Donnerstag, 28. März 2024

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Facebook-Skandal
Kreis der Betroffenen könnte noch größer sein

Noch sei unklar, wie viele Nutzer letztendlich vom Facebook-Skandal betroffen seien, sagte der Verbraucherschützer Florian Glatzner im Dlf. Viel größere Sorgen bereitet ihm die Frage, wie viele Unternehmen wie Cambridge Analytica noch Zugriff auf Daten hätten.

Florian Glatzner im Gespräch mit Stefan Römermann | 05.04.2018
    Auf einem Bildschirm erscheint das Logo von Facebook sowie die Symbole für "Gefällt mir", "Wow" usw.
    Es sei durchaus sinnvoll bei Facebook abzufragen, welche Daten über einen selbst gesammelt worden seien, sagte Verbraucherschützer Florian Glatzner im Dlf (imago)
    Stefan Römermann: "This is your digital life", "Das ist Ihr digitales Leben" – das klingt nach einer Fernsehsendung aus den 60er-Jahren. So heißt allerdings tatsächlich eine App, mit der der aktuelle Facebook-Skandal seinen Anfang genommen hat. Getarnt war sie als eine Art Test-App, die eine Art, ich sage mal, digitales Persönlichkeitsprofil erstellen sollte. Das Problem dabei: Mit dem Installieren der App haben die Facebook-Nutzer den Machern der App gleichzeitig Zugriff auf weite Teile ihrer eigenen Facebook-Daten eingeräumt und nicht nur das – auch auf die Daten ihrer Facebook-Freunde. Jetzt wurde bekannt: Es sind deutlich mehr Nutzer betroffen als bislang gedacht und auch viele Nutzer in Deutschland.
    Rund 300.000 Facebook-Nutzer in Deutschland sind betroffen. Darüber spreche ich jetzt mit dem Datenschutzexperten Florian Glatzner vom Verbraucherzentrale-Bundesverband. Herr Glatzner, jetzt muss ich erst mal fragen, sind Sie denn persönlich jetzt schon bei Facebook ausgestiegen, oder haben Sie als Datenschützer von vornherein die Finger von solchen sozialen Netzwerken gelassen?
    Florian Glatzner: Tatsächlich habe ich kein Facebook-Profil und kann insofern nicht zu den Betroffenen gehören – wobei das ja auch nicht mal grundsätzlich sicher ist, denn Facebook legt ja durchaus auch Profile über Menschen an, die nicht dort Nutzer sind. Aber ich denke mal, dass die jetzt durch diesen konkreten Datenskandal nicht betroffen sein dürften.
    Römermann: Ist das denn jetzt mit diesen 300.000 Nutzern in Deutschland schon das Ende der Fahnenstange, oder glauben Sie, dass da noch deutlich mehr Daten abgeflossen sein dürften? Es gibt ja noch eine ganze Menge andere Apps, die eigentlich auch Nutzerdaten sammeln durften.
    Glatzner: Genau. Erst mal rechnet Facebook von den 65 Nutzern in Deutschland hoch, die diesen Test gemacht haben.
    Römermann: 65?
    Glatzner: Genau. Allerdings muss man dabei ja sehen, dass deutsche Nutzer nicht nur deutsche Freunde haben, sondern dass durchaus auch amerikanische Nutzer deutsche Freunde haben können und insofern der Kreis der Betroffenen natürlich noch viel größer sein kann. Was Sie hier eben angesprochen haben, ist aber ein wichtiger Punkt, denn es gibt hier zwei Sachen an dem Skandal, die mir tatsächlich noch viel größere Sorgen bereiten, als ob jetzt 90 Millionen oder 100 Millionen Nutzer betroffen sind. Nämlich zum einen, wie viele solcher Cambridge Analyticas gibt es noch? Wie viele andere Unternehmen haben noch Zugriff oder hatten Zugriff auf die Nutzerdaten?
    Facebook selbst hat ja schon anklingen lassen, dass möglicherweise alle der 2,2 Milliarden Nutzer betroffen sein könnten. Und die zweite Frage, die ich mir stelle: Wie sieht das Ganze denn außerhalb von Facebook aus? Denn die Muttergesellschaft von Cambridge Analytica, die SCL Group, die hat natürlich ein Geschäftsmodell generell, weltweit Wahlen und politische Stimmungen zu beeinflussen. Und dafür greifen sie alle möglichen Daten ab, die sie irgendwie kriegen können. Facebook ist da nur eine Quelle, und ich frage mich, was sind da noch andere Quellen?
    Römermann: Lassen Sie uns trotzdem einen Moment noch bei Facebook bleiben. Facebook hat ja inzwischen Änderungen beim Datenschutz angekündigt. Da sollen die Privatsphäre-Einstellungen aktualisiert werden, es soll ein bisschen aufgeräumter werden. Reicht das aus, oder ist da noch mehr nötig nach dem, was Sie bisher von Facebook gehört haben?
