ORF-Richtlinie enthüllt

Brauchen wir Social-Media-Regeln für Journalisten?

Die App von Twitter wird auf einem Smartphone
Twitter ist ein Medium: kurz, knapp, schnell, emotional, persönlich, vielmehr nicht", sagt der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler. © imago stock&people
Bernd Gäbler im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 27.06.2018
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich (ORF) plant möglicherweise die Vorgabe einer Social-Media-Richtlinie für seine Journalisten. Sie sollen sich dort mit privaten Meinungen zurückhalten. Der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler findet das richtig.
Soziale Netzwerke wie der Kurznachrichtendienst Twitter gehören zu wichtigen Arbeitsinstrumenten von Journalistinnen und Journalisten, auf denen sie sich nicht nur informieren, sondern auch ihre eigene Meinung auf privaten Accounts kundtun. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich (ORF) möchte dies möglicherweise in Zukunft unterbinden. Darauf sollen Regierungsvertreter im Stiftungsrat des ORF gedrängt haben. Die geplante Richtlinie kam durch eine Zeitungsenthüllung ans Licht. Sie ist im Gespräch, aber noch nicht beschlossen.
Der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler, ehemaliger Direktor des Grimme-Instituts, hält die Maßnahme, die zum Teil als "Maulkorb" interpretiert wurde, für bedenkenswert:
"Diese Richtlinie ist ja eine Enthüllung des 'Standard' und ich finde das etwas zu stark skandalisiert. Ich glaube nicht, dass man sagen kann, es soll ein Maulkorb verhängt werden. Ich finde es richtig, dass man bestimmte Korridore bestimmt. Und ich finde es völlig falsch zu glauben, dass diese Journalisten das, was sie tun, privat tun."

"Journalisten zur Zurückhaltung ermahnen"

Bernd Gäbler verweist auf einen Tweet von Armin Wolf, dem Anchorman der ORF-Nachrichtensendung Zib2. Der hatte getwittert: "Ich bin sehr dafür, dass ORF-Journalisten auch auf Social Media darauf achten, wo sie arbeiten."
Dieser Meinung schließt er sich ausdrücklich an:
"Richtlinien gibt es immer: Dass Journalisten nicht Wahlkampf machen dürfen, dass sie nicht für Parteien aufrufen dürfen. Das ist jetzt etwas enger gefasst als etwa die Richtlinien der 'New York Times'. Ich finde es aber richtig, dass man dort die Journalisten zur Zurückhaltung ermahnt."

"Besser, wenn man das in der Redaktion diskutiert"

Um die Politik zu kritisieren, solle man als Journalist besser die Form des Kommentars oder des Berichts wählen als einen Tweet bei Twitter zu veröffentlichen, denn "Twitter ist ein Medium: kurz, knapp, schnell, emotional, persönlich, vielmehr nicht", sagt Gäbler.
Dass sich Journalisten als Privatperson auf Twitter äußern, kritisiert der Medienwissenschaftler am Ende noch einmal ausdrücklich:
"Es ist keine Privatmeinung mehr, wenn ich zu meinem Berichtsgegenstand mich ständig nicht abwägend, nicht argumentierend, sondern apodiktisch mit Aussagen und kurzen Tatsachenbehauptungen – denn das macht Twitter - womöglich noch emotional äußere. Da finde ich, dass es angemessen ist, für Zurückhaltung zu plädieren. Besser ist, wenn man das in der Redaktion diskutiert, wenn man das diskursiv löst, aber gewisse Ermahnungen finde ich durchaus angemessen."
(cosa)
Mehr zum Thema