Opulente Plakate

Von Volkhard App · 01.08.2009
Die Plakate in der Schau des Wilhelm-Busch-Museums zeigen im historischen Rückblick exotische Blumen- und Pflanzenwelten. Die Fantasiegebilde entstanden zum Teil als Reaktion auf eine zunehmende Industrialisierung.
Eine einzige Hommage an geballte Blütenpracht, großzügige Gartenarchitektur und schöne Landschaft schlechthin. Und zugleich ein fast schon wehmütiger Rückblick auf große Plakatkunst: als dieses Medium im urbanen Leben noch eine einzigartige Rolle spielte und künstlerisch noch nicht durch bloße Funktionalität verarmt war.

Wirklich zu leben begannen die Plakate, als die denkmalsähnlichen Jünglinge und Heroinen mit dem bleischweren Zierrat verschwanden und sich im Jugendstil feine Liniengespinste der Bildfläche bemächtigten, mit modernen Frauengestalten als organischem Bestandteil farblich fein abgestufter Ornamente. Vor allem bei Alfons Maria Mucha, dessen Plakate den furiosen Auftakt dieser Ausstellung bilden. Ein Künstler, den Museumsdirektor Hans Joachim Neyer besonders schätzt:

"… weil er in dieser floralen Art in Riesenformaten arbeitet - Lithosteine, die groß wie Scheunentore sind und das Leben dieser Zeit um 1900 wunderbar wiedergeben."

Die exotische Blumen- und Pflanzenwelt, die damals im Mittelpunkt spektakulärer Ausstellungen und damit der opulenten Plakatkunst stand, war Kompensation einer im Zuge der Industrialisierung und Verstädterung abhanden gekommenen Natur. Die Versöhnung mit ihr erschien dann als dringende Aufgabe einer kommenden Stadtarchitektur.

Einige dieser historischen Plakate veranschaulichen aber auch, dass es die Technik mit ihren modernen Verkehrmitteln ist, mit deren Hilfe sich die Natur überhaupt erst in Windeseile erschließen lässt. Auf touristischen Werbeplakaten sitzt die Frau am Eisenbahnfenster und genießt bei einer Tasse Kaffee die Landschaft, Viadukte verstärken den geradezu malerischen Charakter, ein Zeppelin durchmisst die Lüfte.

Die Abgründe des schönen Scheins werden deutlich, wenn ausgerechnet in den Nazi-Jahren diese moderne Freiheit gepriesen wird. Wie also geht man mit solchen Plakaten um, die die Blicke anziehen und auf denen dann, bei näherer Betrachtung, die Worte "Reichsnährstand” und "Kraft durch Freude” auffallen?

"Was bei mir innerlich geschieht: erst mal keine emotionale Ablehnung wie früher, sondern Reflektion. Man stellt bei den großen künstlerischen Äußerungen der Nazi-Zeit eben fest, dass sie grafisch, künstlerisch, formal gut sind. Das ist ja das Problem der tollen Filme von Leni Riefenstahl, dass sie ihre Fähigkeiten für den Falschen eingesetzt hat. Aber bei diesen Plakaten ist die Spannung zwischen ideologischem Auftrag und formaler künstlerischer Ausführung vielleicht noch größer. Das Olympiastadion in Berlin ist von den Nazis in Auftrag gegeben worden, aber gebaut wurde es von Künstlern, die vom Bauhaus geprägt waren. Ein wunderbares Stadion."

Besonders beeindruckend ist ein NS-Plakat von Herbert Bayer, das für die Begrünung von Werkhöfen plädiert: "Fort mit dem Schmutz - Arbeitsfreude - Schönheit der Arbeit". Eine Hand reißt da den Schmutzschleier vom Industriegelände, eine grüne Zukunft mit weißen Bänken und riesiger Sonnenblume kommt dahinter zum Vorschein. Eine markante Arbeit des früheren Bauhaus-Künstlers:

" …und er hat das eben in der grafischen Art des Bauhauses meisterhaft gemacht, es ist ein sehr schönes Plakat. Und wenn der Auftraggeber nicht wäre, würde man ihm zustimmen. Er nimmt etwas vorweg, was heute Pflicht ist."

Die weibliche, pflanzenähnliche Gestalt auf dem Plakat zur ersten Bundesgartenschau von 1951 in Hannover mag etwas banal wirken, aber sie trägt einen Spaten. Einer der ganz seltenen Hinweise auf die menschliche Arbeit, die erforderlich ist, bevor der Garten blüht und gedeiht. Der Spaten ist hier aber auch ein Symbol für den Wiederaufbau im ganzen:

"…dann rückt die Frau auf einmal als Arbeiterin in den Vordergrund, zumal die Männer fehlen, denn sie sind noch in Kriegsgefangenschaft oder arbeitsunfähig als Kriegsopfer oder sie können eben nicht gut im Garten arbeiten."

Aus "Gartenträumen” kann man jäh erwachen. Die abwechslungsreiche Zeitreise endet mit Plakaten gegen die Zerstörung der Umwelt. Die Arbeit von Uwe Loesch zum Gipfeltreffen von Rio im Jahre 1992 besteht aus einer einzigen grünen Fläche, die vom unteren Rand her in Brand gesetzt wird. "Viva” steht in roten Buchstaben auf dieser Plakatfläche, verbunden mit der Mahnung, die Ziele des Umweltschutzes nicht zu zerreden. Und bei Klaus Staeck ist ein stattlicher Baum durch trostlos graue Autobahn-Bänder geradezu eingeschnürt.

Präsentiert wird diese facettenreiche Sammlung am bestmöglichen Ort: im Wallmoden-Palais mitten in den Herrenhäuser Gärten. Der Weg führt also durch viel Grün und an dekorativen Beeten vorbei geradewegs zu den herrlichen Plakaten. Hat diese Ausstellung für uns Zivilisationsmenschen womöglich eine Botschaft?

Hans Joachim Neyer: "Keine ideologische und keine sehr prophetische Botschaft. Aber man sieht doch, wie sich der Blick der Menschen und die Erfahrung mit der Natur mit der Zeit verändert haben. Ansonsten würde ich sagen, dass die Einladung zum Träumen die Botschaft ist - mit wunderschön gestalteten Plakaten."