    Glatzner: Die meisten Einstellungen bei Facebook, die Datenschutzeinstellungen helfen mir dabei, den Datenfluss von mir gegenüber Dritten wie beispielsweise meinen Freunden zu kontrollieren. Es gibt quasi keine Einstellungen, die mir helfen, den Datenfluss zwischen Facebook und mir zu kontrollieren. Insofern ist da schon mal eine große Lücke. Facebook hat ja außerdem auch angekündigt, dass man nun besser überprüfen könnte, welche Apps auf das eigene Profil zugreifen. Das Problem ist, ich weiß ja häufig gar nicht, was diese Apps dann tatsächlich auch mit den Daten machen. Vielleicht hätte ich bei "My Digital Life" in der Vergangenheit tatsächlich zugestimmt, aber man sieht ja eben, dass die Kontrolle da nur sehr begrenzt ist.
    "Das ist ein Fehler im System"
    Römermann: Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat gesagt, es würde Jahre dauern, diese ganzen Probleme jetzt zu lösen. Müssen wir uns als Nutzer jetzt also ernsthaft Jahre gedulden, bis der Datenschutz da eingebaut wird?
    Glatzner: Das ist, ich sag mal, ein Fehler im System. Das zeigt deutlich, warum es so wichtig ist, dass bei Kommunikationsinstrumenten, bei Plattformen und so weiter der Datenschutz direkt von Anfang an mitgedacht wird. Denn es ist unheimlich schwierig, so was erst im Nachhinein in so eine Plattform zu integrieren. Und das nennt sich dann "Privacy by Design", also Datenschutz per Design, und das fehlt bei Facebook eben vollkommen.
    Römermann: Das ist jetzt in der neuen europäischen Datenschutzgrundverordnung festgeschrieben, eigentlich als Grundsatz. Wird das tatsächlich Facebook auch sicherer machen?
    Glatzner: Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass die Datenschutzgrundverordnung ein wichtiger Schritt nach vorn ist. Allerdings wird es auch hier wie auch bei Facebook erst mal eine ganze Zeit lang dauern, bis sich die Prozesse eingespielt haben, bis es die unterschiedlichen Auslegungen des Gesetzes beispielsweise durch Gerichte oder durch die Aufsichtsbehörden bestätigt wurden. Also auch hier wird es noch eine ganze Zeit Unsicherheit geben. Aber ich glaube, im Endeffekt ist die Datenschutzgrundverordnung ein Gewinn für uns alle.
    Römermann: Was würden Sie Nutzern raten, die bei Facebook sind? Können die jetzt noch irgendwas tun, um sich zumindest ein bisschen besser abzusichern?
    Glatzner: Ich halte das für schwierig. Wie gesagt, man kann natürlich seine Privatsphäreneinstellungen kontrollieren. Man kann natürlich auch kontrollieren oder versuchen zu kontrollieren, welche Apps auf das Profil zugreifen können. Generell ist aber von allen Datensammlern Facebook der größte Datensammler, und dessen muss man sich bewusst sein. Und ich denke, man muss sich auch bewusst sein, dass es nicht ausreicht zu sagen, ich poste hier jetzt nur wenig, oder ich verhalte mich irgendwie nur mit meinem Pseudonym, sondern eben jede Handlung, jeder Klick wird da analysiert, geht da in die Datenbanken und wird kommerzialisiert. Und da muss man sich halt schon überlegen, ob man das machen möchte.
    "Sicher mal interessant zu sehen, was für ein Berg an Daten sich da über die Jahre angehäuft hat"
    Römermann: Es gibt ja auch die Möglichkeit, sich die Daten von Facebook abzufragen. Ist das etwas, was man tun sollte?
    Glatzner: Ja, auf jeden Fall. Das ist sicher mal interessant zu sehen, was für ein Berg an Daten sich da über die Jahre angehäuft hat. Allerdings weiß man auch, dass es bei Weitem nicht alle Daten sind, die Facebook sammelt, die da an einen rausgegeben werden. Da gab es durchaus beispielsweise Differenzen, als der Max Schrems, dieser österreichische Student, der vor vielen Jahren schon mal bei Facebook seine Daten abgefragt hat. Der hat einen ganz anderen Datensatz bekommen mit ganz anderen Datenkategorien, als man es jetzt über dieses Facebook-Tool bekommt. Insofern gehe ich nicht davon aus, dass das vollständig ist.
    Römermann: Florian Glatzner vom Verbraucherzentrale-Bundesverband zum Datenschutzskandal bei Facebook. Vielen Dank für das Gespräch!
    Glatzner: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.