"Omas gegen Rechts"

Omas kämpfen für Vielfalt

08:33 Minuten
Die Initiative "Omas gegen Rechts" bei der Demonstration "Ein Europa für Alle – Deine Stimme gegen Nationalismus!" im Mai 2019 in Hamburg. Mehrere Menschen halten Plakate und Luftballons in die Höhe.
Die Initiative "Omas gegen Rechts" bei der Demonstration "Ein Europa für Alle – Deine Stimme gegen Nationalismus!" im Mai 2019 in Hamburg. © picture alliance / dpa / Christian Charisius
Von Ina Jackson und Kristine Kretschmer · 09.12.2019
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Bei vielen Demonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung ist auch die Initiative "Omas gegen Rechts" dabei. Auch in Hamburg protestieren die älteren Menschen regelmäßig. Nicht überall treffen sie auf Wohlwollen.
"Haben Sie Interesse mal einen Flyer mitzunehmen? / Keine Ahnung... / Ne, ich hab keine Zeit tut mir leid... / Möchte ich eigentlich mitmachen... / Vielleicht kommen sie mal einfach locker ins Gemeindehaus der Michaeliskirche am zweiten Dienstag... / Alles klar, schönen Tag noch... / Dankeschön..."
Ein Samstagmorgen Ende November, kurz vor elf. Sechs Frauen und zwei Männer haben sich am Eingang zum Wochenmarkt in Neugraben im Süden von Hamburg mit einem Infotisch postiert. "Klare Kante zeigen" und "Keine Macht den Rechten" steht auf ihren Plakaten. Das ist die Botschaft der "Omas gegen Rechts", bei denen auch Opas mitmachen.
"Oh, heute ist in Braunschweig AfD Parteitag... / War der nicht gestern schon?... / Nein... / Gestern wurde schon darüber berichtet... / Ja, aber heute... ist das Wählen... den Vorstand... / Wäre eine Katastrophe, wenn der Höcke in den Vorstand gewählt werden würde..."


Annedore: "Es ist ja so. Man hört genug von der AfD. Und man ist wütend. Und man möchte was tun und weiß nicht was. Und jetzt hat man ne Möglichkeit gefunden."
Die "Omas gegen Rechts - Nord" aus Hamburg auf einer Demonstration.
Die "Omas gegen Rechts - Nord" aus Hamburg auf einer Demonstration.© privat
Dörte: "Also ich hab mich zunächst mal zu Hause aufgeregt, über die Nachrichten, auch über den Umgangston und auch darüber, dass die Rechten immer stärker werden. Und da kamen die Omas gerade richtig, auch vom Namen her. ´Omas gegen Rechts`."
Maja: "Der Rechtsruck in Deutschland geht ja nun schon ne ganze Weile voran und für mich war das schon immer ein Thema, wohin das führt, gibt es tausende Beispiele, nicht nur in der deutschen Geschichte."

"Wir sind nicht schwarz, nicht grün, wir sind die Omas"

Annedore, Maja und Dörte haben die "Omas gegen Rechts" in Hamburg Süderelbe gegründet. Für sie sind die Omas in vielerlei Hinsicht genau die richtige Gruppe, sich öffentlich zu artikulieren.
Dörte: "Also jeder der gegen rechts ist von den Omas und etwas tun möchte, der ist bei uns willkommen. Egal, welche politische Richtung sie sonst haben."
Maja: "Wir sind eine Initiative und das wollen wir auch bleiben. Und wir sind nicht links und wir sind nicht schwarz und wir sind nicht grün, wir sind die Omas."
Dörte: "Wir sind normal."

Annedore: "Es ist so, wir haben eine bestimmte Haltung. Und die muss man haben, um Oma gegen rechts zu sein."

Dörte: "Ja."

Maja: "Deswegen dürfen auch gerne Opas mitmachen, und die Opas tragen auch die Buttons, wo Oma gegen Rechts drauf steht, weil das der Namen der Initiative ist. Oma sein ist eine Haltung und hat nichts mit Alter und Geschlecht zu tun."

