Pack: EULEX-Mission hat große Last zu tragen

17.02.2010
Zwei Jahre nach Beginn der Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien hat die CDU-Europaabgeordnete Doris Pack die Arbeit der EU-Mission EULEX verteidigt. Es sei eine fast unmögliche Mission, Tausende Fälle von Korruption und Kriminalität vor Gericht zu bringen, so Pack.
Hanns Ostermann: Der Frust mit der Freiheit, so kann man die Stimmung vieler Menschen im Kosovo wohl auch überschreiben. Heute vor zwei Jahren, am 17. Februar 2008, hat das Parlament in Pristina die Unabhängigkeit des Landes von Serbien beschlossen. Doch vielen Bewohnern der jungen Republik ist nicht nach Feiern zumute, der internationalen Gemeinschaft wohl auch nicht. Die Unzufriedenheit wächst, denn gegen Korruption, Betrug und Arbeitslosigkeit scheint es derzeit kein Mittel zu geben. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur bin ich jetzt mit Doris Pack von der CDU verbunden. Sie ist stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments und Mitglied der Südosteuropa-Delegation. Guten Morgen, Frau Pack!

Doris Pack: Guten Morgen!

Ostermann: Ist der Kosovo als Staat gescheitert oder würden Sie so weit nicht gehen?

Pack: Nein, ich würde so weit nicht gehen. Aber er hat besonders viele Anfangsschwierigkeiten, mehr als die anderen Republiken, die aus Jugoslawien entstanden sind, weil Kosovo ja auch einen Nachbar hat, der dafür sorgt, dass es nicht sehr gut und schnell vorangehen kann.

Ostermann: Aber woran scheitert zum Beispiel der Kampf gegen die Korruption? Daran ist der Nachbar ja nicht schuld, sondern die Regierung Thaci.

Pack: Das würde ich auch so nicht sagen. Die Korruption ist sicherlich wie in vielen Balkanstaaten, aber dazu gehört auch Griechenland, weit verbreitet, vor allen Dingen die Korruption, die dadurch entsteht, dass ein Minister dann versucht, seine ganze Familie unterzubringen, wenn er das Amt bekommen hat. Aber wir haben eine Korruption, besonders im Norden des Kosovo, in Mitrovica, wo es ja einen fast rechtsfreien Raum gibt, dank der Einflussnahme der Serben, und deswegen müssen wir ganz verstärkt dafür sorgen, dass gerade im Norden Rechtsstaatlichkeit hergestellt wird, dass dort die Grenzen ordentlich bewacht werden, dass der Schmuggel unterbunden wird, und einiges in diesem Bereich ist auch schon erreicht worden. Von nichts kann man nicht reden. Es sind 40 Millionen Euro zum Beispiel gerade im letzten Jahr vom Schmuggel gefunden worden.

Ostermann: Aber Sie müssen doch möglicherweise auch eingestehen, dass der größte zivile Einsatz in der EU-Geschichte, nämlich EULEX, dass diesem Einsatz ein nicht optimales Zeugnis ausgestellt werden kann. EULEX sollte Polizei, Justiz und Verwaltung aufbauen. Warum kommt man nicht so richtig voran?

Pack: EULEX kommt natürlich nach zehn Jahren UNMIC, also UNO-Präsenz in das Land, und in diesen zehn Jahren ist ja nicht sehr viel vorangegangen, im Gegenteil. In diesen zehn Jahren ist die Korruption gewachsen, sie wurde nicht bekämpft und deswegen hat die EULEX-Mission jetzt eine ganz, ganz große Last zu tragen. Da liegen also Tausende von Fällen, die noch nicht bearbeitet sind, von Kriminellen, die noch nicht vor Gericht gestellt wurden. Das heißt, die EULEX-Mission hat eine fast unmögliche Mission, all diese Fälle jetzt endlich mal zum Abschluss zu bringen oder überhaupt vors Gericht zu bringen. Das schädigt natürlich auch ihr Ansehen draußen. Aber sie hat es fertiggebracht, dass Serben wieder in die Police, in die Kosovo Police hineingegangen sind. Sie hat die Zusammenarbeit zwischen der Kosovo Police und auch Belgrad fertiggebracht. Das heißt, sie arbeitet an vielen Stellen, aber nicht an allen funktioniert es gleich gut, und daran ist wiederum auch schuld, dass gerade im Norden sie mit sehr viel mehr Schwierigkeiten zu kämpfen hat als im Süden. Ich glaube, im Süden, südlich des Iva-Flusses, läuft es viel, viel besser, aber der Norden ist eben das Sorgenkind, und da muss ich sagen, liegt natürlich sehr viel daran, dass die Regierung in Belgrad da auch überhaupt nicht hilfreich ist, sondern wirklich Knüppel in die Wege wirft.

