Otto Waalkes publiziert Autobiografie

"Komiker bin ich ja nicht geworden, Komiker ist man"

Otto Waalkes im Dezember 2017 in Düsseldorf beim "Deutschen Nachhaltigkeitspreis"
Komiker Otto Waalkes: Die Schüler wollten immer nur den Tarzanruf! © imago/Lumma Foto
Von Tobias Wenzel · 14.05.2018
Vom Blödeln bis zur Sprachakrobatik: Otto Waalkes beherrscht alles, was ein Komiker können muss. In seiner Autobiografie "Kleinhirn an alle" verrät er nun viel Persönliches. Vor dem Erscheinen haben wir ihn in Hamburg getroffen.
"Läuft schon? Hallo?" - Otto Waalkes, Turnschuhe, bunte Schirmmütze, sitzt auf einem Sofa im Konferenzraum eines Hamburger Hotels. Neben ihm auf einem Beistelltisch: ein nicht ganz lebensgroßer Otto Waalkes aus Pappe. Der Komiker hat sich offensichtlich auf das Interview zu seiner Autobiografie "Kleinhirn an alle" vorbereitet: Vor ihm liegt ein ausgedruckter Text. Ein Mann, der in Waalkes‘ Nähe sitzt, ein Mitarbeiter, rät ihm aber, einfach meine Fragen zu beantworten.

Ernster Blick zurück eines Komikers

Zurückgeschaut habe er in seinem Leben selten, schreibt Otto Waalkes. Nun hat er es in Form seiner "Ottobiografie" ausführlich getan.
"Bisschen vorsichtig muss ich sein: Nachher liest das noch jemand. Aber ich glaube, jetzt ist es so weit."
Wer nun meint, dieses Buch sei nur komisch, der irrt gewaltig. "Kleinhirn an alle" ist auch ein ernster Blick zurück, selbst wenn Waalkes oft meisterhaft das Komische im Ernsten ausmacht. Wunderbar plastisch und skurril beschreibt er seine Kindheit in Emden und liebevoll seine Eltern: die Mutter, eine streng gläubige Baptistin - der Vater, ein toleranter Malermeister. Eine heile Welt habe er selbst als Kind erlebt, erzählt Otto Waalkes. Vielleicht die besten Voraussetzungen, um Komiker zu werden? Er beantwortet die Frage und fasst zugleich in Höchstgeschwindigkeit den Weg zum Erfolg zusammen:

Als Kind Regisseur im Kasperletheater

"Komiker bin ich ja nicht geworden. Komiker ist man, glaube ich. Im Kindergarten hatte ich schon so eine kleine Rolle. Da war ich, glaube ich, Puppendoktor. Mit der Zange wollte ich den Kopf, wollte ich der Puppe den Hals abschneiden: "Nein, Doktor, das lasse ich nicht zu! Lassen Sie mein Püppchen bloß in Ruhe.' – 'Ach komm, stell dich nicht so an!'"
Mein Vater hat mir ein kleines Kasperletheater gebaut. Und ich habe dann im Hof Kaspertheater gemacht vor vielen, vielen Kindern. Kam sehr gut an. Musikalisch untermalt: So eine Harfe hatte ich da. Und das Krokodil kam. Und die Kinder sind einsatzfreudig gewesen. Zwei Pfennig Eintritt, glaube ich.
Das war nicht der erste Schritt. Das war eine ganz normale Entwicklung.
Mit elf Jahren bin ich dann plötzlich im Kindermusikwettstreit eines Kaufhauses aufgetreten. Dann mit vierzehn war ich schon in der Band, war ich der Kleinste, musste ich auf einer Kiste stehen. Das hat immer gut funktioniert. Der war schon vorgeprägt der Weg.
Bis ich dann nach Hamburg kam, um da Kunst zu studieren … Da habe ich mir dann den Weg von der darstellenden zur bildnerischen Kunst grenzenlos leicht, harmonisch geschnappt. Aber dann ist es wieder umgekehrt gewesen: Da kam plötzlich eine Schallplatte. Da wurde ich bekannt, weil ich versucht habe, mein Studium zu finanzieren, mit der Gitarre. Da konnte ich in kleinen Blues-Clubs auftreten. Und da wurde ich plötzlich bekannt, weil ich da ein Audimax-Konzert gegeben habe."

