Pandora Papers

Ein riesiger Skandal ohne Aufschrei

Pandora Papers-Webseite zu sehen auf einem Smartphone
Die Pandora Papers haben es nicht in die Talkshows oder die Aktuelle Stunde des Bundestags geschafft. Warum? © picture alliance / Zumapress / Mykola Tys
Moderation: Jenny Genzmer und Dennis Kogel · 23.10.2021
Die geleakten Pandora Papers belegten illegale und unmoralische Tricks der Reichen und Mächtigen zur Steuervermeidung. Aber warum ist es so still um diesen Skandal? Und haben die Veröffentlichungen bisher überhaupt etwas bewirkt?
Die Pandora Papers – das ist ein großes Stück internationaler Investigativjournalismus über die vielen, teils illegalen und unmoralischen Tricks der Reichen und Mächtigen, aber vor allem von 330 ranghohen Politikern, um möglichst wenig Steuern zu zahlen und ihren Reichtum vor dem Fiskus zu verbergen.
Doch warum ist es eigentlich so still um diesen Skandal? Immerhin war es das größte Datenleak, das das Internationale Konsortium für Investigative Journalisten ICIJ bisher veröffentlicht hat.
Anders als die Panama Papers, das 2016 veröffentlichte bis dahin größte Datenleak über Steueroasen, haben es die Pandora Papers nicht in die Talkshows oder die Aktuelle Stunde des Bundestags geschafft. Diese wurde damals von der damaligen Regierung einberufen, und Wolfgang Schäuble legte in der Folge einen Zehn-Punkte-Plan dazu vor, wie man sich international besser abstimmen will, um gegen Steueroasen vorzugehen.

"Wenig bis gar nichts passiert"

Doch getan hat sich seit damals nicht viel, meint Frederik Obermaier vom Investigativteam der "Süddeutschen Zeitung".
"Wir sehen, dass sich Politiker fast jeder Couleur hinstellen, Pressemitteilungen aussenden und für mehr Transparenz sind, für das Austrocknen von Steueroasen ... Und dann sehen wir aber ein bisschen mit Zeitverzögerung, dass wenig bis gar nichts passiert. So war es nach den Offshore-Leaks, nach Luxemburg Leaks, nach den Swissleaks, nach Panama Papers, Paradise Papers, und jetzt sind die Pandora Papers da."
Ein bisschen was haben die Panama Papers aber doch bewirkt in Sachen Maßnahmen gegen Steuervermeidung: Zum Beispiel wurde 2017 ein einsehbares Transparenzregister eingeführt – die Idee ist, dass sich eine Firma nicht mehr durch Anonymität verstecken kann. Es gibt eine Art "Schwarze Liste" der EU, auf der Länder wie Panama, Samoa oder die Amerikanischen Jungferninseln stehen – wer dorthin Geschäftsbeziehungen hat, muss mit bestimmten Steuerauflagen rechnen.
Und dann gibt es noch eine Regelung, die einige als "Game Changer" bezeichnen: In diesem Jahr wurde die globale Mindeststeuer für große Unternehmen wie Facebook oder Apple beschlossen, die gilt in fast allen Staaten ab 2023 und beträgt 15 Prozent.

"Schwarze Liste" der EU ist lückenhaft

Konrad Duffy von der Bürgerbewegung Finanzwende hat allerdings Zweifel an der Durchsetzungskraft. "Auf dem Papier hat sich sehr viel getan, in der Substanz leider nicht so viel", sagt er, und gibt ein Beispiel. "Die Länder auf der ‚Schwarzen Liste‘ der EU repräsentieren nur rund zwei Prozent der gesamten Gewinnverschiebung weltweit. Es ist also ein komplett stumpfes Schwert. Denn kein einziges EU-Land steht zum Beispiel auf dieser Liste." Und so lückenhaft wie die "Schwarze Liste" sei auch das Transparenzregister. "Das ist eine Sache, die wirklich auch Resultate bringen könnte, wenn es vollumfänglich öffentlich und leicht einsehbar wäre. Das ist es aber noch nicht."
Es geht um folgende Strategien: Mithilfe des Transparenzregisters soll erreicht werden, dass sich Unternehmen nicht mehr hinter komplizierten Firmenkonstruktionen verstecken können. Der andere Ansatz ist, sich international abzustimmen, Informationen auszutauschen, gemeinsame Standards zu entwickeln wie beispielsweise einen globalen Mindeststeuersatz. Einig sind sich die Länder darüber, dass Steuerbetrug verhindert werden soll, aber darüber, wie umfassend die Maßnahmen sein sollen, gibt es viel Uneinigkeit.

"Erlernte Hilflosigkeit" in der Gesellschaft

Bleibt die Frage, warum die Debatte darüber in der Öffentlichkeit so wenig Wellen schlägt. Die Neurowissenschaftlerin und Gründerin vom Online-Magazin "Perspective Daily", Maren Urner, erklärt, woran das liegt.
"Auf den aktuellen Fall der Pandora Papers haben wir ganz klar eine zeitliche Nähe. Wir haben in gewisser Weise ein bisschen räumliche Nähe, aber nicht so richtig. Und bei der dritten Komponente, der sozialen Nähe, kommt hinzu, dass das meist Menschen sind, die natürlich von uns weit weg sind, denen wir in unserem Alltag, wenn überhaupt, über Dritte, über die Medien über Intermediäre begegnen, weil die ein komplett anderes Leben leben."
Sie spricht von einer "Erlernten Hilflosigkeit", basierend unter anderem auf der Art der Berichterstattung, in der es einen starken Negativitätsbias gebe, und da unser Gehirn negative Nachrichten viel schneller und intensiver verarbeitete als positive oder neutrale, würden wir im Schnitt fast alle ein zu negatives Bild von der Welt entwickeln. "Und das sorgt eben nicht dafür, dass wir besonders aufschreien und aktiv werden", sagt Urner.

Mehr aus der Opferperspektive erzählen

Was könnte die Berichterstattung dem Gefühl der Machtlosigkeit entgegensetzen? Frederik Obermeier meint, man müsste auch bei den großen Datenleaks mehr die Opferperspektive erzählen, nicht so sehr die der Täter. Zudem gehe es darum, viel klarer zu machen, dass es nicht richtig ist, Steuern im Ausland zu vermeiden, dass es sich um Betrug handelt. Das ist eine Beobachtung, die auch Konrad Duffy von der "Finanzwende" macht - wie zum Beispiel bei den Cum-Ex-Geschäften, wo sich Aktienhändler Steuern zurückzahlen lassen, die sie nie bezahlt haben.
"Hier wird der Staat teilweise ausgeraubt. Die Ressourcen fehlen dann bei benötigter Infrastruktur, bei Schulen, bei Krankenhäusern et cetera. Und der Schaden ist einfach wirklich viel zu groß, als dass wir das Thema wie ein Kavaliersdelikt behandeln", sagt Duffy.
Eigentlich müsste viel mehr über Anti-Korruptionsmaßnahmen und Initiativen gegen Finanzkriminalität berichtet werden, so sieht das Maren Urner. Sie ist Verfechterin von Konstruktivem Journalismus, also der Idee, dass man immer auch fragt: Und wie geht es jetzt weiter?
Frederik Obermaier hat noch eine ganz andere Idee: "Eine interessante Rückmeldung, die ich zu den Pandora Papers von Lesern bekommen habe, dass diese junge Bürgerbewegung, die unter dem Schlagwort Fridays for Future läuft, so etwas ist, das kam, um wirklichen Wandel zu schaffen, und dass es auch so etwas bräuchte, wie Fridays for Anticorruption."
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