Pandemie und Wohnen

Homeoffice ist kein Zuckerschlecken

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Andrej Holm steht auf einer Terrasse in Kreuzberg mit dem Wohnkomplex Zentrum Kreuzberg in seinem Rücken.
Viele Wohnungen in ihrem aktuellen Zustand seien auf zusätzliche Nutzung durch Arbeiten im Homeoffice nicht ausgerichtet, sagt der Sozialwissenschaftler Andrej Holm. © imago-images / Christian Ditsch
Andrej Holm im Gespräch mit Vladimir Balzer · 22.12.2020
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In unserer Reihe "Das große Innehalten" beleuchten wir, wie die Coronapandemie in diesem Jahr unser Leben verändert hat. Im zweiten Teil sprechen wir mit dem Sozialwissenschaftler Andrej Holm über das Thema Wohnen.

In der Reihe "Das große Innehalten" kommen eine Woche lang namhafte Experten und Expertinnen zu Wort, die anhand von sieben Lebensbereichen beleuchten, was die Pandemie mit uns gemacht hat. Wer werden wir sein, wenn sie vorbei ist? Es geht um die Themen Freundschaft, Vertrauen, Wohnen, Heimat, Wissenschaft, Zeitempfinden und Mode.

Der Sozialwissenschaftler Andrej Holm, Stadtsoziologe an der HU Berlin am Institut für Sozialwissenschaften, sagt, dass das erzwungene Arbeiten aus dem Homeoffice vielerorts die Defizite in der Wohnversorgung sichtbar gemacht habe.

Viele Wohnungen sind zum Arbeiten ungeeignet

Aus Gesprächen und Umfragen wisse man, dass viele Menschen das Arbeiten von zu Hause aus als große Herausforderung empfänden, wenn beispielsweise die Kinder zu Hause seien, die Wände sich als akustisch zu durchlässig erwiesen oder schlicht die Raumaufteilung oder die Größe der Wohnung nicht ausreiche.
Beim Wohnungstauschportal der Berliner Wohnungsbaugesellschaften habe man ab April eine deutliche Zunahme an Anfragen und Gesuchen nach größeren Wohnungen zum Tauschen feststellen können. "Man kann deutlich sehen, dass die Wohnungen, wie sie aktuell sind, auf diese Mehrfachnutzung nicht ausgerichtet sind."

Ein Recht auf Homeoffice wäre schwierig umzusetzen

Skeptisch sieht Holm die aufkommende Debatte über ein Recht auf Homeoffice. Man habe über lange Zeit in der Gesellschaft die Arbeit, wichtige Bereiche der Pflege und der Kindererziehung aus der Wohnung ausgelagert.
Deswegen würde die bauliche Hülle in den meisten Städten die Anforderungen nicht erfüllen, diese Aspekte wieder in die Wohnung einzugliedern. Man lebe vielerorts in einem Bestand von Wohnungen, die für solche Bedürfnisse nicht gebaut worden seien.
"Das wird sich auch durch innovative Lösungen in Neubauten nicht für die Masse der Menschen sofort ändern lassen. Und ein zweiter Aspekt, der mich auch skeptisch auf neue Lösungen blicken lässt, ist, dass die Bau- und Immobilienwirtschaft relativ konservativ in ihrer architektonischen Gestaltung ist. Die bauen halt den Standard. Das hat auch mit den hohen Kosten zu tun. Die müssen ihre Wohnungen, die sie errichten, loswerden."

Die Bedeutung von Planung und Regulation

Wenn man aus der Krise gestärkt hervorgehen wolle, müsse es eine größere Bereitschaft geben, die auch schon vor der Krise unzureichenden strukturellen Rahmenbedingungen städtischen Lebens zu verändern, sagt Holm.
"Das heißt, dass es ein größeres Bewusstsein dafür gibt, dass Planung und Regulation eine Rolle spielen sollten. Dass es ein größeres Bewusstsein dafür gibt, dass der Preis von Wohnungen und Gewerberäumen kein geeignetes Instrument ist, um die gewünschte Verteilung von Wohnungen und Läden in den Städten sicherzustellen."
(rja)
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