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Suppé-Operette in Chemnitz
Der Teufel steckt im Detail

Franz von Suppé wurde am 18. April vor 200 Jahren geboren. Ihm wird die erste Wiener Operette zugeschrieben. Die erste Premiere in diesem Jubiläumsjahr zeigte die Oper Chemnitz: "Der Teufel auf Erden" - mit famoser Musik, einer prächtigen Ausstattung, aber zu viel Bearbeitung.

Von Stefan Frey | 29.04.2019
    Franz von Suppé
    Nach der Uraufführung 1878 wurde "Der Teufel auf Erden" schnell von Suppés nächster und erfolgreichster Operette "Boccaccio" aus den Spielplänen verdrängt. (IMAGNO)
    In der Hölle ist der Teufel los. Die Unterteufel revoltieren gegen Satan: Sie wollen eine Aufhebung der Leibeigenschaft, ein Parlament und Pressefreiheit. Und Satan ist ratlos, sind doch seine Minister Lucifer, Samuel und Beelzebub ausgebüchst.
    So beginnt Franz von Suppés fantastisch-burleske Operette "Der Teufel auf Erden". Es ist eine wilde Mischung von Zaubermärchen, Wiener Volkstheater und italienischer Oper - und damit durchaus typisch für seinen Komponisten.
    Suppés erfolgreichste Operette: "Boccaccio"
    Nach der Uraufführung 1878 wurde "Der Teufel auf Erden" schnell von Suppés nächster und erfolgreichster Operette "Boccaccio" aus den Spielplänen verdrängt und so gab es für die Aufführung der Oper Chemnitz nicht einmal Notenmaterial. Kapellmeister Jakob Brenner stand vor einer Herkulesarbeit:
    "Im Grunde genommen gibt es gar nichts. Wir haben uns das Autograph besorgt. Das schlummert in der Stadtbibliothek in Wien und daraus erst einmal ein Notenmaterial erstellt. Man hört heute ganz klassisch Suppé, da ist keines Notre anders, keine Instrumentierung verändert. Das ist alles Suppé. Da gib es Duette, die könnten eins zu eins in einer italienischen Oper vorkommen, gepaart mit Wiener Tanzmusik. Das gibt eine ganz spritzige, runde, schöne Mischung".
    Geboren wird er am 18. April 1819 als Francesco-Ezechiele-Ermenegildo de Suppè in der dalmatinischen Hafenstadt Spalato, dem heutigen Split. Sein Vater ist dort Beamter der Habsburger Monarchie. Seine Mutter stammt aus Wien. Trotzdem ist seine Muttersprache Italienisch. Denn das spricht man in Zara, wo er aufwächst. Das war mal venezianisch, ist heute kroatisch und heißt Zadar. Dort singt Suppé im Domchor und erhält eine umfassende musikalische Ausbildung.
    Nach dem Tod des Vaters zieht er mit seiner Mutter nach Wien. Der 16-jährige Suppé studiert Komposition und wird Kapellmeister am Theater in der Josefstadt. Es ist der Beginn einer ungeheuer produktiven Karriere als Theaterkomponist. Allein über 190 Possen hat er vertont. Und 1860 dann die erste Wiener Operette: "Das Pensionat".
    Suppés blieb in Wien immer ein Außenseiter
    Allerdings hat damals kaum jemand Notiz davon genommen. Zum einen weil das Genre ja gerade erst entstand, zum anderen weil Suppé in Wien immer ein Außenseiter blieb. Als "erster heimischer Operetten-Kompositeur" wurde hingegen Johann Strauß gefeiert. Und in dessen übermächtigen Schatten steht Suppé bis heute. Warum das noch immer so ist, darüber hat sich auch Christoph Dittrich, der Intendanten der Oper Chemnitz, Gedanken gemacht.
