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Serbisch-kosovarischer Dialog
Noch Vieles im Argen

Seit vier Jahren reden Pristina und Belgrad konstruktiv miteinander - moderiert von der EU-Kommission. Einiges hat sich schon zum Positiven verändert. Etwa was die Anerkennung von Zollstempeln und Universitätsabschlüssen oder die Teilnahme an Kommunalwahlen angeht. Vieles liegt aber auch auf Eis.

Von Stephan Ozsváth | 06.02.2015
    Proteste in Pristina – Ende Januar. Die Menge fordert den Rücktritt des serbisch-stämmigen Ministers Jablanovic. Er hatte albanische Protestierer als Wilde bezeichnet, die serbische Gläubige daran gehindert hatten, anlässlich des orthodoxen Weihnachtsfestes die west-kosovarische Stadt Gjakova zu besuchen. Der Serbe ist mittlerweile zurückgetreten.
    Streit um Bodenschätze
    Bei den Protesten geht es auch um Trepca: Einen Minen-Komplex, der 4.000 Menschen Arbeit gibt – die meisten Serben im Norden des Kosovo. Serbien und Kosovo streiten um die Bodenschätze. Marko Djuric, Kosovo-Beauftragter der serbischen Regierung will Trepca auch zum Thema in Brüssel machen.
    "Wir werden darauf bestehen. Seit zwei Jahren wollen wir über das Eigentum reden. Am wichtigsten ist aber das Thema der Gemeinschaft serbischer Gemeinden.
    Die Vermittler werden sicher auch das Thema Justiz ansprechen. Wenn wir die Gemeinschaft serbischer Gemeinden gut aufstellen, werden wir auch all unsere Unternehmen in diese Gemeinschaft wie ein Fundament einbauen können."
    Da ist Streit mit der Kosovo-Regierung schon vorprogrammiert. Trepca war mit 20.000 Arbeitern einer der größten Arbeitgeber Jugoslawiens. Aber wem gehört Trepca heute – wenn Serbien den Staat Kosovo nicht anerkennt? Bardh Sherifi ist Politiker und ein ehemaliger UCK-Kämpfer. Er glaubt nicht, dass Trepca ein Thema in Brüssel wird, sagt er.
    "Und was das Thema des zurückgetretenen serbischen Ministers Jablanovic angeht: Die Wunden sind noch sehr frisch. Ich finde, er hat die Opfer des Krieges beleidigt. 13.000 Tote, 20.000 vergewaltigte Frauen, 130.000 zerstörte Häuser.
    Wenn es nur um ein paar Steine auf einen Bus gegangen wäre, das hätte die Regierung ausgesessen, aber er hat alle 'Wilde' genannt. Und das war zu viel."
    "Wir sollten mit ihnen gar nichts diskutieren"
    Die meisten Kosovo-Albaner erwarten eine Entschuldigung Serbiens wegen der Verbrechen im Kosovo-Krieg. Serben aus dem Kosovo fühlen sich ebenfalls als Opfer – wegen der UCK-Gräueltaten.
    Eine Patt-Situation. Seit vier Jahren verhandeln die Regierungen in Belgrad und Pristina miteinander. Was hat der Dialog unter EU-Vermittlung bisher konkret gebracht? Dieser Kosovo-Albaner sagt:
    "Wir sollten mit ihnen gar nichts diskutieren. Was sollen wir bereden ? Jeden Tag verlassen mehr Kosovo-Albaner das Land."
    Vor allem junge Kosovaren suchen ihr Glück im Ausland. Denn die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die Korruption weit verbreitet. Immerhin: Es regieren in Pristina auch Serben mit. Die Grenze wird gemeinsam verwaltet. Aber noch immer gibt es im Kosovo keine einheitliche Telefon-Nummer, Energieversorgung, Justiz. Und "serbische Parallelstrukturen" sind auch noch nicht ganz aufgelöst. Budmir Nicic, serbischer Journalist aus der Enklave Gracanica – nahe der Kosovo-Hauptstadt Pristina, beklagt.
    "Ich habe den Eindruck, dass es nach jeder Runde dieser Brüsseler Gespräche immer weniger Serbien im Kosovo gibt und immer mehr Republik Kosovo. Die Bürger sind die Leidtragenden. Belgrad verlässt den Kosovo mit dem Brüsseler Abkommen - in jeder Hinsicht. Da sind die Zölle, da sind die Grenzen, der Norden Kosovos... Als Nächstes sind Telekommunikation, Energie an der Reihe... die Gespräche, bei wem die Serben im Norden des Kosovo künftig ihren Strom bezahlen."
    Vom Erfolg der Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina hängt ab, wie schnell EU-Kandidat Serbien auf dem Weg in die Staatengemeinschaft vorwärts kommt. Der serbische Präsident Nikolic torpediert diesen Kurs derzeit: Mit einem Positionspapier, das die Unabhängigkeit des Kosovo infrage stellt.