Pandemiechaos an den Schulen

Das Kindeswohl muss auf die Agenda

07:52 Minuten
Schüler gehen auf den Haupteingang einer Schule zu.
Viele Schulen haben wieder geöffnet - doch wie lange noch? © picture alliance / dpa | Henning Kaiser
Jutta Allmendinger im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 18.03.2021
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Schließen, öffnen, wieder schließen: Viele Kinder sind mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Schulen überfordert. Ein Viertel der Kinder gehe momentan verloren, warnt die Soziologin Jutta Allmendinger und schlägt "aufsuchende Bildung" vor.
Schulen in der Pandemie: Wo ist die klare Linie? Laut Kultusministerkonferenz waren in der vergangenen Woche rund 2300 Schulen immer noch geschlossen. Das wäre in etwa jede zehnte. 18.600 Schulen boten zumindest einen "eingeschränkten Präsenzbetrieb" an.
Die Vorsitzende der Konferenz, Britta Ernst (SPD), warnt nun davor, gerade erst geöffnete Schulen schnell wieder dicht zu machen, und spricht sich gegen eine starre Orientierung an Inzidenzwerten aus. Derweil streiten in Nordrhein-Westfalen einzelne Kommunen mit der Landesregierung: Dortmund und Duisburg wollen die Pforten der Lehranstalten erneut schließen.
Den Streit um die Schulen findet die Soziologin Jutta Allmendinger "extrem problematisch angesichts der vielen betroffenen Kinder". In Deutschland habe es zu Beginn der Pandemie - im Gegensatz zu anderen Ländern - keine große Debatte gegeben: Die Schulen seien einfach gleich geschlossen worden.
"Wir haben uns auch nicht überlegt, was die Folgewirkungen sind", kritisiert Allmendinger. Das zeige, dass Bildung weniger wichtig gewesen sei als andere Dinge.
Manche Kinder seien von den Schließungen relativ wenig betroffen: "Die können selbst lernen, die haben einen guten digitalen Unterricht. Sie haben Eltern, die helfen können." Doch für andere gelte das nicht: Nach Schätzungen gingen rund 25 Prozent der Kinder momentan "verloren". Diese Kinder lernten nicht, bei ihnen laufe "etwas auf Null zu".

Die Kinder können das Hin und Her nicht länger verkraften

Allmendinger fordert deswegen, zielgerichtet auf diese Kinder zuzugehen und bei geschlossenen Schulen Studierende zu aktivieren, um sie zu unterrichten. Man könne Schnelltests zu den Kindern nach Hause bringen und eine "aufsuchende Bildung" betreiben, so Allmendinger. Oder aber statt den Klassenräumen Konzertsäle für den Unterricht nutzen: "Wir haben im Moment maximal viel Platz." Die betroffenen Kinder könnten das Hin und Her nicht länger verkraften, betont sie.
Die Frage des Kindeswohls stehe zu wenig auf der Agenda, sagt Allmendinger. Das von den Kultusministerinnen und -ministern der Länder geplante Milliardenprogramm für besonders von der Pandemie betroffene Kinder begrüßt sie, mahnt aber zugleich, dass kein weiterer Tag verloren gehen darf: "Das muss ein Sofortprogramm sein."
(ahe)
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