Oper L'Orontea von Antonio Cesti

Dreieinhalb Stunden grelle Liebesverwirrungen

Symbolbild Lesen, Buch, Literatur
Am Ende siegt die Liebe bei Cesti. © imago/Westend61
Natascha Pflaumbaum  · 01.02.2015
Es ist eine Inszenierung, die im Gedächtnis bleiben wird - allerdings nicht, weil die Inszenierung in Frankfurt so schamlos und trashig ist. Vielmehr ruft sie wieder in Erinnerung, warum Antonio Cestis Oper L'Orontea mal zu den beliebtesten Bühnenwerken gehörte. Und ganz besonders lohnt sich bei dieser Aufführung ein Blick in den Orchestergraben.
Die Oper L'Orontea von Antonio Cesti gehörte im 17. Jahrhundert zu den beliebtesten Bühnenwerken. Nun hat die Oper Frankfurt den ehemaligen Kassenschlager des Barock wieder ausgegraben. Der Brite Walter Sutcliffe hat das Werk um die ägyptische König Orontea auf die Bühne gebracht.
Glaubt man dem distinguierten Frankfurter Premierenpublikum, dann hat sich die Ausgrabung von Antonio Cestis Oper L'Orontea gelohnt, denn man applaudierte mit Begeisterung nach dreieinhalb Stunden greller Liebesverwirrungen. Walter Sutcliffes Inszenierung wird auf jeden Fall in Erinnerung bleiben, denn wie der Diener Gelone (Simon Bailey) im ersten Akt in das aufgeklappte Fladenbrot seines Döners wichst, um den schleimig-bröckeligen Inhalt dann ordinär zu verschlingen, war schon ein Theaterhöhepunkt, der sogar das Ekel-Niveau einer Trash-Show wie dem RTL-Dschungelcamp in den Schatten stellte.
Die guten Argumente für eine Ausgrabung von L'Orontea werden bestimmt nicht durch diese Frankfurter Trash-Inszenierung untermauert, vielmehr liegen sie im Werk selbst: in seinem besonderen Klang, der auf der außergewöhnlichen Instrumentierung beruht. Es gibt nicht nur die üblichen Streicher und Cembalo, sondern Orgel, Zinken, Bässe, Gamben, Lirone und Theorben. Und Cesti verwendet besonderes Sängertimbre: einen Bass mit Falsett.
Munteres Vögeln im Wüstensand
Erzählt wird die Geschichte der ägyptischen Königin L'Orontea, die kategorisch die Ehe verweigert. Sie will einfach nicht lieben, sie will herrschen. Im Prolog debattieren die allegorischen Figuren Filosofia und Amore noch, was wichtiger sei: Pflicht oder Liebe. Dann wird die Diskussion am lebenden Beispiel Orontea vorgeführt. Oronteas guter Vorsatz wird natürlich gleich zu Beginn der Oper unterwandert. Der Maler Alidoro kommt schwer verletzt in ihren Palast, sie verliebt sich Knall auf Fall in ihn, alle verlieben sich in diesen jungen Mann Knall auf Fall. Und so muss Orontea über mehr als drei Stunden 1. ihre Gesinnung ändern, 2. ihre Rivalinnen und Rivalen außer Kraft setzen und 3. eine Rechtfertigung dafür finden, warum eine tolle Königin einen einfachen Maler heiraten darf.
Am Ende kommen die beiden natürlich zusammen, nachdem mehrfach munter in den Sandhügeln der ägyptischen Wüste gevögelt wird, ein paar Verwirrungen, Verkleidungen, Briefe und Lügen das Spiel in die richtige Richtung gelenkt haben. Barockoper halt.
Walter Sutcliffe lässt sich von Gideon Davey eine sehr pure, reduzierte, knallbunte Bühne bauen – mit einem goldenen Kasten, in dem Orontea haust, mit roten Palastzimmern, die sich auf der Frankfurter Drehbühne wie eine Spieluhr drehen. Die Liebe ist allgegenwärtig und tummelt sich in Form von niedlichen lebensgroßen Putten mit übergroßen Puttenköpfen und dickem Arm um diese Zimmerchen.
Auf Klamauk und Trash gebürstet
Regisseur Sutcliffe hat in der Verwirrungskomödie einen frivolen Subtext ausgemacht und alles auf Klamauk und Trash gebürstet. Er zeigt eine überdrehte Gesellschaft, in der heillos gevögelt wird, Partnertausch steht ganz oben an, Drag Queens und Homophilie plus Analsex stehen auch auf dem Programm, und eben die eingangs erwähnte Döner-Wichs-Szene. Ohne prüde zu sein: Man kann Orontea nur verstehen, dass sie diese Form von Liebe ablehnt, in einer solchen Gesellschaft würde man sich auch keinen Geliebten suchen.
Vieles bleibt bei dieser Inszenierung auf der Strecke: die Komik erstarrt in den langen Rezitativen, der Witz kommt in den vielen Gesängen an der Rampe einfach nicht in Gang. Allein Simon Bailey als Diener Gelone ist schauspielerisch geführt. Er ist nicht zu beneiden, er muss mit Döner-Schleim singen, in einer anderen Arie muss er Schluckweise einen Liter Gin in sich hineinkippen, kein Ton ohne Akrobatik: Er ist der ungelenke Körper-Klaus dieser Produktion. Dass er da überhaupt noch einen Ton rausbekommt, ist ein Wunder, vor allem bei diesen waghalsigen Wechseln von Kopf- zu Bruststimme und wieder zurück. Bailey ist der Held des Abends.
Neben Ivor Bolton, dem Dirigenten des Abends. Es ist fantastisch, seinem weichen Dirigat zuzusehen, wie er mit seinen Händen, seinen Augen die Gesten dieser schönen Musik formt, wie er die Musik durch seine Bewegungen sprechen lässt. Nicht das Bühnengeschehen, sondern das Geschehen im Orchestergraben wird dieser Musik gerecht. Das Sängerensemble: fantastisch. Alles andere: belanglos.
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