Zum Tod der Journalistin Elizabeth T. Spira

"Ich kratze mit Freude am rot-weiß-roten Lack"

57:02 Minuten
Elizabeth T. Spira posiert anlässlich der Vorstellung der österreichischen TV-Serie «Liebesg'schichten und Heiratssachen», die im Rahmen des «Fernsehsommer im ORF» läuft (undatiertes Foto)
"Permanent in der Wunde zu bohren" - das ist der Sinn ihres Lebens, sagt Elizabeth T. Spira. © dpa / ORF / Thomas Ramstorfer
Moderation: Annette Riedel  · 04.07.2018
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Als ORF-Journalistin war Elizabeth T. Spira Kult. Sie liebte es, die Österreicher vor laufender Kamera mit Fragen zu provozieren. Am Samstag starb sie im Alter von 76 Jahren. Mehrere Monate zuvor war sie noch einmal in unserer Sendung "Im Gespräch" zu Gast.
Auf das "T" in ihrem Namen besteht Elizabeth T. Spira. Schließlich gibt ihr zweiter Name – Toni – einen Eindruck von der Bandbreite ihrer Herkunft. Als Kind jüdischer Flüchtlinge wuchs die heute 75-Jährige zunächst in England auf. Als Hommage an das Land, das ihren Eltern Zuflucht vor den Nazis gab, bekam sie den Namen der englischen Königin. Neben dem aristokratischen Einschlag fand aber auch die politische Einstellung der Eltern ihren Weg in den Namen der Tochter: Toni war der heimliche Name ihres kommunistischen Vaters, der im Widerstand gegen die Nazis kämpfte.

Eher Wienerin als Österreicherin

Kurz nach dem Krieg kehrte die Familie nach Österreich zurück – in jenes Land, dem ein Großteil ihrer Verwandtschaft nicht hatte entkommen können. "Es war eine nicht sehr menschenfreundliche Heimat für uns. Ich bin damit aufgewachsen, dass jederzeit wieder etwas passieren kann", sagt die vielfach ausgezeichnete Journalistin, die 1991 den Österreichischen Staatspreis erhielt. Bis heute sieht sie sich als Wienerin, nicht so sehr als Österreicherin. "Ein Land ist keine Heimat in dem Sinn, sondern ein Fleck dieses Landes oder ein paar Menschen dieses Landes."
Die Erfahrung ihrer Eltern sei es auch gewesen, die sie zu Beginn ihrer Karriere angetrieben habe. Sie wollte erkunden, wie es zu den Verbrechen der Nazis kommen konnte. Und ob das wieder möglich sei. Schon als junge Journalistin spezialisierte sich Elizabeth T. Spira darauf, ihren Landsleuten vor laufender Kamera unbequeme Fragen zu stellen. Bis heute kann sie nicht anders: "Ich kratze mit Freude am rot-weiß-roten Lack".

"Ich bin eine Geschichtensammlerin"

Nach ihrer Arbeit beim Wochenmagazin "profil" wechselte Elizabeth T. Spira Anfang der 1970er-Jahre zum ORF und entwickelte dort die Dokumentarfilmreihe "Alltagsgeschichten". Seit über 20 Jahren ist sie zudem Gastgeberin der bekanntesten Kuppel-Show des österreichischen Fernsehens. "Liebesg'schichten & Heiratssachen" wurde zum Quotenhit und gilt heute als Kult. Was den Erfolg ihrer Sendung ausmacht, kann Elizabeth T. Spira nicht mit Bestimmtheit sagen. "Vielleicht ist es einfach eine gute Sendung", ist ihre zurückhaltende Vermutung. Außerdem helfe womöglich ihr Ansatz, sich nicht in reiner Empathie für ihre Kandidaten zu verlieren. "Ich bin eine Geschichtensammlerin. Das ist wahrscheinlich auch mein Talent: Dass ich gut Geschichten erzählen kann und das Wesentliche finde. Also nicht so viel in Anteilnahme schwelge, was ja viele machen, was ich völlig uninteressant finde."
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