P. Catapano / S. Critchley: "Von Kung-Fu bis Ladypower"

Philosophie für Jedermann

Das Cover von "Kung Fu bis Ladypower", im Hintergrund "Der Denker" im Garten des Musee Rodin in Paris
"Kung Fu bis Ladypower" enthält 33 verständlich formulierte philosophische Essays, die auch Nicht-Philosophen zum Denken anregen. © Buchcover: J.B. Metzler Verlag, Hintergrund: imago/mm images/David Ewing
Von Arno Orzessek · 06.07.2017
Klimawandel, freier Wille und Feminismus: In "Von Kung-Fu bis Ladypower" sammeln Peter Catapano und Simon Critchley philosophische Essays aus einem Blog der New York Times. Weitgehend ohne Fachjargon und Populismus, weshalb der Band auch für Nicht-Philosophen empfehlenswert ist.
Man hat sie schon alle lesen können, diese "33 Übungen in moderner Philosophie" - und zwar in "The Stone". So heißt in Anspielung auf den 'Stein der Weisen' der Philosophie-Blog der New York Times. Er soll laut dem Mit-Begründer Peter Catapano zeigen, dass Philosophie und Journalismus "ganz selbstverständlich Hand in Hand gehen können" - was in den USA offenbar nicht restlos bekannt ist. In deutschsprachigen Feuilletons und Magazinen dagegen erscheinen immer wieder Essays mit philosophischem Anspruch, ob von Fach-Philosophen oder anderen Intellektuellen. Wer solche Texte schätzt, findet sich in dem Band Von Kung-Fu bis Ladypower sofort zurecht. Zwar gibt es arg selbstreflexive Übungen - etwa zu der Frage "Warum ist die Philosophie so abgehoben?" oder zu der Kampflinie zwischen analytischer und "kontinentaler" Philosophie. Überwiegend aber artikuliert sich ein weltzugewandtes Denken, das um akute und prinzipielle Probleme kreist.
Roy Screnton etwa, als US-Soldat im Irakkrieg mit dem Tod bekannt geworden, denkt über "Sterben lernen im Anthropozän" nach und provoziert im Hinblick auf den Klimawandel mit der These: "Wir müssen endlich begreifen, dass unsere Zivilisation schon tot ist." Eben das ermögliche uns, die Dinge zu tun, die Menschen überhaupt noch sinnvoll tun können. Screntno entnimmt die erstaunliche Grundidee dem Hagakure des Yamamoto Tsunemoto, einem Samurai-Handbuch.

Gibt es moralische Verantwortung auch ohne freien Willen?

Während hier die Originalität des Gedankens größer ist als die philosophische Plausibilität, verhält es sich in Eddy Nahmias Aufsatz "Beerdigt die Neurowissenschaft den freien Willen?" umgekehrt. Nahmias zeigt, wo die Neurowissenschaft in banalem Determinismus gefangen ist und wo sie sehr wohl helfen kann, unsere Fähigkeit zu souveräner Handlungssteuerung (alias 'freier Wille') zu verstehen. Wen das nicht überzeugt, der erfährt in Galen Strawsons "Bootsfahrt ohne Steuermann", warum es moralische Verantwortung auch ohne freien Willen gibt.
Originell und zugleich philosophisch plausibel: Der Aufsatz "Kant als Feminist". Darin begründet Carol Hays im Rückgriff auf Kants Metaphysik der Sitten, warum eine Frau, deren Körper auf dem Jahrmarkt durch die Manipulation eines Fahrgeschäftes von Männern und vor Männern entblößt wurde, zum Widerstand verpflichtet ist. Das es sich um eine "unvollkommene Pflicht" (Kant) handelt, stehen der Entblößten viele Wege offen - solange sie sich nur gegen die Unterdrückung verwahrt. Das allerdings müsse sie unbedingt, so postuliert Hays mit Kant.

Nicht immer ist Mitdenken gefragt

"The Stone" fordert von seinen Autoren, auf akademischen Jargon genauso zu verzichten wie auf populistische Ranschmeiße - und sie halten sich dran. Deshalb kann man die allermeisten Übungen ermüdungsfrei absolvieren. Nicht immer ist Mitdenken gefragt. In "Ladypower" polemisiert Nancy Bauer heftig dagegen, dass sich Lady Gaga und andere junge Frauen in puncto Feminismus nicht eindeutig zuordnen lassen. Ob es dagegen "natürliche Menschenrechte" gibt, ob es egal ist, ob Gott existiert, ob wir die "'Moralpille'" brauchen - das alles wird mit Argumenten geklärt, die es ohne Philosophie nicht gäbe. Lohnenswerte Übungen, für Geübte und weniger Geübte!

Peter Catapano / Simon Critchley (Hg.): Von Kung-Fu bis Ladypower. 33 Übungen in moderner Philosophie
Aus dem amerikanischen Englisch von Tobias Gabel
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2017
248 Seiten, 19,99 Euro