"Original Unverpackt"

Alles, außer Rasierschaum

Obst und Gemüse aus biologischem Anbau auf einem Markt in Hamburg
Obst und Gemüse haben ohnehin eine natürliche Verpackung © picture alliance / dpa
Von Michael Meyer · 12.08.2014
In Bonn und Kiel gibt es kleine Läden, die keine Einwegverpackungen mehr anbieten. In Berlin soll im Herbst sogar ein mittelgroßer Supermarkt entstehen - komplett unverpackt. Wie kann das funktionieren?
Was kommt alles innerhalb nur weniger Tage zusammen: Verpackungen von Käseprodukten, Joghurtbecher, Alufolie von der Schokolade - vor ein paar Tagen waren Freunde da, da sind die Dosen der Bohnen fürs Chili con Carne, Tomatendosen ... Ach ja, und die kleinen Haselnusspralinen sind auch alle einzeln eingepackt - das schlägt ebenfalls zu Buche.
Mehrmals pro Woche gehe ich zur Mülltonne ...
... an der Mülltonne angekommen, bietet sich mir, gerade nach einem Wochenende, oft dasselbe Bild: Die Tonne ist fast oder völlig voll. 450 Kilogramm Müll produzieren die Deutschen pro Kopf und Jahr, habe ich gelesen. So viel Müll produzieren wir. Das deckt sich mit Geschichten, die Freunden mir erzählt haben: Man muss sich in manchen Häusern ranhalten, und damit auch ich.
Im Supermarkt denke ich oft - was hier für ein Müll entsteht - allenfalls die PET-Flaschen, werden recycelt.
Die Maschine im Supermarkt zerknistert all die Flaschen zu transportfreundlichen Quadern. Doch irgendwie denke ich mir: Das muss doch auch anders gehen. Ich suche die Macherinnen von "Original Unverpackt" auf. Die jungen Frauen gründen gerade den ersten Supermarkt Deutschlands ohne Einwegverpackungen.
Aus "Spinnerei" entstand ein Businessplan
Hier im Co-Shared Working Space - wie es neudeutsch heißt, sprich einer Art Bürogemeinschaft, brüten Sarah Wolf und Milena Glimbowski das Konzept für den ersten richtigen Vollsortimenter in Deutschland ohne Einwegverpackungen aus. Die Idee kam fast zufällig, erzählt mir Milena Glimbovski:
"Wir haben zusammen gekocht und Wein getrunken und beim Kochen und auch beim Weintrinken ist ganz viel Müll angefallen, und wir saßen da und dachten, das muss man irgendwie angehen, haben rumgesponnen, und ja aus der Spinnerei wurde ein Businessplan und bald wird es der Laden."
115.000 Euro haben Milena, Sarah und mittlerweile sechs weitere Mitarbeiter bei der Crowdfunding-Plattform "Startnext" eingesammelt. Das Geld kam relativ schnell zusammen, berichtet mir lächelnd Sarah Wolf.
"Sehr viele Leute haben sich wie ein Schnitzel gefreut, dass es endlich so einen Laden gibt, und generell war die Reaktion durchweg positiv."
Im Gegensatz zu den schon existierenden Läden in Bonn, Kiel und Wien soll der Laden in Berlin-Kreuzberg ein sogenannter Vollsortimenter sein - alle Produkte sollen vorrätig sein wie im normalen Supermarkt - nur ohne Verpackung. Nicht nur Bio - aber nachhaltig.
"Das heißt, der Kunde kommt zu uns rein, bringt seine eigenen Behälter mit, oder bekommt sie bei uns im Laden, kann die dann mit den verschiedenen Produkten befüllen, Trockenprodukte, Obst, Gemüse, Hygiene, Schönheitsprodukte usw, wird dann per Gewicht abgemessen, bezahlt, geht nach Hause und freut sich."
Unverpackt als Franchise-Modell
Aber irgendwie kommen in mir Zweifel auf, während ich im normalen Supermarkt stehe - wirklich alle Produkte soll es in diesem Laden geben? Wirklich? Naja, fast:
"Wir haben zum Beispiel noch keinen Rasierschaum gefunden unverpackt, aber wir haben zum Beispiel Deos gefunden, und auch Klopapier und zum Beispiel Bodylotion, Gesichtscreme und ... Zahnbürsten, die biologisch abbaubar sind und ähnliche Geschichten."
Irgendwie ist es ja doch schwer vorstellbar, sage ich mir - und stelle meinen Rasierschaum in den Einkaufswagen. Die Original Unverpackt Macherinnen sind von ihrem Konzept jedenfalls so überzeugt, dass sie es als Franchise-Modell anbieten wollen.
"Durch die Crowdfunding-Kampagne haben wir gemerkt, wie viele Leute daran interessiert sind, dass wir Original Unverpackt auch in andere Städte bringen, bzw. dass die Leute so einkaufen können, wir haben ganz ganz viele Anfragen erhalten, könnt ihr nicht nach Heidelberg kommen,...bis in die kleinsten Kleinstädte ist es gegangen, und deswegen haben wir uns entschlossen, dass wir uns demnächst mit Franchise-Partnern zusammentun werden, einfach um zu gewährleisten, dass es nicht ein lokales Phänomen bleibt, sondern dass bald wirklich jeder in Deutschland unverpackt einkaufen kann."
Lieferanten unterstützen Idee
Der neue Supermarkt wird vor allem mit kleineren Lieferanten aus der Region zusammenarbeiten - und die unterstützen die Idee, sagen Sarah und Milena. Ich frage mich: Was wäre eigentlich ein richtiger Erfolg?
"Ich glaube, der Erfolg ist wenn der Laden nicht nur am ersten, zweiten Tag brummt, sondern die Leute wirklich es reflektieren, umdenken, es reflektieren, ja, das ist die Art wie ich einkaufen möchte, und das auch umsetzen. (...) Sobald man schon einen kleinen Schritt in die Richtung macht, ist das ein gewaltiger Schritt."
Ich werde das so weit wie möglich beherzigen - auf dass ich nicht alle paar Tage zur Mülltonne muss.