Oper Johannesburg muss schließen

"Die Leute haben es geliebt und es war wundervoll"

Szene aus Puccinis "La Bohème" an der Gauteng Opera in Johannesburg
Szene aus Puccinis "La Bohème" an der Gauteng Opera in Johannesburg © Gauteng Opera Johannesburg / T. van Vuuren
Von Niklas Rudolph · 27.03.2018
Südafrika hat eine große Operntradition: Es gibt zahlreiche Orchester und Bühnen. Doch die Bedingungen verschlechtern sich stetig. Nun steht die Gauteng Opera in Johannesburg vor dem Aus, es könnte der Anfang vom Ende der Opernkultur sein.
Operngesang aus Südafrika ist jung: die Sängerin Pretty Yende gewann letztes Jahr den Klassik-Preis "Echo" als beste Nachwuchskünstlerin. Und auch beim Gütersloher Gesangswettbewerb "Neue Stimmen" kamen vier der Teilnehmenden aus Südafrika. Einer von ihnen war Mandla Mndebele:
"In Südafrika interessieren sich immer mehr junge Leute für Oper. Sie sind hungrig danach, sie geben sich der Kunst hin, sie lieben das Singen!"
Dabei hat die Oper in Südafrika eine schwierige Geschichte hinter sich. Bis zum Ende der Apartheid waren die Bühnen noch ein Symbol für die angebliche Überlegenheit westlicher, oder in Anführungszeichen "weißer" Kultur. Der schwarzen Bevölkerung blieben die Türen verschlossen. Auch war es den Häusern strikt verboten, schwarze Menschen einzustellen. Als das Land dann 1994 freie Wahlen abhielt und Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten wählte, radierten die neuen Machthaber auch die meisten dieser Machtsymbole von der Landkarte. Aber überraschenderweise war die Geschichte der Oper am Kap damit nicht zu Ende.

In den 90ern enstanden viele Ensembles

In dem Vakuum, das die großen Häuser hinterließen, entstanden unzählige freie Ensembles und Studios, darunter viele mit schwarzen Mitgliedern. Die heutige Gauteng Opera in Johannesburg entstand aus so einer Amateurtruppe. Seit mittlerweile 19 Jahren bietet sie einen festen Spielplan mit Profis und Absolventen südafrikanischer Opernklassen. Seit einigen Jahren gibt es sogar einen eigenen Raum dafür. Phenye Modiane, künstlerischer Leiter:
"Seit wir hier 2015 eingezogen sind, haben wir ein eigenes Theater mit Platz für knapp 240 Personen. Es ist natürlich recht klein, auch die Bühne ist ziemlich klein. Aber wenn wir wieder Geld haben, dann renovieren wir und schaffen Platz für vier- bis fünfhundert Zuschauer."
Doch daraus wird wohl nichts. Anfang März verkündete die Oper, dass sie ihren Betrieb zum Ende des Monats einstellen muss – es fehlt an Geld. Bis Ostern muss die Gauteng Opera eine Million Rand zusammen bekommen, knapp 70.000 Euro. Eine riesige Summe in Südafrika. Dabei war gerade die letzte Spielzeit sehr innovativ, erzählt der Manager Arnold Cloete:
"Es war eine wunderbare Saison, wir haben drei südafrikanische Opern als Zyklus aufgeführt. Die Leute haben es geliebt und es war wundervoll."

