Offshore Windparks

Sicherheitscheck mit Ultraschallsensoren

Windräder drehen sich am 10.06.2015 in Schweden auf der Ostsee in einem Offshore Windpark. Versehen mit Denkfabrik-Stempel.
Offshore-Windpark in der Ostsee. © picture alliance/dpa/Britta Pedersen
von Joachim Baumann · 21.04.2016
Offshore-Windanlagen im Meer stellen Techniker vor große Herausforderungen: Die regelmäßige Überprüfung der Schweißnähte etwa erledigen derzeit Taucher nach Augenschein. Wissenschaftler erproben als Alternative derzeit eine neue Ultraschalltechnik.
Langsam nähert sich die "Windexpress" dem Offshore Windpark Baltic 1 in der Ostsee, rund 15 km nördlich vor der Halbinsel Darß. Das 53 Meter lange Versorgungsschiff gehört der Baltic Taucherei- und Bergungsbetrieb Rostock GmbH. Normalerweise sind die Taucher damit beschäftigt, Vermessungen am Meeresboden durchzuführen, Kabelverlegungen zu begleiten oder Munition zu bergen.
Eine neue Aufgabe ist in den letzten Jahren mit den Windrädern auf hoher See dazugekommen.
Jens Eppler:
"Wenn wir so viel Stahl mit Schweißnahtverbindungen jetzt in Deutschland ins Wasser bringen, sind das Schweißnähte, die kontrolliert werden müssen, Risse finden."

Alle vier Jahre, erklärt Jens Eppler, Projektmanager bei den Baltic-Tauchern, ist die Inspektion einer Windkraftanlage vorgeschrieben:
"Die Schweißnahtkontrolle läuft im Moment größtenteils visuell, das heißt, die Schweißnähte werden unter Wasser gereinigt und ein Taucher mit Befähigung, bzw. das Videobild des Tauchers, das an Deck geleitet wird, wo jemand sitzt, der ausgebildet ist für Schweißnahtprüfung, der kann das beurteilen."

Manövrieren bei Windstärke neun

Mittlerweile hat der Kapitän die "Windexpress" geankert – nur 40 Meter vom Windrad B21 entfernt. Kein ganz einfaches Manöver bei Windstärke acht bis neun. Zahlreiche Kommandos auf der Brücke waren notwendig, um die vier Anker so zu positionieren, dass das Schiff einen sicheren Abstand zu B21 einhält und die Taucher später gefahrlos in einem Gitterkäfig zum Meeresgrund herabgelassen werden können.
Neuerdings werden für die Schweißnahtprüfung auch autonome Unterwasserroboter eingesetzt. Dennoch, es ist kostspielig für die Betreiber und eine harte Arbeit für Taucher und Besatzung:
"Das ist unter Wasser bisher sehr aufwändig, gerade in der Nordsee, wo man nur alle 6 Stunden für eine Stunde tauchen kann zwischen den Tiden. Da hat man sich gesagt, wir müssen etwas finden, dass es für den Windparkbetreiber wirtschaftlicher wird, seine Schweißnähte unter Kontrolle zu haben."

Forscher um Bianca Weihnacht vom Dresdener Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme haben sich dieser Aufgabe angenommen: Die automatische Überwachung von Schweißnähten mittels Ultraschallsensoren.

Abtauchen für den Praxistest

Während sich Taucher Frank Liersch auf seinen ersten Einsatz vorbereitet nutze ich die Gelegenheit, mehr über das neue System zu erfahren. Bianca Weihnacht – in wetterfester Kombination, Schutzhelm und Sicherheitsstiefel – verfolgt aus den Augenwinkeln das Treiben an Deck.
"Wir arbeiten mit Ultraschallwellen, das sind mechanische Wellen, die sich im Werkstoff ausbreiten. Man muss sich das wie Wasserwellen vorstellen – wenn die an einen Wiederstand kommen und so ein Riss ist ein Wiederstand im Bauteil, dann wird ein Teil der Wellen reflektiert. Man kann sich dann anschauen, wie groß die Amplitude ist, also der Energieanteil, der zurückreflektiert wurde und dann Rückschlüsse auf die Größe des Risses ziehen."

Um das System zu testen wurden die Sensoren an einem Probeobjekt befestigt: Ein circa fünf Meter langes dickes Eisenrohr mit schräg angeschweißtem zweiten Rohr. Es sieht aus wie ein riesiges Ypsilon. Das Ganze wurde vor gut einem halben Jahr genau an dieser Stelle in 18 Metern Tiefe versenkt.

