Parabel auf die Gerechtigkeit

Von Jörg Taszman · 03.09.2007
Der englische Dokumentarfilm "Stealing Klimt" erzählt die beeindruckende Geschichte von fünf Gemälden von Gustav Klimt. Bei den Bildern, darunter das berühmte "Goldene Adele", handelte es sich im weitesten Sinne um von den Nazis geraubte Kunst. Erst durch ein neues Restitutionsgesetz konnte die noch lebende Erbin die Bilder zurückfordern. Der Film kommt nun ins Kino.
Jane Chablani reist mit "Stealing Klimt" derzeit durch die Welt. Gestern war sie noch in New York, nun ist die junge Britin in einem Berliner Hotel und müde. Sie wirkt sehr wach, wenn sie über ihren Film redet, den sie nicht aus persönlichen Motiven begann, sondern weil sie von einer Produzentin angesprochen wurde. Eigentlich wollte Jane Chablani zusammen mit dem Co-Regisseur Martin Smith einen klassischen Dokumentarfilm drehen, in dem beide Parteien zu Wort kommen. Aber dann kam alles anders.

Jane Chablani: " Was dann tatsächlich passierte, war, dass wir nur noch die Geschichte von Maria verfolgten. Das war nicht unsere ursprüngliche Absicht. Wir wollten eigentlich beide Seiten gleichermaßen zu Wort kommen lassen. Die Österreicher stellten uns aber nur ein Sprachrohr zur Verfügung: Gottfried Toman, ihren Anwalt, der vor allen Gerichten Österreich vertrat. Das war hilfreich, aber er war der Einzige, der mit uns reden wollte. Wir hätten so gerne die Kulturministerin, den Museumsdirektor oder andere Vertreter der Macht interviewt. Dabei erlebten wir – wenn auch in einem viel geringeren Maß - das, was Maria durchleiden musste."
"Stealing Klimt" erzählt so ganz aus der Perspektive einer streitbaren Dame der nun 91-jährigen Maria Altmann. Fünf Gemälde von Gustav Klimt u.a das berühmte Porträt von Adele Bloch-Bauer die "Goldene Adele" gehörten einst dem jüdisch-österreischischen Ferdinand Bloch-Bauer und dessen Frau.

Obwohl Adele Bloch-Bauer, die mit 25 Jahren starb, die Bilder nach dem Tod ihres Mannes, der "Österreichischen Galerie" überlassen wollte, wurden die Werke von den Nationalsozialisten 1938 enteignet, um eine fingierte Steuerschuld zu begleichen. Jahrzehntelang weigerte sich Österreich nicht nur die Bilder zurückzugeben, sondern stritt auch jegliche Schuld ab. Und so ist "Stealing Klimt" mehr, als nur der Kampf einer alten Frau gegen ein ganzes Land, sondern auch ein Zeugnis darüber, wie unwillig man sich in Österreich auch als Land der Täter versteht. Als Jane Chablani mit dem Film anfing, war überhaupt nicht klar, wie die Geschichte ausgehen würde.

Jane Chablani: " Wir verfolgten den Fall ab 2004, als er vor das Oberste Gericht der USA kam. Dem Anwalt von Maria Altmann, Randy Schönberg, gab man nur eine 15% ige Chance, diesen Fall zu gewinnen. Sein erster Sieg vor dem Obersten Gericht kam sehr unerwartet und keiner wusste, wie diese Geschichte ausgehen würde. Das erinnerte sehr an David gegen Goliath. Als Österreich gezwungen wurde, Schlichter zu akzeptieren, ging das Gerücht herum, das dieser Schlichterspruch nicht zu Marias Gunsten ausgehen würde. Es war also nie eine sichere Sache. "

Man kann den Film und den unerwarteten Ausgang des Rechtstreits zunächst als einen Sieg der Gerechtigkeit sehen. Ein arroganter Staat, der sich völlig uneinsichtig zeigt, muss einer rechtmäßigen Erbin ihr Eigentum zurückgeben.

Es ist aber mehr eine Parabel,was passiert, wenn Politiker oder Staaten immer nur scheibchenweise nachgeben, lavieren und versuchen, Zeit zu schinden. Am Ende hat Österreich die Bilder verloren, obwohl das nie die Absicht von Maria Altmann war, sie bei Christies zu versteigern.

Für 300 Millionen Euro hatte Österreich ein Vorverkaufsrecht. Zu echten Verhandlungen kam es nie. Lieber spielte man den Beleidigten und ließ zu, dass viele Österreicher ihren ganz persönlichen Antisemitismus bestätigt sahen. "Der alten jüdischen Dame ginge es ja wohl nur ums Geld." Und doch muss man als Betrachter bedauern, dass vier der fünf Gemälde nun nicht mehr öffentlich zu sehen sind.

Jane Chablani: " Maria Altmann würde dem völlig zustimmen. Sie wollte nicht, dass die Bilder an Privatpersonen verkauft werden, sondern in einem öffentlichen Museum in Österreich bleiben. Das war es, was ihr Onkel und ihre Tante auch wollten, die Klimt die Aufträge zu den Bildern erteilt hatten. Es waren Bilder in Privatbesitz, die einmal der gesamten österreichischen Nation gehören sollten, weil Ferdinand Bloch-Bauer und seine Frau Adele Österreich als ihre Heimat liebten. Leider begab sich der österreichische Staat in eine so unhaltbare Situation, so dass am Ende Maria die Bilder nicht mehr in Österreich lassen konnte. Sie hätte sie gerne einem österreichischen Museum gegeben, aber die Prozesskosten nach sieben Jahren und der lange Streit machten alles ziemlich schwierig. "

Man geht nachdenklich aus diesem Film, der obwohl er parteiisch ist, viele Fragen zulässt. Wie sollte mit Beute- oder Raubkunst verfahren werden? Welchen Preis ist ein Staat, der sich im Unrecht befand, bereit zu zahlen, um die Werke eines seiner berühmtesten Künstler für das Land zu erhalten? Welchen Wert hat Kultur, haben Gemälde überhaupt noch in einer Welt, wo anonyme Milliardäre Fantasiesummen zwischen 50 und 73 Millionen für ein Gemälde zahlen? In Österreich selber wird das Werk im Oktober auf der Viennale zu sehen sein. Jane Chablani ist auf die Reaktionen dort sehr gespannt.
Maria Altmann vor dem Gemälde "Adele Bloch-Bauer 1" von Gustav Klimt in Los Angeles. Das Bild gilt mit einem Preis von 135 Millionen Dollar, den der Kosmetikhersteller Ronald Lauder an die letzte rechtmäßige Klimt-Erbin zahlte, als teuerstes Gemälde.
Maria Altmann vor dem Gemälde "Adele Bloch-Bauer 1" von Gustav Klimt in Los Angeles.© AP Archiv