"Ohne Quote geht es nicht"

Margret Mönig-Raane im Gespräch mit Marietta Schwarz · 02.02.2011
Margret Mönig-Raane, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, hält eine Frauenquote für Führungspositionen für unverzichtbar. Als ein Beispiel für eine gelungene Frauenförderung durch eine Quote nennt sie Norwegen.
Marietta Schwarz: Bei mehr als 90 Prozent der 100 größten Unternehmen in Deutschland sitzt keine Frau im Vorstand. Dass dies nicht gerade den Ausbildungsstand hierzulande repräsentiert, darin sind sich die meisten, auch Politiker, einig. Bei der Frage der Frauenquote scheiden sich dann allerdings die Geister, und zwar auch unter Frauen. Arbeitsministerin von der Leyen will sie, Familienministerin Schröder will sie nicht, und zum Beispiel Bayerns Sozialministerin Haderthauer hält auch nichts davon, eine solche Quote für Führungsgremien gesetzlich zu verankern. Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Mitglied im Arcandor-Aufsichtsrat Margret Mönig-Raane fordert schon lange eine Frauenquote, und sie ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!

Margret Mönig-Raane: Guten Morgen!

Schwarz: Frau Mönig-Raane, bei ver.di wurde die Frauenquote vor einigen Jahren eingeführt. Welche Wogen hat das denn damals geschlagen?

Mönig-Raane: Das war damals mit der ver.di-Gründung, und das war der Wille unserer Delegierten und derjenigen, die es vorbereitet haben, und beim letzten Kongress 2007 gab es noch mal eine Bestätigung, die mit 99 Prozent der Delegiertenstimmen angenommen wurde, weil wir machen sehr gute Erfahrungen mit der Quote.

Schwarz: Sie selbst sind stellvertretende Vorsitzende, wären aber doch bestimmt auch gerne die Erste am Platze geworden, oder nicht?

Mönig-Raane: Ach, also ich war die Erste in HBV, in der Gewerkschaft HBV, das ist eine der Gründungsgewerkschaften. Insofern habe ich meine Erfahrung, wie das ist als Erste und kann alle Frauen nur ermuntern, das zu machen, weil es ist wirklich schön auch als Erste. Aber wir sind zu fünft gewesen, und da ist klar, dass eine Vertretung oder ein Vertreter der größten Gewerkschaft, mit Abstand größten Gewerkschaft auch den Anspruch hatte auf die Führungsfunktion, und das ist völlig in Ordnung, und das hat nie irgendein Problem gemacht.

Schwarz: Jetzt gibt es ja bei ver.di Frauen im Führungskader, aber bei den anderen Gewerkschaften, zum Beispiel beim DGB, sieht das bei Weitem nicht so gut aus. Warum?

Mönig-Raane: Beim DGB ist die Frauenquote ebenfalls erfüllt, weil die Mehrheit der Mitglieder in den anderen Gewerkschaften sind – mit Ausnahme der GEW, wo ja auch viele Lehrer und Lehrerinnen vor allen Dingen organisiert sind –, sind überwiegend Männer. Und wir haben gesagt, entsprechend dem Mitgliederanteil, weil auch der ist bei uns unterschiedlich, und deswegen gibt es bei uns auch eine unterschiedlich hohe Frauenquote.

Schwarz: Aber die Ersten am Platze sind da nicht Frauen.

Mönig-Raane: Nein, weil die Frauen dort auch in der Minderheit sind, wobei: Die GEW hatte auch schon Frauen als Vorsitzende, so ist es nicht. Also ich denke, dass wir bei Gewerkschaften über den Frauenanteil sicher noch weiter arbeiten könnten, bei ver.di sind wir da sehr weit schon. Ich möchte aber ganz gerne darauf gucken: Was ist eigentlich in den Unternehmen passiert, und passiert es freiwillig? Und wir sagen, unsere Erfahrung mit der Quote ist: Ohne Quote geht es nicht, da bewegt sich nichts. Das zeigen nicht nur die Erfahrungen in Deutschland, das haben auch die Erfahrungen woanders gezeigt. Und wir gucken auch nach Norwegen und sagen, es ist nicht bekannt, dass der Zusammenbruch der norwegischen Wirtschaft passiert ist, als ... eine Quote, die bei Nichterreichen mit Sanktionen belegt wurde, da ist nämlich gesagt worden: Ein Aufsichtsrat, der die Quote nicht erfüllt hat, kann keine gültigen Beschlüsse fassen. Und siehe da, Wunder, Wunder: Es war möglich, gute Frauen zu finden, und die sind zu finden. Und deswegen finde ich: Jetzt ist es allmählich Zeit, und wer vielleicht noch nicht so alt an Lebensjahren und Erfahrung ist und glaubt, die Frauen schaffen das alleine, befindet sich ja mit der Generation unter 30 durchaus in Übereinstimmung, weil sie den Eindruck haben, es läuft doch, aber ab 30 – da gibt es auch Untersuchungen zu – gibt es einen Knick, und dann sind die Frauen wirklich abgeknipst von solchen Entwicklungen. Und da gilt es jetzt auch mal ein Wort zu sagen und ein Gesetz zu machen, wo gesagt wird: Das können wir nicht länger hinnehmen.

Schwarz: Müssen Frauen besser sein als Männer, um dasselbe zu erreichen?

Mönig-Raane: Frauen sind in vielen Teilen besser als Männer, das spielt überhaupt gar keine Rolle mehr, sondern da gibt es so etwas wie die sogenannte gläserne Decke, und da ist Frauen der Zugang sehr erschwert bis versperrt, überwiegend versperrt, und da gilt es jetzt wirklich, durchzubohren und zu sagen, Leute, so geht das nicht mehr. Und der Grund dafür liegt meiner Meinung nach wirklich neben anderen Dingen darin, dass Männer in der mittleren Managementschicht, die sich Hoffnungen auf Top-Positionen machen, keine Konkurrenz von Frauen haben wollen, und ich finde: Ein bisschen muss man dem jetzt mal nachhelfen.

Schwarz: Eine Quote greift zu kurz, das sagen die Gegner, man müsse das Problem Frauenmangel in Führungsetagen viel grundsätzlicher anpacken. Halten Sie das für Besitzstandswahrung, für eine Ausrede, oder ist da vielleicht auch ein Körnchen Wahrheit dabei?

Mönig-Raane: Also man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Ich sage ja nicht, mit der Quote alleine ist die Welt zu retten, sondern ich sage: Ohne Quote werden wir den Frauenanteil in allen Führungsebenen nicht erhöhen, und damit auch die Chancen von Frauen auf ein selbstbestimmtes Leben, auf Wahrung ihrer Chancen und Realisierung ihrer Chancen bleibt dann versperrt. Und deswegen brauchen wir die Quote und wir brauchen auch andere Überlegungen, zum Beispiel für Väter und Mütter bessere Vereinbarkeitsregeln.

Schwarz: Margret Mönig-Raane, stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Mitglied im Aufsichtsrat von Arcandor. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Mönig-Raane: Gerne!
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