Oper

Die Fahne, wo ist die Fahne?

Szene aus der Oper "Cornet" von Onute Narbutaite (Litauische Nationaloper)
Szene aus der Oper "Cornet" von Onute Narbutaite © Martynas Aleksa
29.11.2014
Sie nennt es eine Opern-Improvisation über ein zeitloses Thema. Die litauische Komponistin Onute Narbutaite hat Rilkes "Cornet" neu und sehr frei vertont. Ein spannender Beitrag aus Vilnius zum europäischen Kriegsgedenken.
Sehr viele Menschen stehen hier auf der Bühne. Die litauische Nationaloper hat keinen Aufwand gescheut für diese Neuproduktion, die bereits im vergangenen Frühling Premiere hatte. Die bekannteste lebende Komponistin des baltischen Landes, Onute Narbutaite, hat für das Haus eine abendfüllende Oper geschrieben, sie aber bescheiden Opern-Improvisation genannt. Sie will sich nicht in den Vordergrund drängen, angesichts des großen dichterischen Vorbildes und der vielen anderen literarischen Quellen, derer sie sich in ihrem selbst verfassten Libretto bedient.
"Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" war ein großer literarischer Erfolg zu Zwischenkriegszeiten im deutschsprachigen Europa. Die Story beschwört ewig gültige Gefühle. Das Verlangen nach Liebe und Transzendenz sei immer dasselbe, meint die Komponistin Onute Narbutaite, ob zu Zeiten der Türkenkriege (wie in der Cornet-Geschichte) oder heute in den Tagen des längstens Friedens in Mitteleuropa. Dieser Frieden erscheint aus der Sicht der baltischen Nachbarländer Russlands allerdings deutlich fragiler als weiter westlich.
Die Handlung von Rilkes Text dient Narbutaite nur als Startpunkt. Darauf baut sie ihre ganz individuelle Sicht auf. Doch braucht natürlich ein Bühnenwerk eine Story - und die klingt dann doch sehr nach Rilke: Der junge Junker Christoph Rilke von Langenau zieht in den Kampf gegen die Türken. Seine Freundschaft zu dem Franzosen Marquis endet bald. Für seine Verdienste wird er zum Fähnrich, zum Cornet ernannt. Bedeutet das etwas? Er glaubt schon. Wird er der Pflicht gerecht werden, immer die Fahne voran zu tragen?
Doch Einöde und Düsternis überwiegen und das Gefühl, der verhängnisvolle heidnische Feind warte auf ihn. Von Angst und Vorahnung lenkt er sich durch Träumen ab. In den Gesichten erscheint ihm eine Traumfrau. Die wird dann im zweiten Akt Wirklichkeit beim Fest auf einer Burg. Mit dieser Traum-Gräfin verbringt der Cornet eine Liebesnacht. Die endet mit der Flucht aus der brennenden Burg. Draußen wartet schon der Feind auf den Cornet, um ihn zu töten. Der sieht nur den schönen Garten vor der Burg und bemerkt gar nicht die Säbelhiebe, die ihn treffen.
Traum und Poesie sind stärker als jede brutale Wirklichkeit. Onute Narbutaite will dieser Behauptung mit ihrer Musik einen festen Untergrund verschaffen.
Litauische Nationaloper Vilnius
Aufzeichnung vom 06.11.2014
Onutė Narbutaitė
"Cornet" - Oper in zwei Akten nach Rainer Maria Rilke auf ein Libretto der Komponistin
Cornet Christoph Rilke - Tomas Pavilionis, Tenor
Gräfin/Marquise - Jovita Paskeviciute, Mezzosopran
Mädchen aus den Träumen/Schreiendes Mädchen - Gunta Gelgotė, Sopran
General/Ritter/Alter Mann - Liudas Norvaisas, Bass
Doppelgänger Cornet - Jonas Sakalauskas, Bariton
Magdaleine/Erste Dame/Erste Sirene/Erste Stimme - Regina Silinskaitė, Sopran
Dame in Rot/Zweite Dame/Zweite Sirene/Zweite Stimme - Laura Zigmantaitė, Mezzosopran
Zeitgenosse/Erster Gast/Dritte Stimme - Mindaugas Jankauskas, Tenor
Verleger/Zweiter Gast/Vierte Stimme - Egidijus Dauskurdis, Bass
Mutter - Rūta Rikterė, Klavier
Vytautas Sriubikis, Flöte
Arvydas Barzinskas, Trompete
Mikas Dulevicius, Schlagzeug
Azuoliukas-Knabenchor
Chor und Orchester der Litauischen Nationaloper
Leitung: Robertas Servenikas