die schwedische Meeresbiologin Lena Kautsky gleichwohl für maßlos übertrieben.

Lena Kautsky: "Von gefährlichen 'Giftalgen' ist die Rede. Angeblich regt sich im Wasser überhaupt kein Leben mehr. Dabei ist die Ostsee schlicht und einfach überdüngt und die Arten passen sich den veränderten Lebensbedingungen an. In 50 oder 60 Metern Tiefe gibt es heute mehr Muscheln als jemals zuvor. Muscheln und Algen fühlen sich wohl.

Fische wie der Dorsch dagegen leiden unter dem Sauerstoffmangel in den tieferen Schichten. Und die Badegäste sind natürlich auch nicht erfreut. Die wünschen sich klares Wasser und eine saubere Bucht."

Sauerstoffmangel und Algenblüte haben nicht nur natürliche Ursachen.
90 Millionen Menschen leben im Einzugsgebiet des kleinen Meeres. Die Forscher rechnen damit, dass alljährlich 600.000 Tonnen Stickstoff über Flüsse eingetragen werden und weitere 300.000 Tonnen aus der Luft. Hinzu kommen 35.000 Tonnen Phosphor.

Günther Nausch: "Man muss bei diesen Einträgen unterscheiden zwischen Punktquellen – das sind also Klärwerke oder Industriestandorte – die kann man relativ einfach mit Technik behandeln die den Phosphor herausnimmt. Dann gibt es die sogenannten diffusen Quellen, und das sind eben die landwirtschaftlichen Nutzflächen. Und von diesen diffusen Quellen kommen etwa 80 bis 90 Prozent der Stickstoffeinträge, das heißt: aus den Ackerflächen, über das Grundwasser, die also großräumig dann einströmen.

Beim Phosphor sind durchaus Reduktionen schon sichtbar. Während eben beim Stickstoff aufgrund des hohen Anteils des diffusen Eintrages diese Reduktionen noch nicht so deutlich beobachtbar sind. Dort muss man natürlich auch etwas tun. Das ist aber ungleich schwieriger und dauert wesentlich länger, bis die Effekte dann sichtbar werden."

In einem gemeinsamen Aktionsplan von 2007 verpflichteten sich die
HELCOM-Staaten, die Überdüngung und Verschmutzung der Ostsee bis zum Jahr 2021 einzudämmen und die Artenvielfalt langfristig auf einem natürlichen Niveau zu sichern. Tatsächlich setzte sich die Organisation seit den 70er-Jahren erfolgreich dafür ein, Giftstoffe wie Dioxin, PCB und DDT aus Pestiziden, Düngemitteln und Weichmachern der chemischen Industrie aus dem Meer zu verbannen.

Günther Nausch: "DDT und auch die Polychlorierten Biphenyle haben dazu geführt, dass die Eistärken von vielen Seevögeln dünner geworden sind und dadurch das Brutgeschäft beeinflusst worden ist. Und damit die Nachkommen zum Beispiel des Seeadlers geringer geworden sind. Mit der Verbannung dieser Substanzen ist nach einem gewissen zeitlichen Verzug auch mit einer Zunahme der Seeadler-Population wieder zu beobachten.

Die Robben, da war natürlich auch das Problem, dass sie keine Ruheplätze gefunden haben. Und man schafft ja gerade im Bereich der Insel Rügen solche Areale. Wir haben in der HELCOM im Moment etwa 10 Prozent dieser geschützten Gebiete. Das sind schon relativ große Flächen. Und wie man bei den Robben sieht, sind solche Schutzareale ganz wichtig, um die Artenvielfalt letztendlich über längere Zeiträume zu sichern."

Die Verlegung einer Erdgaspipeline durch wertvolle Schutzgebiete wie etwa den Greifswalder Bodden mit seinen Buchten, Salzwiesen und Sandstränden - aus Sicht von Umweltorganisationen ist sie - gelinde gesagt - nicht hilfreich. Durch die geplanten Erdarbeiten am Meeresgrund könnten Tausende Tonnen Stickstoff und Phosphate aber auch seit Jahrzehnten im Sediment lagernde Giftstoffe aufwirbeln und somit wieder in die Nahrungskette gelangen, fürchtet Jochen Lamp, Ostseeexperte des WWF in Stralsund.