    "Warum er relativ selten gespielt wird, kann ich nicht sagen. Ich habe da so eine Vermutung, dass vielleicht das, was wir bei den Walzerkönigen so als gefühliges Element drin haben, bei Suppé etwas anders daherkommt. Er kommt eher vom Marsch. Und ich kann mir schon vorstellen, dass einfach das Bedürfnis nach der cremigen Rundung des Walzers den Schub der späteren Meister in die Spielpläne etwas verstärkt hat."
    Dittrich hat also Suppé auf den Spielplan gesetzt - als Koproduktion mit der Volksoper Wien - und dafür Hinrich Horstkotte verpflichtet. Der hat nicht nur die Regie, sondern - wie immer - auch die Ausstattung übernommen.
    "Das ist ein Stück, von dem man sagen könnte: Titel ist gut. Aber das Libretto ist ganz dezidiert aus der Zeit zu begreifen und es gibt wahnsinnig viele Details, die sich uns heute nicht mehr erschließen. Da bin ich wirklich froh, dass wir den Alexander Kuchinka hatten, der das komplett neu getextet hat."
    "Das war ja heute eine Uraufführung und manchmal denkt man, was gerade für diese Art von Stücken fehlt, wäre etwas, was es am Broadway gibt: Testläufe, wo man gucken kann, das funktioniert, das funktioniert nicht, das ist zu lang. Aber erstmal bin ich froh, dass es da ist."
    Fabelhafte Sänger
    Und da steckt der Teufel tatsächlich im Detail. Auch in Chemnitz. So ein paar Testläufe hätten tatsächlich nicht geschadet. Das Stück hat 3,5 Stunden gedauert, und das war definitiv zu viel. Weniger wegen der Musik. Die kam wunderbar zur Geltung. Allein die Besetzung spricht für sich. Zum Teil prominente Gäste, wie Kammersängerin Dagmar Schellenberger, als eine mit allen Weihwassern gewaschene Äbtissin, oder Volksopern Urgestein Gerhard Ernst als Knatteroberst Donnerkeil. Aber auch die Sänger vom Haus waren fabelhaft, zum Beispiel die beiden Liebespaare.
    Franziska Krötenheerdt und Andreas Beinhauer, Sylvia Rena Ziegler und Reto Rosin waren das, das junge Protagonistenquartett der Oper Chemnitz. Allerdings hatten die nicht nur zu singen, sondern auch sehr viel Dialoge zu sprechen. Und vom Dialog hängt in der Operette alles ab.
    Den hatte der Wiener Schauspieler Alexander Kuchinka komplett neu geschrieben, auch die meisten Gesangstexte. Leider hat er dabei auch den Plot stark verändert. Und deren Aufhänger ist der Aufstand der Teufel am Anfang. Sonst käme Satan gar nicht erst höchstpersönlich auf Erden, um seine ausgebüchsten Minister zu suchen und zu entlarven. Schließlich treiben sie dort in Gestalt von arglosen Äbtissinnen und Generäle ihre böse Streiche. In Chemnitz ist es der Höllenknecht Ruprecht, der umgekehrt den Satan sucht. Dadurch geht aber der Grundkonflikt der Handlung verloren. Und wenn dann noch dazu die Pointen nicht zünden, dann hat da offensichtlich auch die Regie wenig helfen können.
    Der Teufel auf Erden ist ein in jeder Hinsicht erstaunliches Werk. Warum es so stark bearbeitet werden musste, haben sich wohl nur die fünf Leute im Zuschauerraum gefragt, die das Stück auch kannten. Die anderen waren aber hellauf begeistert. Das lag an der famosen Musik, aber auch an der prächtigen Ausstattung von Hinrich Horstkotte. Eine klassische Kulissenbühne, also Prospekte an Zügen, ein Höllenschlund im Vordergrund. Kloster, Kaserne und Tanzsaal in schneller Verwandlung. Aber der Teufel steckte diesmal nicht im Detail, sondern in der Bearbeitung.