Nicht jeder mag die Omas

Die Hälfte der Passanten läuft an dem Stand auf dem Wochenmarkt vorbei, ohne die Omas eines Blickes zu würdigen, die andere Hälfte schaut sich interessiert die Plakate und Flyer an und will mehr wissen. Einige Marktbesucherinnen möchten sich gleich das Markenzeichen der Omas, den Button mit dem schlichten Schriftzug "Omas gegen Rechts" an die Jacke heften.
Frau: "Den Button, kann den jeder nehmen oder?

Maja: "Den kann jeder nehmen, ja."

Frau: "Ach so."

Maja: "Wenn Sie mit zum Stand kommen möchten, da können Sie sich einen nehmen, und wir freuen uns dann, wenn Sie uns dafür ne kleine Spende geben. Frau: Ah, okay..."
Es geht heute friedlich zu – die AfD hat an diesem Samstag ihren Parteitag und deshalb anders als sonst keinen Stand in Sichtweite der Omas aufgebaut. Aber die AfD in Neugraben hat viele Anhängerinnen und Anhänger.
Mann: "´Omas gegen Rechts` – ich sag mal gar nix. Ich sag mal einfach gar nichts dazu. Diese ständige Beschimpfung mit Nazis, das ist alles Blödsinn. Heute wird jeder als Nazi beschimpft, nur weil er eine andere Meinung hat. Das ist albern. Aber ich bin eben anderer Meinung, und ich sag eben, bin kein Nazi. Und denn: Omas gehen auf die Straße – die haben das noch nicht mal erlebt. Ich hab die Zeit erlebt, ich bin in Königsberg geboren, ich hab zwei Jahre unter den Russen gelebt, wegen dem System musste ich hungern."

Eine ältere Frau und ein älterer Mann von der Initiative "Omas gegen Rechts" unterhalten sich auf einem Marktplatz in Hamburg. Im Hintergrund ist der Schriftzug "Keine Macht den Rechten!" zu sehen.
Die Initiative "Omas gegen Rechts" informiert in Hamburg auf einem Markt.© Deutschlandradio / Ina Jackson
Maja: "Wie alt bist du?"

Annedore: "76."

Maja: "In Hamburg bist du dann die Älteste."

Annedore: "Ne, das wurde jetzt festgestellt, 80."

Dörte: "Heiner ist doch über 80 und Karin Schulz."

Annedore: "Da sind noch mehrere, die über 80 sind."

Dörte: "Heiner und Karin Schulz sind ganz bekannte Hamburger, die viel im KZ Neuengamme gemacht haben, auch ein Buch rausgebracht haben. Und das ist auch ein Teil der Arbeit der Omas, die Erinnerungskultur sozusagen aufrechtzuerhalten."
Oma: "Wir wollen doch nur verhindern, dass das noch einmal vorkommt.

Mann: "Kann man gar nichts verändern. Dadurch bestärken wir die Menschen erst recht. Alles was verboten wird, wirkt immer wieder oder immer stärker. Es ist so."

Oma: "Sie würden die AfD wählen?"

Mann: "Ja das sage ich ganz ehrlich, weil die meine Meinung vertreten."

Mehr als 100 "Omas gegen Rechts"-Gruppen gibt es inzwischen in Deutschland, zwei allein in Hamburg. Für Maja und die anderen Omas ist es wichtig, dass der Gesprächsfaden zwischen Menschen verschiedener politischer Meinung nicht völlig abreißt.
Maja: "Das ist ein Ding, dass ich nicht nur hier an den Marktständen sehe, sondern auch sehr viel im Internet beobachte, dass Leute entweder dafür oder dagegen sind, und dann findet kein Dialog mehr statt, weil viele sagen, du bist nicht meiner Meinung, dann rede ich gar nicht erst mit dir. Das finde ich falsch, gerade wenn jemand ne andere Meinung hat, muss man miteinander reden."

