Oper in deutschen Ländern

11.08.2012
Hermia und Lysander sind ein Liebespaar. Eigentlich. Helena und Demetrius an und für sich auch. Zumindest liebt Helena ihn, obgleich der in Hermia verliebt ist. Und dann sind da noch Oberon und Titania, Elfenkönig und Elfenkönigin, auch sie sozusagen ein Paar. Das ist ein Teil des Personals, das für das Verwirrspiel in William Shakespeares Ein Sommernachtstraum (1594/95) herhalten muss. Außerdem hat auch noch ein Kobold seine Hände im Spiel. Sein Name ist Puck. Alle zusammen (und noch viel mehr) entführen in eine Welt des Zaubers, der man sich schwer entziehen kann.
Damit ist wohl auch vorweg die Antwort auf die Frage gegeben: Was hat Komponisten bewegt, sich eines der subtilsten, aber auch verwirrendsten Stücke Shakespeares vorzunehmen? Im 19. Jahrhundert brach sich mit Shakespeares Ein Sommernachtstraum die uralte Magie der Mondnacht wieder Bahn, man liebte es "verzaubert" zu werden, sei es von Ritterlegenden, Elfen oder nächtlichem Spuk. Zu August Wilhelm von Schlegels romantisierender Übersetzung der Shakespeare’schen Komödie fand zunächst Felix Mendelssohn Bartholdy mit der Bühnenmusik

Ein Sommernachtstraum, 1843 in Berlin uraufgeführt, zu einer Musik, die bis heute als eines von mehreren klanglichen Synonymen für diese Shakespeare-Komödie gilt. In diese Tradition von musikalischen Auseinandersetzungen reihen sich auch Hugo Wolf, Carl Orff oder Ernst Krenek ein – und Benjamin Britten. Auch er konnte sich dieser mitternächtlichen Welt nicht entziehen. Seine Oper vom Sommernachtstraum erfuhr ihre Uraufführung 1960 in Aldeburgh. Dabei ließ der Komponist den ersten Akt von Shakespeares Komödie (der die Vorgeschichte der Verbindung von Hermia und Lysander sowie Helena und Demetrius schildert) weg und führt mitten hinein in die Feenwelt:

In einem Wald nahe bei Athen verlaufen sich Hermia und Lysander, auch Demetrius irrt herum, verfolgt von Helena. Über den Liebespaaren schwebt ein Zauberreigen von Waldgeistern und Elfen, deren König Oberon – selbst entzweit mit seiner Gemahlin Titania – durch Puck die schlafenden Verliebten mit einem Zaubersaft so verwirrt, dass sie beim Aufwachen stärkste Neigungen zeigen, sich in die Person zu verlieben, die sie als erste erblicken. Deshalb wird Helena nun von Lysander und Demetrius umworben, Hermia währenddessen ihrem Schicksal überlassen.

Doch damit nicht genug. Der Spuk ereilt auch einige Handwerker bei den missglückten Proben zu der tragischen Geschichte von "Pyramus und Thisbe", die sie im Wald unter der Anleitung des Webers Zettel einstudieren und am Hochzeitstag zum Ergötzen des hohen Brautpaares Theseus und Hippolyta und ihrer Gäste vorstellen wollen: Puck versieht Zettel mit einem Eselskopf, in den Titania sich unsterblich verliebt. Erst mit der weichenden Nacht werden alle von ihrer Verzauberung erlöst. Die Liebespaare finden wieder zueinander und die Hochzeit von Theseus und Hippolyta kann mit der Vorführung von "Pyramus und Thisbe" gefeiert werden. Das letzte Wort aber gehört Puck: "Wenn wir Schatten Anstoß erregt haben, denkt nur, dass ihr hier geschlummert habt, während diese Visionen Euch erschienen". Diese Frage also bleibt: Alles ein Traum, der sich während einer einzigen Sommernacht ereignet?

Der englische Komponist versinnbildlicht die Welt der Mitsommernacht mit den besonderen Farben der Instrumente wie Streicher, Holz- und Blechblasinstrumente, Hörner oder Schlagzeug. Liebende, Elfen und Handwerker-Rüpel werden so ihre klingenden Sphären zugedacht, und in ihrer musikalischen Abgrenzung zeigt sich Brittens Kunst der Charakterisierung: Glissierende Streicherakkorde lassen Oberons Zauber wirksam werden; Solotrompete und kleine Trommel sprechen von Pucks Schabernack; die Stunde der Liebenden stellt sich mit Oktavgängen ein; Marsch und Tanz rufen die Rüpel auf die Szene. Und wie könnte Schreiner Schluck bei der Theaterprobe der Handwerker zum Löwen werden, ohne dass die Posaune durch ein Glissando sein Gebrüll vorführt?
(Ursula Benzig) www.staatstheater-kassel.de



Oper in deutschen Ländern
Staatstheater Kassel
Aufzeichnung vom 02.06.2012

Benjamin Britten
A Midsummer Night’s Dream
Oper in drei Akten op. 64
Libretto: Benjamin Britten und Peter Pears nach Shakespeare

Oberon, König der Elfen - Michael Hofmeister, Countertenor
Titania, Königin der Elfen - LinLin Fan, Sopran
Puck, ein Elf - Dieter Hönig, Sprechrolle
Theseus, Herzog von Athen - Tomasz Wija, Bass
Hippolyta, Königin der Amazonen - Lona Culmer-Schellbach, Alt
Lysander, Liebhaber der Hermia - Dong Won Kim, Tenor
Demetrius, ebenfalls Liebhaber der Hermia - Stefan Zenkl, Bariton
Hermia, in Lysander verliebt - Maren Engelhardt, Mezzosopran
Helena, in Demetrius verliebt - Ani Yorentz, Sopran
Zettel, der Weber - Marc-Olivier Oetterli, Bassbariton
Peter Squenz, der Zimmermann - Mario Klein, Bass
Flaut, der Bälgeflicker - Gideon Poppe, Tenor
Schnock, der Schreiner - Abraham Singer, Bass
Schnauz, der Kesselflicker - Johannes An, Tenor
Schlucker, der Schneider - Bernhard Modes, Bariton
Spinnweb - Jeanett Neumeister, Sopran
Bohnenblüte - Catherina Paz Cartes Alarcon, Sopran
Senfsamen - Ann-Christin Förste, Sopran
Motte - Anna Sorokina, Sopran
Elfen - Damen des Opernchors des Staatstheaters Kassel / Extrachor des Staatstheaters Kassel
Staatsorchester Kassel
Leitung: Marco Comin


nach dem 2. Akt ca. 20:45 Uhr Pause mit Nachrichten