Oscar-Favorit ohne Star-Allüren

Von Jörg Taszman |
Philip Seymour Hoffmann kannte man bislang nur als glänzenden Nebendarsteller in Filmen wie "Magnolia" oder "Boogie Nights". Mit seiner ersten großen Hauptrolle in "Capote" gilt der Amerikaner nun als Favorit für den Oscar. Doch trotz des Erfolgs sind dem 38-Jährigen Star-Allüren fremd.
Im November 1959 liest Truman Capote in der "New York Times" eine Notiz über einen brutalen Raubmord an einer vierköpfigen Familie den "Clutters" in einer Kleinstadt in Kansas. Für das Stadtmagazin "The New Yorker" begibt sich Capote in den kleinen Ort Holcomb, interviewt den Sheriff und redet mit den Tätern Dick Hickock und Perry Smith. Schnell merkt der Autor von "Frühstück bei Tiffany", dass er diesmal mehr schreiben könnte, als nur einen großen Artikel. Er will beweisen, dass auch ein akribisch recherchiertes Sachbuch einem Roman ebenbürtig sein kann. Fast sechs Jahre lang wird Capote an dem Buch schreiben und verzweifeln, sich mit den Mördern anfreunden und doch auf ihren Tod hoffen. Es ist dieser Stoff aus dem klassische Tragödien sind, der Hauptdarsteller Philip Seymour Hoffman so faszinierte.

Hoffman: "Ich glaube, um dieses Buch zu schreiben, bezahlte er einen hohen Preis. Um das zu bekommen, was er wollte, war er gezwungen, den Tod eines Menschen mitzuerleben, der ihm etwas bedeutete. Er wusste, dass er ihn verraten und auch belügen musste. Das ist tragisch. Es bedeutet, Du musst Menschen verletzen, um zu einem gewissen Ziel zu gelangen, und der Preis dafür ist sehr hoch. Danach war er nicht mehr derselbe."

Philip Seymour Hoffman gehört zu den Darstellern, die man schon immer gerne gesehen und bewundert hat. Weil der stämmige Darsteller mit den rötlichen Haaren mit gut aussehenden Frauenhelden wie George Clooney oder Brad Pitt nicht mithalten kann, musste er oft kaputte, sexsüchtige, oder verletzliche Typen spielen, meist Außenseiter. Der Film- und Theaterschauspieler, der jetzt seinen Durchbruch feiert, wirkt im Interview sehr defensiv, mürrisch und gelangweilt. Nur selten gibt er längere Antworten. Es nervt ihn beispielsweise immer wieder gefragt zu werden, wie er die hohe, kindlich, plärrende Stimme von Capote hinbekam. Das sei nicht der Rede wert, meint er und wird etwas ausführlicher, wenn es um die Homosexualität von Truman Capote geht.

"Er war schwul, keine Frage. Er hat niemals versucht, es zu verstecken. Das machte seine Persönlichkeit aus und ihn ja so besonders, weil er in dieser Zeit so offen schwul war. Ich sah Interviews mit ihm und das Thema wurde nicht einmal gestreift. Er redete nie darüber. Er hatte einen Liebhaber Jack Dunphy, der auch Schriftsteller war. Wenn sie öffentlich auftraten, gab es keine Zeichen größerer Zuneigung. Er hat auch nie mit seinem Liebhaber einfach so rumgemacht. Solche Dinge passten einfach nicht zu ihm. Er war einfach schwul, das war ein Teil von ihm."

Hoffman, der auch bereits als Theaterregisseur gearbeitet hat, produzierte "Capote", war aber nicht der Auslöser des Projekts wie sein Regisseur Bennett Miller klarstellt. Wie die für Hollywood Standards preiswerte sieben Millionen Dollar teure Produktion entstand, die nun bereits 22 Millionen Dollar einspielte, erklärt Bennett Miller.

Miller: "Der Drehbuchautor war ein alter Freund von mir. Wir kannten einander, seitdem ich zwölf Jahre alt war. Er reif mich an und erzählte mir, dass er über Capotes Geschichte, wie er nach Kansas fuhr, gelesen hatte und was damals passiert war. Ich wünschte ihm viel Glück, weil er Schauspieler ist und niemals zuvor ein Drehbuch geschrieben hatte. Er benötigte dann einige Jahre für den ersten Drehbuchentwurf und schickte ihn mir. Ich fand das Buch gut und rief Philipp Seymour Hoffman an. Er interessierte sich sehr für das Projekt und lange bevor es Produzenten gab, die sich einbrachten, hatten wir ein Drehbuch, einen Regisseur und einen Star…"

"In Cold Blood" auf Deutsch "Kaltblütig" wurde zu einem Bestseller, aber danach schrieb Capote bis zu seinem Tod 1984 kein bedeutendes Werk mehr. Bereits 1967 wurde "Kaltblütig" meisterhaft von Richard Brooks verfilmt, in kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bildern in Cinemascope und Breitwand. Der Film erhielt vier Oscarnominierungen unter anderem für den hörenswerten Soundtrack von Quincy Jones. Natürlich kennt Bennett Miller den Film, versucht sich jedoch von diesem Klassiker abzugrenzen.

"Es war vor allem eine unglaubliche Quelle für die Ausstattung und Kostüme. Der Film wurde ja damals an Originalschauplätzen gedreht, im Gerichtssaal, im Haus der Clutters und in Holcomb und das nur wenige Jahre nach den Morden. Einige der Geschworenen im Film waren die echten Geschworenen des Prozesses und so sieht man genau, was sie damals für Sachen getragen haben, wie sie sich bewegten. In dieser Hinsicht war 'In Cold Blood' eine gute Referenz, aber sonst haben beide Filme nicht viel gemeinsam. Stilistisch gesehen wär ich nicht daran interessiert, so einen Film zu machen."