Ostermann: Was kann denn da die Europäische Union tun, der übrigens ein westlicher Beobachter – nicht Beobachter, sondern Botschafter – ein relativ schlechtes Zeugnis ausgestellt hat? Er spricht ja sogar von einer Chaos-Truppe. Die EU riskiere ihre Glaubwürdigkeit, so sagt dieser Botschafter. Das ist eine Meinung, aber was kann denn jetzt konkret getan werden, um die Lage der Menschen im Kosovo zu verbessern?

Pack: Das sind jetzt zwei verschiedene Paar Schuhe. Das eine ist die Tatsache, dass selbst in der Europäischen Union es ja Staaten gibt, die das Land noch nicht anerkannt haben. Als Frau Ashton sich vorgestellt hat im Europäischen Parlament, habe ich ihr die Frage gestellt, sie könnte ja die Tatsache jetzt einmal wirklich etwas unterfüttern, dass sie die eine Stimme der Europäischen Union in der Außenpolitik sein sollte, wenn sie jetzt endlich dazu bringt, dass 5 Staaten in der Europäischen Union auch das Kosovo anerkennen. Wenn wir hier einiger wären, könnten wir natürlich auch weiter vorankommen. Das würde das Bild nach außen ändern. Aber im Innern geschieht sehr viel mehr, als vielleicht der Botschafter oder andere auch draußen sagen. Wir haben eine Situation, dass gerade im Bereich der Justiz jetzt gerade gestern, glaube ich, neue, wirklich neu ausgebildete und auch geprüfte Richter und Staatsanwälte ihr Amt aufnehmen können, Leute aus dem Kosovo, zusammen natürlich dann mit den EULEX-Vertretern, aber wir haben die Tatsache, dass das Land inzwischen in der Weltbank ist, dass es im Internationalen Währungsfonds Mitglied ist. Sie haben Schritte gemacht, die wichtig sind, dass sie überhaupt ein Akteur sein können und dass sie auch Investoren anziehen können. Ich habe gerade vorige Woche mit dem Bildungsminister des Landes lange gesprochen, der dabei ist und schon sehr stark gearbeitet hat, das Bildungssystem, das ja noch geerbt ist aus jugoslawischer Zeit – und da war es ja völlig zerstört in den Jahren der Apartheid im Kosovo -, endlich auf die Beine zu bringen, die Universität zu reformieren. Das sind alles ganz, ganz viele schwierige kleine Schritte, die aber dann zusammen gesehen dem Land eine Zukunft geben.

Ostermann: Frau Pack, Sie sagen, das Glas ist halb voll: Andere weisen immer wieder auf die Schwierigkeiten hin, beispielsweise auch der Menschenrechtskommissar des Europarates, auch Deutschland dürfe nicht Menschen, Flüchtlinge in den Kosovo zurückschicken. Hat er recht oder hat er nicht recht?

Pack: Ja, da hat er recht, aber da geht es weniger darum, dass es ihnen dort schlecht geht, dass es ihnen dort ans Leben geht, sondern dass die Situation noch nicht in allen Regionen des Kosovo so ist, dass dort die Lebensbedingungen so sind, dass wir die Menschen zurückschicken können. Aber eins muss man auch sehen, es redet auch keiner darüber: das Kosovo hat im letzten Jahr den Staat dezentralisiert, es hat den Martti-Ahtisaari-Plan, der ja seine Verfassung ist, umgesetzt. Es hat drei neue Dörfer geschaffen. Bei den Wahlen haben zum ersten Mal Serben in vier Dörfern die Mehrheit gewonnen, haben in zweien die Bürgermeister gestellt. Das heißt, die Serben, die im Kosovo leben, sind zum Teil jetzt willens, mitzuarbeiten an ihrem eigenen Schicksal. Daran werden sie nur gehindert von Belgrad und diejenigen, die jetzt zur Wahl gegangen sind im letzten Winter, die haben Mut gezeigt, denn es ist ihr Schicksal, das sie in die Hand nehmen, und sie können sich nicht von Belgrad ständig abhängig machen. Belgrad bezahlt ja auch noch zusätzlich Lehrer und andere Gehälter, um damit einfach auch Schwierigkeiten ins Land hineinzubringen, anstatt die Menschen dort ihr Schicksal in die Hand nehmen zu lassen, alles nur, um die 15 Prozent des Landes weiter zu behalten.

Ostermann: Doris Pack von der CDU, sie ist Mitglied der Südosteuropa-Delegation des Europaparlaments. Frau Pack, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Pack: Bitte sehr, Herr Ostermann!
Mehr zum Thema