Eine gesamt-südafrikanische Kultur

Durch die Erfolge südafrikanischer Sänger im Ausland entstand der Eindruck, als ob sich die Oper zu einem festen Bestandteil einer gesamt-südafrikanischen Kultur entwickelt hat. Seit einigen Jahren allerdings wächst in Südafrika wieder die Unzufriedenheit mit den ungleichen Vermögensverhältnissen von weißer und schwarzer Bevölkerung. Ein Großteil des fruchtbaren Lands liegt in den Händen einiger weniger weißer Farmer, deren Vorfahren es einst mit Gewalt eroberten und durch ein ausgeklügeltes Herrschaftssystem verteidigten. Auch eine Landreform zu Mandelas Zeiten änderte bis heute wenig daran. Erst vor kurzem stimmte das südafrikanische Parlament dafür, das Land weißer Farmer ohne Entschädigung enteignen zu können. In den sozialen Netzwerken lancieren Rechtsextremisten bereits Verschwörungstheorien, die südafrikanische Regierung wolle die weiße Bevölkerung und ihre Kultur vernichten – das Ende der Gauteng Opera wird dort als Beleg angeführt. Doch Arnold Cloete, Leiter der Gauteng Opera, glaubt nicht an die Theorie vom Ethnozid:
"Es gibt viele Gründe. In den 80ern und 90ern, als Oper ein großes Ding war, gab es in Südafrika noch kein Netflix und keine Heimkinoanlagen. Heute haben die Leute so viel Komfort zu Hause, dass sie gar nicht mehr rauswollen. Auch die gestiegene Kriminalität hat vielleicht dazu beigetragen, dass die Leute sich abends nicht mehr raustrauen. Und dann natürlich noch, dass eine ganze Generation von Opernliebhabern einfach ausgestorben ist."

"Wir lieben diese Kunstform"

Warum sollte die Oper in Südafrika andere Probleme haben als die übrige Welt? Auch Phenye Modiane, der künstlerische Leiter der Gauteng Opera, glaubt nicht daran, dass die Oper Schwierigkeiten bekommen hat, weil sie als "weiß" oder "westlich" verschrien ist.
"In Südafrika besteht das Operngeschäft zu 90 Prozent aus schwarzen Menschen. Wir singen Oper, obwohl wir schwarz sind und wir lieben diese Kunstform. Und die Leute, die behaupten, Oper sei "nicht südafrikanisch", das sind Leute, die BMWs fahren, Audis oder Jeeps. Und die wollen mir was erzählen von Nicht-Südafrikanisch?"
Wenn kein Wunder geschieht, muss die Oper Ende dieser Woche den Betrieb einstellen - es fehlt an Sponsoren und auch die staatliche Förderung setzt zunehmend andere Prioritäten. In Südafrika verteilen der National Arts Council und die staatliche Lotto-Gesellschaft Gelder an die Kulturschaffenden. Für klassische Musik und Oper ist die Förderung ist in den letzten Jahren zunehmend schwieriger geworden.
"So bekommt man zum Beispiel nur Förderung für ein Jahr. Danach darf man sich ein weiteres Jahr lang nicht mehr bewerben. Und das bedeutet praktisch, dass man anderthalb Jahre ohne Förderung auskommen muss. Das ist einfach nicht nachhaltig."

Auf Kosten bleiben die Häuser sitzen

Als Projektkosten können sich die Opernhäuser für einzelne Produktionen Honorare, Material- und Fahrtkosten erstatten lassen. Auf ihren institutionellen Kosten bleiben die Häuser allerdings sitzen. Ganz konkret heißt das: Arnold Cloete kann seine Telefonrechnungen nicht mehr bezahlen. Und die Gehälter seiner festangestellten Mitarbeiter ebenfalls nicht.
"Wir haben viele Einrichtungen, die Opernsänger ausbilden. Aber es gibt einfach keinen Ort mehr, an dem sie ihre Kunst ausüben können. Und was uns am meisten beunruhigt, ist – wenn wir gehen, dann ist die Oper in Kapstadt als nächstes dran."
Denn auch dort sind bereits Stellen gestrichen worden, im Chor, im Studio, in der Verwaltung – aus denselben Gründen. Ist das der Anfang vom Ende der Opernkultur am Kap? Es sieht ganz danach aus. Wenn für die Gauteng Opera nicht bis Ostern noch ein Wunder geschieht.

Hören Sie hier auch unser Fazit-Gespräch mit der Kulturjournalistin Shirley Apthorp zum Thema. Apthorp ist die Leiterin von Umcolo, eines Projekts für soziale Entwicklung durch Musiktheater zwischen Südafrika und Deutschland.
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