"Man braucht Ultraschallsensoren, in diesem Fall welche, die dauerhaft unter Wasser bleiben können. Wir haben uns für kleine piezo-keramische Scheibchen entschieden, die in einer Manschette einlaminiert sind und wie ein Gürtel rund um die Windenergieanlage gelegt werden können…"
Also um die Schweißnaht?
"… sie sind außerhalb der Schweißnaht…. wo man auch die Sensoren außerhalb der Schweißnaht anbringen kann und die Welle dann über das Material zur Schweißnaht hinläuft…."
Und aus dem Vergleich vorher nachher bekommen Sie dann heraus, ob da was passiert ist?
"…ja, man misst einen Gutzustand und beobachtet dann, wie sich das Signal im Laufe der Zeit verändert und kann daraus Rückschlüsse ziehen, wenn Schäden vorgekommen sind."

Die Taucher immer im Blick

Im Kontrollraum verfolgt Tauchereinsatzleiter Ingo Koberling am Monitor, wie Taucher Frank Liersch am Versuchsrohr die Datenkabel löst und Vorbereitungen zur Bergung trifft. Sein Atmen erinnert an Star Wars und Darth Vader. Ingo Koberling wacht über jeden Schritt und jede Handlung am Meeresboden, gibt Anweisungen. Sogar abgetrennte Kabelbinder dürfen nicht unten bleiben. Nach circa 30 Minuten besteigt der Taucher wieder seinen Korb und wird nach oben gezogen. Ein Druckausgleich auf drei Meter Tiefe muss eingelegt werden.
Alles in allem ein normaler, unspektakulärer Tauchgang
Frank Liersch:
"Was gab‘s da für einen Fisch? Einen Knurrhahn. Ein einziger, ich hab nicht mal ne Scholle gesehen, leider nein. Aber n schönen Seestern. Wie war die Sicht unter Wasser? Ich sag mal so 5 bis 7 Meter, man konnte gut gucken, man konnte das Gestell in einem sehen, man konnte die Manschetten sehen… sehr gut."

Das Y-Rohr ist wieder an Bord, auch die beiden Manschetten mit den 50 piezo-keramischen Messelementen sind in dem halben Jahr von Algen und Muscheln bedeckt worden, aber nicht übermäßig. Tobias Gaul, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut hat erste Daten in seinen Computer geladen. Die komplette Auswertung erfolgt später in Dresden.
"Wir haben 50 Elemente da unten im Wasser und die werden dann im Nachgang alle gegeneinander verrechnet. Am Ende gibt es dann ein Farbbild, in dem die Reflektion abgebildet wird, um das dann auch für den Taucher oder Anwender leichter sichtbar zu machen, ohne dass er dahinter die Zeitsignale verstehen muss und diese interpretieren müsste. Er bekommt dann die Aussage, in welchem Abstand von der Manschette und in welchem Winkel am Rohr der Fehler detektiert wurde."

Sind Roboter bald Standard?

Die Tagesarbeit ist getan. Monoton dreht sich der Propeller von B21 am Offshore Park Balic 1, 15 km vor dem Darss. In einem komplizierten Manöver setzt der Kapitän die vier Ankerwinden ein, um bei Windstärke neun nicht mit dem Windrad zu kollidieren. Alles klappt einwandfrei, nach über 30 Minuten geht es volle Kraft voraus in Richtung Rostock-Warnemünde. Auch Bianca Weihnacht ist mit ihrer Expedition zufrieden.
"Alles hat funktioniert, wir haben den Rohrknoten rausbekommen, die Ergebnisse sehen gut aus. Wie wird es weitergehen? Wir werden die Messungen auswerten, sehen, ob sich Veränderungen ergeben haben und dann überlegen, was zukünftig noch zu optimieren ist.
Und in etwas fernerer Zukunft, was wäre der Wunsch, der Traum wie es weitergehen soll? Na der Traum wäre, dass diese Manschetten standardmäßig für die Überwachung eingesetzt werden, vielleicht dann auch mit ROV, also mit diesen kleinen Unterwasserrobotern, so dass man auf einen Teil der Tauchgänge einsparen kann. Und dass man dazu beitragen kann, die Sicherheit zu gewährleisten."
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