Jochen Lamp: "Für die Lebenswelt ist beispielsweise der Greifswalder Bodden das Wichtigste Heringslaichgebiet in Deutschland. Da wächst ein Großteil der Heringe auf, die dann in der ganzen westlichen Ostsee im Rest des Jahres schwimmen.

Und da geht man jetzt mit der Pipeline mitten durch, um dann in Lubmin anzulanden. Wo im Grunde eine Fahrrinne durch gebaggert wird, und dann die Pipeline in den Graben gelegt. Und man darf nicht vergessen, die Pipeline ist ein Eingriff von einer ganzen Reihe von anderen, die schon in dem Gewässer passieren. Ob es jetzt Fahrwasserbegradigung, Fahrwasservertiefungen sind, oder ob es Kraftwerke sind, die in den nächsten Jahren ebenfalls dort gebaut werden. Und insofern zur Gesamtbelastung dieser Schutzgebiete beitragen."

Nicht nur die sogenannten Natura 2000-Gebiete sind in Gefahr, für die Umweltschützer seit bald 20 Jahren kämpfen. Auch grundsätzliche Probleme wie die noch immer mangelhafte Reinigung von Abwässern konnte der Anrainerverbund bis heute nicht lösen. Beim HELCOM-Gipfel in Moskau seien übertriebene Erwartungen fehl am Platze, prophezeit Lamp. Wenn die Minister erstmals Bilanz zögen, wie weit die einzelnen Länder ihren konkreten Reduktionszielen gekommen sind, werde sich alsbald Ernüchterung breit machen.

Jochen Lamp: "Wir haben in der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO gesehen, dass ein Antrag, Kreuzfahrtschiffe dazu zu verpflichten, ihre Abwässer vollgereinigt an Land zu entsorgen, der ist gescheitert. Und die schnellen Maßnahmen, die man hätte machen können, um die Nährstoffbelastung einzudämmen, hat man bisher auch nicht gemacht.

Das Einfache wäre tatsächlich, die Phosphate aus dem Waschmittel zu verbannen. Das geht in einigen Ländern aber nicht Ostsee-weit. Aber man muss eben auch das größere Problem, nämlich die Überdüngung aus der Landwirtschaft abstellen, durch zum Beispiel Abgaben auf Stickstoff und Phosphate. Da geht es nur sehr schleppend voran - und zum Teil sogar schon rückwärts: dass man versucht, die einmal getroffenen Werte wieder zurückzudrehen. Da wird, fürchte ich, nur ein sehr mageres Ergebnis in Moskau herauskommen. Die Hauptprobleme sind Überdüngung, ist Schifffahrt und ist weiterhin die Überfischung."

Die Fischereipolitik der EU ist ein Desaster, beklagen Umweltverbände wie der WWF. Der Aal ist in den Ländern rund um die Ostsee so gut wie ausgerottet. Kaum besser steht es um Heilbutt, Seeteufel, Rotauge. Selbst die Bestände vom Dorsch, dem liebsten Speisefisch der Anrainer, konnten in schwedischen Gewässern nur durch einen totalen Fangstopp vor dem Kollaps bewahrt werden.

Für die schwedische Fachjournalistin Isabella Lövin, die für die Grünen im einflussreichen Fischereiausschuss des Europaparlaments sitzt, liegt das Problem auf der Hand: Europas überdimensionale Fischereiflotte zieht alles Leben aus dem Wasser, ohne Rücksicht auf biologische Grenzen.

Isabella Lövin: "Die Überfischung zerstört die Balance in unseren Meeren. Etwa dadurch, dass wir Raubfische herausnehmen, die andere Arten in Schach halten. Dann blühen Algen oder Unmengen von Quallen und Krebstieren treten auf. Dabei bringt uns die Plünderung nicht den geringsten Vorteil. Die Branche beschäftigt nicht besonders viele Leute, die Fänge werden kleiner und kleiner, und wir Europäer können uns immer weniger selbst mit Fisch versorgen."

Mit immer größeren Trawlern rüsten die Fischer auf, mit Echolot und ausgeklügelten Kühlsystemen. Die EU subventioniert auch den Schiffsdiesel und garantiert die Abnahme der Quoten. Ein besonderes Ärgernis für die umweltbewegte Patriotin Lövin: Ihre Schweden machen sich für Treibnetze in der Ostsee stark und stimmen mit ihren europäischen Ratskollegen regelmäßig für weitaus höhere Fangquoten als von den Experten des Internationalen Meeresforschungsrats ICES empfohlen.

