Pandemie gefährlicher als Terrorismus

Wolf Dombrowsky im Gespräch mit Marcus Pindur · 08.08.2009
Der Kieler Katastrophenforscher Wolf Dombrowsky verteidigt die geplanten Impfungen gegen die Schweinegrippe.
Marcus Pindur: Ist es Hysterie oder ist es unerlässliche Gesundheitsvorsorge? Nicht nur die Finanzierung der Schutzimpfung gegen die Schweinegrippe ist umstritten, auch die Frage, ob diese Impfung überhaupt nötig ist, steht im Raum. Versuchen vielleicht Politiker mit übereiltem Aktionismus vor der Bundestagswahl noch einmal beim Wähler zu punkten? Versucht ein Pharmakonzern, mit dem Impfstoff das große Geschäft zu machen? Fragen, die wir jetzt Professor Wolf Dombrowski stellen wollen. Er ist Soziologe, Katastrophenforscher an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Guten Morgen!

Wolf Dombrowsky: Guten Morgen, Herr Pindur!

Pindur: Zunächst mal die entscheidende Frage: Ist eine Massenimpfung Ihrer Ansicht nach gegen die Schweinegrippe jetzt sinnvoll oder eben nicht?

Dombrowsky: Es kommt darauf an, was man will. Das Wichtigste bei einer Pandemie ist, die Infektionswege zu unterbrechen, und dann ist Impfung angezeigt. Wenn man der Meinung ist, es ist alles nicht so schlimm, dann könnte man es auch lassen. Aber wir wissen es vorher ja nicht so ganz genau.

Pindur: Wir wissen aber, dass diese Krankheit in der Regel einen relativ milden Verlauf nimmt. Warum dann also diese große Aufregung und vor allen Dingen auch, warum dann eine teure Massenimpfung?

Dombrowsky: Es ist ja einer dieser berühmten gefährlichen Ereignisse, wo von Mensch zu Mensch ein aus dem Tierreich kommender Übertragungsvirus weitergegeben wird. Also muss man damit rechnen, dass er auch gefährlicher wird. Es könnte durchaus sein, dass wir im Augenblick noch das Glück haben, dass er so ungefährlich ist und dass es ein größeres Risiko wird. Ich kann ja auch nur das nachbeten, was uns die Virologen sagen, und ich bin ja mit denen, die da was zu sagen haben, im Verbund, und von daher: Es kommt wirklich darauf an, ob wir vorsichtig sein wollen oder ob wir sagen wollen, nö, lassen wir mal drauf ankommen, ist im Augenblick noch nicht so gefährlich.

Pindur: Also, es könnte sein, dass dieser Virus durch Mutationen gefährlicher wird.

Dombrowsky: So ist es.

Pindur: Eine Milliarden teure Impfkampagne wird das, Sie sagen also, ja, die Verhältnismäßigkeit zwischen Risiko einerseits und Schutz andererseits, die ist gegeben?

Dombrowsky: Ich kann das ja selber nicht beurteilen und wenn ich jetzt die Abwägung treffen soll - und das ist ja das Problem an dem politischen Geschäft -, wäge ich ab und sage, es ist nicht so schlimm, wir sparen das Geld lieber und dann wird es ein gefährliches Ereignis, dann sagen alle, ja, hättest du mal lieber was getan. Das ist wie damals bei den Pockenimpfungen, wo Impfstoff besorgt worden ist und es nichts passiert. Entweder, ich wiederhole das, ist man vorsichtig und dann muss man viel Geld in die Hand nehmen, oder man sagt, wir lassen es darauf ankommen. Das ist wirklich eine heikle Entscheidung.

Pindur: Wenn ich das jetzt aber richtig zusammenfasse, was Sie bisher gesagt haben von Ihrer Einschätzung her, dann würde ich einfach mal sagen, sind wir auf der sichereren Seite, wenn wir impfen.

Dombrowsky: Das ist man dann absolut, ja.

Pindur: Wir haben bei der Vogelgrippe SARS ja teilweise auch eine ziemlich hysterische Berichterstattung gehabt, die Auswirkungen waren dann sehr gering. Das konnte man aber auch so nicht vorhersehen, sagen Sie demzufolge?

Dombrowsky: Na ja, das wirklich Gefährliche, was wir ja damals hatten, war, dass ein Erreger von Tier auf Mensch dann weitergeht von Mensch zu Mensch. Das ist ja jetzt der Fall. Von dem Potenzial her ist das jetzt gefährlicher als damals, obwohl die Verläufe damals für den Menschen tödlich waren. Vom Prinzip her, wie gesagt: Jetzt ist es gefährlicher, obwohl der Verlauf so unspektakulär ist.

Pindur: Sie haben gesagt, man muss die Infektionswege unterbrechen. Die Impfung ist eine solche Möglichkeit. Was kann man denn noch tun?

Dombrowsky: Das ist das, was jeder einzelne Mensch mit tun muss, nämlich die Distanzen vergrößern, um diese Infektionswege zu unterbrechen, das heißt, nicht auf Massenveranstaltungen gehen, sich nicht anniesen und -husten, peinliche Hygiene, das sind ja die Minimummaßnahmen eines jeden. Und das Interessante ist ja, wenn Sie so anschauen, man fliegt weiter in Urlaub, man gluckt weiter zusammen, man nimmt es nicht so besonders ernst, obwohl dieses Potenzial tatsächlich da ist.

Pindur: Sie haben die Bekämpfung solcher Pandemien mit dem Kampf gegen den Terrorismus verglichen. Das mutet auf den ersten Blick immer seltsam an. Was haben die denn beide gemeinsam?

Dombrowsky: Sie haben nichts gemeinsam, das, was ich damals meinte, war: Wir geben unendlich viel Geld für die Bekämpfung des Terrors aus und von der Bedrohungsqualität halte ich das für viel geringer als das, was bei so einer Pandemie herauskommen könnte. Und deswegen bin ich so ein bisschen unglücklich darüber, dass hier sozusagen mit dem Euro gerechnet wird und wer soll es denn bezahlen und ist so eine Impfkampagne nicht viel zu teuer? Wenn wir das vergleichen von den Toten, die dabei herauskommen könnten, ist Terrorismus wirklich ganz ungefährlich.

Pindur: Also, Sie plädieren dafür, die Milliarde oder zwei Milliarden, die das kosten soll, in die Hand zu nehmen, und Sie plädieren auch für weitergehende Maßnahmen. Welche könnten das denn sein?

Dombrowsky: Na, zuerst mal: Ich plädiere für Impfungen, weil das sozusagen die Immunabwehr erhöht und die Leute, die dann eine Impferinnerung haben, zunehmen und das ist für den Fall, wenn es schlimmer wird, sehr gut. Und persönlich finde ich, die Leute sollten sich nicht ins Bockshorn jagen lassen und sagen, ach, es ist ja nicht so schlimm, ich fliege auf Mallorca und lasse es mir dort gutgehen und das bisschen Schweinegrippe, so schlimm wird es ja nicht, wie wir sehen. Das ist im Grunde genommen eine Art unangemessenes Verhalten gegenüber einer Pandemie.

Pindur: Also, jeder einzelne ist auch aufgerufen, vorsichtig zu sein. Wolf Dombrowski, Katastrophenforscher an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Vielen Dank für das Gespräch!

Dombrowsky: Ich danke Ihnen!