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Kommentar
Olympische Spiele - und keiner darf hin?

In vier Monaten starten die Olympischen Spiele in Rio. Doch die Vorfreude wird überschattet von Doping- und Korruptionsskandalen in der Leichtathletik und beim Schwimmen. Dazu noch der Meldonium-Rausch. All das dürfte nicht nur dem IOC-Präsidenten Thomas Bach große Sorgen bereiten, kommentiert Andrea Schültke.

Von Andrea Schültke | 03.04.2016
    Stell Dir vor, es sind Olympische Spiele, und keiner darf hin!
    Sicher ein Horror-Gedanke für Thomas Bach – den ranghöchsten Sportfunktionär der Welt. Der IOC-Präsident aus Deutschland sieht seinen ersten Sommerspielen entgegen und das wahrscheinlich mit großen Sorgenfalten auf der Stirn. In knapp 120 Tagen trifft sich die Jugend der Welt in Rio de Janeiro, und es droht ein Teilnehmerschwund.
    Der Grund: Doping. Skandale von flächendeckendem Ausmaß bei den russischen Leichtathleten. Ihre Teilnahme in Brasilien steht stark auf der Kippe. Auch die Läufernation Kenia könnte dopingbedingt in Rio fehlen.
    Stell Dir vor, es ist Leichtathletik, und große Nationen dürfen nicht hin?
    Hinter den Kulissen wird wohl heftig nach einer Lösung gesucht, um das zu vermeiden. Aber es kommt noch schlimmer: Gerade geht die zweite olympische Kernsportart baden: Denn auch im Schwimmen kommen immer mehr Dopingfälle ans Licht: Zu allem Überfluss schon wieder in Russland. Jetzt also auch noch die Schwimmer aus dem Land des Bach-Freundes Putin? Auch China ist betroffen. Das große Land nach dem Dopingskandal in den 90ern – im Schwimmen schon wieder ein Reich der Mittel?
    Es könnte ungemütlich werden. Denn die Regeln des Welt-Schwimmver- bandes FINA sagen: Gehen etwa im Beckenschwimmen vier Athleten einer Nation internationalen Kontrolleuren innerhalb eines Jahren ins Netz und werden verurteilt – droht der gesamten Nation fürs Beckenschwimmen das Aus. Das Risiko für die russischen und chinesischen Schwimmer ist hoch.
    Stell Dir vor, es ist Schwimmen, und große Nationen dürfen nicht hin?
    So schlimm wird es wohl nicht werden, denn gerade bei russischen und chinesischen Schwimmern hat die FINA in ihrem eigenen Regelwerk noch immer ein Schlupfloch gefunden. Die wegen Dopings sanktionierten Stars durften nach verkürzter Sperre schnell wieder ran. Und waren bei entscheidenden Wettbewerben am Start.
    Stell Dir vor, es ist Olympia, und alle dürfen hin?
    Das wird auf keinen Fall passieren. Denn im Gewichtheben hat der Weltverband die Bulgaren schon Ende vergangenen Jahres suspendiert. Der Grund: zu viele Dopingfälle. Aber dass sie nicht dabei sind, interessiert wohl nur wenige.
    Und da ist ja noch Meldonium. Der Glaube, es sei leistungssteigernd, ist unter Spitzensportlern offenbar sehr weit verbreitet. Seit Jahresbeginn steht es auf der Verbotsliste, sorgte aber bisher schon für etwa 130 positive Tests. Fast täglich kommen neue hinzu. Auswirkungen auf Olympiamannschaften sind noch völlig unklar. Es sind also nicht mehr nur verkrustete Strukturen, korrupte Funktionäre und skrupellose Ärzte und Trainer, die den Sport zerlegen. Athleten mischen kräftig mit. Es scheint, als pfeifen sich so einige von ihnen alles rein, was geht. Nach dem Motto: erlaubt ist, was nicht gefunden wird.
    Ihre sauberen Kolleginnen und Kollegen stehen gleich mit am Pranger. Denn wer sollte ihnen noch glauben? Und wenn ja, wie frustriert müssen sie sein in dem Wissen oder der starken Vermutung, es sei ein unfairer Wettbewerb, den sie nicht gewinnen können? Oder es werden im August Olympiasieger gefeiert, die dann Monate oder Jahre später ihre Medaillen wieder zurückgeben müssen, weil sie bei Nachtests aufgeflogen sind.
    Stell dir vor es gibt Medaillen, aber die nur auf Zeit?
    Und es geht ja noch weiter: Russische Apotheken melden einen rasanten Anstieg der Verkaufszahlen von Meldonium-Mitteln, seit Tennisstar Maria Scharapowa damit positiv getestet wurde. Die Käufer: Amateurathleten und Breitensportler, die es ausprobieren wollten. Soviel zum Thema Vorbildfunktion von Athleten. Die Sorgenfalten dürften immer tiefer werden auf der Stirn des IOC-Präsidenten.
    Stell Dir vor, es sind Olympische Spiele, und sie wissen nicht, was sie tun...