Höhepunkt "Otto - der Film"

Die Otto-Pappfigur ist umgefallen, direkt auf den Otto aus Fleisch und Blut.
"Da biegen sich die Wände."
Jetzt erst bemerke ich weitere Mitarbeiter von Otto Waalkes im hinteren Teil des Raums. In der Autobiografie beschreibt er, wie mit dem größer werdenden Erfolg, der mit "Otto – der Film" seinen Höhepunkt hatte, Otto auch zu einem Unternehmen wurde. Man spürt allerdings sofort, dass er ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Mitarbeitern hat. So liest man es auch aus seinem Buch heraus. 1973 lernte Otto Waalkes die Frankfurter Autoren Robert Gernhardt, Bernd Eilert und Peter Knorr kennen. Sie haben jahrzehntelang mit ihm gemeinsam die Texte für Film und Bühne entwickelt:
"Man sitzt zusammen, harmonisch. Das Tolle bei diesen Leuten war: Man durfte in eine bestimmte Richtung denken, und das wurde nicht gebremst. Da wurde ein Gedanke ausgetragen bis zum Es-geht-nicht-Mehr. Du durftest in jede Richtung denken. Und dann kommen solche Sachen wie: 'Angeklagter, Ihnen wird zur Last gelegt, Sie hatten an dem Mast gesägt.' – 'Ich habe nicht an dem Mast gesägt, ich habe nur mit dem Ast gefegt. Da habe ich mich mit Hast bewegt und das hat wohl den Gast erregt, und der hat dann den Mast zerlegt …' - und solche Sachen entstehen dann da plötzlich. Da werden Reime gemacht, Bälle werden einem zugespielt. Ich liebe die Gemeinschaftsarbeit mit solchen Leuten."

Eitelkeit und die Sucht nach Aufmerksamkeit

In seiner Autobiografie verrät Otto Waalkes nicht nur viel über sich selbst – so erwähnt er sehr ehrlich auch Eigenschaften wie schlechte Menschenkenntnis, Eitelkeit und die Sucht nach Aufmerksamkeit, seine gescheiterten Ehen, beruflichen Misserfolge und spart auch nicht mit Selbstkritik. Auch liefert er im Vorübergehen kluge Gedanken dazu, wie Komik überhaupt funktioniert, und eine kleine Humor- und Musikgeschichte im Nachkriegsdeutschland. "Nach einer wahren Geschichte" heißt es im Untertitel dieses Buchs. Da fragt man sich schon hier und da, ob sich das alles wirklich so zugetragen hat.
"Es muss wahr sein, denn ich habe es ja selbst geschrieben. Was soll denn nicht wahr sein? Was hast du denn da gelesen? Erzähl mal."
Wenn Waalkes es erzählt klingt es so:
"In Hamburg hatte ich das Angebot, einen 'Tatort'-Kommissar zu spielen. Ich nahm an – unter der Bedingung, ins Drehbuch einige Otto-Zeilen einfügen zu dürfen. Schließlich wollte ich auch die Erwartungen meiner alten Fans nicht enttäuschen. Mein erster Dialog als Kommissar fand am Telefon statt:
'Hier Kommissar Kingel, Morddezernat. Wer spricht da? Klapke? Und weshalb rufen Sie dann an? Ach so, Sie sind Streifenpolizist. Ein Zebra der Landstraße, wie? Und Sie haben was entdeckt? Nein – nicht sagen! Lassen Sie mich raten: Amerika? Die Glühbirne? Ach so, 'ne Leiche. Was?! Die ist tot? Ein toter Mensch? Warum haben Sie das denn nicht gleich gesagt. Ermordet? Is' ja schrecklich. Ist doch verboten. Ja! Mord! Natürlich ist Mord verboten! Klar! Wenn ich es Ihnen sage! Irgendwo habe ich es doch gerade neulich wieder gelesen. Wo denn nur?!‘"

Die Liebe zum "Was wäre wenn..."

Wem da noch nicht klar ist, dass Otto Waalkes fantasiert, dem erzählt er noch unmissverständlich, dass er das reale "Tatort"-Angebot in Wirklichkeit als zu ernst abgelehnt hat. Otto Waalkes liebt das Was-wäre-wenn-Spiel. Was wäre, wenn er Kunstlehrer geworden wäre?
"Das habe ich ja versucht. Ich habe ja Pädagogik studiert und habe auch eine Klasse gehabt, so ein Praktikum. Da war ich aber schon bekannt. Da hatte ich schon Schallplatten rausgebracht. Und die Schüler wollten immer nur: 'Otto! Mach den Tarzanruf!' Otto macht den Tarzanruf. Da habe ich gedacht: Oh, das wird schwierig. Man wird, glaube ich, nicht so ernst genommen. Das ist für den Beruf vielleicht nicht der richtige Weg. Das war ein Experiment."
Otto könne eben nur Otto, schreibt er in "Kleinhirn an alle". In dem Buch erscheint er als sympathischer, hochsensibler Künstler, als Musiker und Komiker, der das ganze Repertoire vom Blödeln bis zur Sprachakrobatik beherrscht und das Gefühl liebt, andere zum Lachen bringen zu können. "Auf der Bühne zu sterben ist eine Möglichkeit", heißt es im Buch. Bleibt die Frage, ob es eine schöne Möglichkeit wäre.
"Das habe ich bisher noch nicht miterlebt. Ich weiß es nicht. Das kann ich dann nach dem Tod erzählen. Dann reden wir darüber."

Otto Waalkes: Kleinhirn an alle. Die große Ottobiografie – nach einer wahren Geschichte
Heyne, München 2018
416 Seiten, 22 Euro

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