Aktiv gegen gesellschaftliche Klischees

Viele der "Omas gegen Rechts" waren auch früher schon politisch aktiv, in der Studentenbewegung, in Parteien oder Bürgerinitiativen.
Dörte: "Aber wir haben auch Omas, die zum Teil zum ersten Mal mit uns rausgegangen sind. Die sagen: ´Wir dachten, das ist normal, so wie wir leben und stellen fest, das ist gefährdet, das wollen wir nicht.` Und die sind dann wirklich zum ersten Mal auf einer Demo gewesen mit uns."
Mit ihrem Namen spielen die Frauen mit den gesellschaftlichen Zuschreibungen, die ihrer Altersgruppe normalerweise entgegengebracht werden.
Dörte: "Fast jeder hat ne Oma und erinnert sich gerne dran, wird so ein bisschen verwöhnt. Das können wir ja auch alles, wenn wir wollen. Aber das ist eigentlich auch ein bisschen Programm. Wir werden unterschätzt. Alte Frauen kommen in der Gesellschaft, im politischen Bewusstsein eigentlich überhaupt nicht vor. Die gehen dann in Rente, kümmern sich um die Enkel, um die pflegebedürftigen Eltern oder was man ihnen sonst zubilligt, Kreuzfahrten zu machen oder sonst irgendetwas. Und da setzen wir was gegen.
Maja: "Wir sind alt, aber nicht stumm."


Die Omas sind vor allem hartnäckig und konfrontieren immer wieder rechte Gruppierungen mit ihrem Widerstand. Manche Adressaten reagieren äußerst ungehalten, berichtet Dörte.
Gegendemonstranten der Veranstaltung "Merkel muss weg!" tragen Pappschilder mit der Aufschrift "Omas gegen Rechts".
"Omas gegen Rechts" protestieren im November 2018 gegen die Demo "Merkel muss weg!" in Hamburg. © picture alliance / dpa / Bodo Marks
Dörte: "Der Höhepunkt, den ich bisher erlebt habe, war am 3. Oktober in Berlin, als ein Redner öffentlich dazu aufgerufen hat, man sollte doch die ´Omas gegen Rechts` in die Flüchtlingsheime bringen und sie vergewaltigen lassen. Oder in dem geschrien wurde: Wenn wir wollen, schlagen wir euch tot. Das sind Bedrohungsszenarien, die sie aufbauen, und ich kann mich gut daran erinnern, dass ich mich mit meinen Eltern immer sehr gestritten habe und gefragt habe: Warum habt ihr nichts getan, als ihr noch konntet, gegen das Dritte Reich?"
Annedore: "Da hieß das dann immer: ´Ach, Kind, das waren ganz andere Zeiten, das verstehst du nicht.` Und ich möchte gerade stehen können, wenn ich mal gefragt würde, was hast du denn getan?"
Frau: "Wenn man sich den Button ansteckt, haben Sie dann schon mal erlebt, dass Sie angegriffen werden oder so?"
Maja: "Also im direkten Kontakt eigentlich eher weniger, weil so wie wir hier am Marktstand stehen, sind wir ja auch in einer Gruppe und dann trauen sich diese Leute meistens nicht. Das sind dann eher E-Mails, die man kriegt oder in den Sozialen Medien Kommentare bei Facebook oder bei Twitter. Und ich zeige diese Leute auch an."

Nächstes Ziel – Bürgerschaftswahl in Hamburg

Die Omas und Opas wollen nicht klein beigeben. Im Februar wird in Hamburg die Bürgerschaft gewählt, also das Landesparlament des Stadtstaates. Dort soll die AfD möglichst keinen Sitz bekommen. Wenn es nach den Omas geht.
Annedore: "Die Woche vorher werden wir eine Menschenkette bilden, und zwar von Neugraben bis zum Rathaus Hamburg. Das sind 23 Kilometer, das heißt, wir brauchen auch rund 23.000 Menschen, die mitmachen. Das ziehen wir durch, und das wird auch. Da bin ich sehr, sehr sicher."
Maja: "Da wird so manches auf die Beine gestellt und da wird sich mancher AfDler noch umgucken."
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