Isabella Lövin: "Ein grundlegendes Problem ist, dass die Politiker nicht auf die Forscher hören. ICES geht davon aus, dass acht von zehn Fischbeständen in europäischen Gewässern überfischt sind. Und für eine Reihe von Arten wird ein totales Fangverbot empfohlen."

Der deutsche Meeresbiologe Gerd Hubold ist Generalsekretär der Organisation mit Sitz im dänischen Kopenhagen. Seit 1902 sammeln die Experten Daten zur Meeresökologie und zu den Fischbeständen. Die EU fragt regelmäßig bei ICES nach, wie viel Fisch die Flotten aus dem Meer holen können, ohne die Beständ zu gefährden.

Gerd Hubold: "Wir haben im Meer bisher fast keine Fälle, dass irgendwelche Arten wirklich ausgestorben wären. Aber wir können natürlich regional beobachten, dass bestimmte Bestände verschwinden.

Das könnte also passieren, wenn man jetzt in der Ostsee besonders schlecht wirtschaftet oder sich das Klima besonders unvorteilhaft entwickelt. Dass dann Arten wie der Dorsch, der Kabeljau, aus der Ostsee sich zurückziehen."

Auch Hubold und seine Forscherkollegen beklagen, dass die Politiker der neun Anrainerstaaten Jahr für Jahr weit höhere Fangquoten beschlossen, als es ratsam gewesen wäre. In vielen Ländern mangelt es zudem am Willen, sich entschieden für die Einhaltung der Quoten einzusetzen und ernsthaft gegen die Schwarzfischerei vorzugehen. Dabei ist der Mensch nicht nur Zuschauer sondern auch ein Teil des Biotops, mahnt Hubold.

Gerd Hubold: "Wenn die Fischbestände zu klein werden, gibt es gar keine lohnende Fischerei mehr. Die Fische gibt es noch, aber die Fischer müssen aufgeben. Dafür gibt es eine Reihe Beispiele: der Kabeljau bei Kanada vor 20 Jahren. Wo tatsächlich die Fischerei vollkommen zusammengebrochen ist. Dem Kabeljau ist es egal, wie groß sein Bestand ist, solange er biologisch überlebt. Aber den Fischern kann es nicht egal sein. Und den Politikern auch nicht."

An Schwedens Ostküste wird seit Generationen vor allem Dorsch gefangen. 80 Berufsfischer gibt es noch in der beschaulichen Hafenstadt Simrishamn.

Doch die Spezies ist gefährdet, sagt Ole Viberg mit einem bitteren Lächeln im Gesicht. Der betagte Seebär spricht als Vorsitzender des örtlichen Fischereiverbandes.

In der Kajüte von Vibergs Trawler "Vingarö" hängt ein Pin-Up-Kalender, daneben bullert eine Kaffeemaschine. Der Endfünfziger füllt die Tassen. Und erzählt seine eigene Geschichte vom Dorsch. Im Juni 1966 heuerte der Schwede auf seinem ersten Fischkutter an.

Ole Viberg: "Damals war ich 15 – und fast jeden Tag seekrank. Schon mein Vater und mein Großvater haben mit dem Schleppnetz gefischt. Und auch ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen. Reich sind wir nicht geworden, aber wir haben in all den Jahren unser Auskommen gehabt."

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union 1995 verdreifachten sich in Schweden die Staatshilfen für die Küstenfischer, zugleich zweifeln immer mehr Kapitäne am wirtschaftlichen Sinn ihrer Arbeit. Wenn Ole Viberg mit seiner "Vingarö" in den Hafen einläuft, stehen die staatlichen Kontrolleure schon am Kai.

Ole Viberg: "Den Stolz haben sie uns genommen. Wenn ich am Morgen an Bord gehe, muss ich Bescheid geben, dass ich jetzt hinausfahre. Und zwei Stunden bevor wir einlaufen, geben wir durch, wie viele Fische wir gefangen haben.

Die großen Boote werden ständig von Satelliten überwacht. Wir Alten haben ja nichts anderes gelernt, aber mein Sohn, der konnte es nicht länger ertragen. An dem Tag als er hinwarf, habe ich geweint. Aber heute bin ich froh für ihn."