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Grüblerisch, abgezockt, engagiert

Im Film-Essay "Voyage of Time" gibt Regie-Veteran Terrence Malick den Film-Philosophen. Einen cleveren Arzt spielt der französische Star Omar Sy in der Komödie "Docteur Knock". An Thurgood Marshall, den ersten Afroamerikaner am Obersten Gerichtshof der USA, erinnert das Justizdrama "Marshall".

Von Jörg Albrecht | 21.02.2018
    Josh Gad, Chadwick Boseman und Sterling K. Brown im Film "Marshall"
    Josh Gad, Chadwick Boseman und Sterling K. Brown im Film "Marshall" (imago stock&people/ Cinema Publishers Collection)
    "Voyage of Time" von Terrence Malick
    "Mother."
    Diese Stimme gehört Cate Blanchett. Die Schauspielerin ist in der Originalversion von "Voyage of Time" als Erzählerin zu hören.
    "You walked with me then in the silence."
    Gerichtet sind die spärlichen, gleichbleibend emotionslos vorgetragenen Worte an die personifizierte Natur bzw. Erde. Regisseur Terrence Malick sinniert in seinem Filmessay über die Entstehung unseres Planeten.
    "Before there was a world. Before night or day. Alone in the stillness. … Allein in der Stille, als noch nichts war."
    Dabei schlägt Malick einen kühnen Bogen bis in die Gegenwart. Immer wieder unterbricht er seine Bilder von Feuer speienden Bergen, seltsamen Lebewesen in der Tiefsee und atemberaubenden Landschaften. Für wenige Minuten treten dann an ihre Stelle Alltagsszenen aus allen Teilen der Welt, die im Vergleich zu den Naturaufnahmen und Computeranimationen wie dokumentarische Bilder aus einem Super-8-Film wirken.
    "Sprich mit mir! Was bin ich? Wo?"
    "Voyage of Time" ist eine kosmische, in schönen Bildern und mit schöner Musik von Bach bis Pärt unterlegte Sinnsuche, die fast 14 Milliarden Jahre herunterspult und ohne Erkenntnisgewinn bleibt. Die Textbausteine sind dabei ähnliches Geschwurbel wie die Dialoge aus Malicks letzten Spielfilmen. Wer - wie der studierte Philosoph - die großen Fragen der Menschheit nur in Kalenderblattpoesie verpackt bekommt, der hätte besser geschwiegen.
    "Voyage of Time": zwiespältig
    "Docteur Knock - Ein Arzt mit gewissen Nebenwirkungen" von Lorraine Lévy
    "Der Nächste, bitte!"
    Der gewiefte Arzt namens Doktor Knock, der das Repertoire eines Kleinganoven beherrscht und dennoch Sympathieträger ist, gehört in Frankreich zum nationalen Kulturgut. Bereits zum vierten Mal ist jetzt das Theaterstück von Jules Romains aus dem Jahr 1923 jetzt verfilmt worden. Diesmal als Starvehikel für Schauspieler Omar Sy.
    "Jetzt beginnt hier das Zeitalter der Medizin."
    So der Plan von Doktor Knock, der in einem verschlafenen Nest in den Bergen die Praxis seines Vorgängers übernimmt.
    Omar Sy als Docteur Knock steigt grinsend aus einem Zug aus
    Omar Sy als Docteur Knock im gleichnamigern Film (Christine Tamalet/ Wild Bunch)
    "Sie hätten sich hier eine goldene Nase verdienen können. Sie haben sich mit Disteln begnügt in einem üppigen Obsthain."
    Im Klartext bedeuten die blumigen Worte des neuen Doktors: Er wird den kerngesunden Landeiern klarmachen, dass sie im Grunde genommen alle sehr krank sind und dringend seiner Behandlung bedürfen.
    Ein abgezockter Arzt, der mehr an seinem finanziellen Wohl interessiert ist als an dem gesundheitlichen seiner Patienten, ist ein zeitloses Thema. Statt jedoch das satirische Potenzial der Geschichte zu nutzen, setzt Regisseurin Lorraine Lévy lieber auf die altbackene Rezeptur aus trivialen Witzen, die von Personal dargeboten wird, das glaubt, es sei schon witzig, wenn man möglichst übertrieben spielt und dabei lustige Gesichter macht.
    "Docteur Knock - Ein Arzt mit gewissen Nebenwirkungen": enttäuschend
    "Marshall" von Reginald Hudlin
    "Eine Blondine aus Greenwichs vornehmer Gesellschaft wurde Opfer eines bestialischen Angriffs in ihrem Schlafzimmer." - "Ja. Und der Mann, den sie haben, ist das Abbild eines Primaten." - "Wow!" - "Gewinnen Sie das!"
    Thurgood Marshall heißt der schwarze Anwalt, der für den NAACP arbeitet. Die 1909 in den USA gegründete Bürgerrechtsorganisation setzt sich bis heute für die Rechte von Menschen afroamerikanischer Herkunft ein, insbesondere für diejenigen, die zu Unrecht beschuldigt werden. Ein solcher Fall scheint im Jahr 1940 der des Hausangestellten Joseph zu sein, dem Vergewaltigung und versuchter Mord vorgeworfen werden.
    "Ich muss von Ihnen wissen, ob Sie getan haben, was behauptet wird." - "Ich habe die Frau nie angefasst." - "Wir sind Ihre Anwälte."
    Da Marshall, der von Chadwick Boseman gespielt wird, nicht der Anwaltskammer von Connecticut angehört, ist er gezwungen, gemeinsam mit einem weißen, ortsansässigen Kollegen die Verteidigung zu übernehmen. Aber schon am ersten Verhandlungstag bekommt Marshall die Ressentiments des Richters zu spüren.
    "Mr Marshall kann bei der Verteidigung sitzen. Allerdings darf er nicht sprechen." - "Euer Ehren, ich muss mit dem Angeklagten sprechen." - "Er darf nicht sprechen. Weder mit dem Gericht noch mit den Zeugen."
    Regisseur Reginald Hudlin hat mit "Marshall" nicht nur ein solides Gerichtsdrama nach einem wahren Fall gedreht. Sein Film ist gleichzeitig ein gelungenes Porträt des Mannes, der viele Jahre später als erster schwarzer US-Amerikaner zum Richter am Obersten Gerichtshof der USA ernannt werden sollte. Das war 1967, dem Jahr, in dem Schauspieler Sidney Poitier im Spielfilm "In der Hitze der Nacht" der afroamerikanischen Emanzipation eine Stimme gab.
    Auch heute - mehr als 50 Jahre später - ist das Thema Rassismus weiterhin virulent und der Tag, an dem ein Film wie "Marshall" unter rein historischen Gesichtspunkten betrachtet werden kann, noch immer in weiter Ferne.
    "Marshall": empfehlenswert