Ökoproduzentin Kathrin Görne

Pflanzenseife und Schafwolle aus Brandenburg

06:03 Minuten
Eine kleine Schafherde auf einer Weide.
Schafwolle - ein unterschätztes Material: Warm und wasserabweisend, eignet sie sich perfekt für Outdoor-Pullover. © Unsplash / Ariana Prestes
Von Ernst-Ludwig von Aster · 27.10.2020
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Weil Synthetik und Baumwolle den Textilmarkt dominieren, landet Schafwolle derzeit oft im Müll. Nicht bei Kathrin Görne: Die ehemalige Kunstlehrerin produziert in Brandenburg in Handarbeit Wolle und Bioseife aus Pflanzenöl. Die Nachfrage ist groß.
Kathrin Görne blickt konzentriert über den blauen Mund-Nasen-Schutz, bewegt langsam den Küchenmixer in der großen Schüssel.
"Das ist eine weihnachtliche Seife, duftet wunderbar nach Orange und Zimt, ein Tüpfelchen Vanille. Und die muss ja auch schön glänzen."
Es riecht nach Weihnachten in der Seifenküche im kleinen Örtchen Wilkendorf in Brandenburg.
"Mein ältester Sohn ist ein Hautallergiker, der wird dieses Jahr 30 Jahre alt", erzählt Kathrin Görne. "Der hatte ein endogenes Ekzem, und vor 30 Jahren war die Biokosmetik gerade so am Anfang. Was machst du da, wenn du nicht laufend Cortison auf der Kinderhaut haben willst? Also habe ich angefangen, Seife selber zu machen. Und so ist es bis heute."

Altes Handwerk als berufliche Alternative

Seit 30 Jahren macht sie Seife. Ohne chemische Zusätze, mit niedrigerem pH-Wert und höherem Fettgehalt. Erst für ihren Sohn, dann für die ganze Familie, dann für Freunde…
"Irgendwann kam die Idee, warum gehst du damit nicht auf die Märkte." Und dann in die Geschäfte und in den eigenen Onlineshop.
"Ich wollte immer schon handwerklich arbeiten", sagt die 55-Jährige. Sie füllt die Seife in die Formen, legt zwei Handtücher darüber. Eigentlich ist Kathrin Görne Kunstlehrerin. Doch vor zehn Jahren stieg sie aus dem Schulbereich aus, die Gesundheit machte nicht mehr mit.
In der kleinen Diele stehen Plastikkisten mit abgepackter Seife, bereit für den Marktverkauf. Gleich daneben wartet ein Spinnrad. Das ist Teil der neuesten Geschäftsidee:
"Ich liebe Wolle, ich habe auch schon rumgeäppelt, ich muss mal ein Schaf gewesen sein. In irgendeinem früheren Leben war ich bestimmt ein Schaf."

Viele Berliner als Kunden

Rein geht es in die Gummistiefel, raus aus dem alten Vorsteherhaus, zu den Schafen. Den Vorproduzenten in der Stoffkette.
"Der Bedarf ist da. Wir haben ja viele Berliner Kunden. Und die Qualität der selbstverarbeiten Wolle wird mehr und mehr geschätzt. Also steigt man da ein."
Eine Frau mit weißen Haaren, grauer Hose und lilafarbener Jacke steht auf einem von Bäumen umgebenen Wiesenstück und krault ein Schaf.
Im Märkisch-Oderland hat sich Kathrin Görne eine neue Existenz aufgebaut.© Deutschlandradio / Grenzgänger / v. Aster
Sich selbst versorgen, soweit es geht, und mit handwerklichen Produkten naturverträglich das nötige Zusatzgeld verdienen – das ist ihr Geschäfts- und Lebensplan.
"So alt bin ich noch nicht, und von irgendwas muss man leben. Und Tierarzt, Futter, das sind alles Rechnungen."
200 Meter weiter, auf einer alten Obstwiese, warten die männlichen Schafe. Drei Hammel, die Weihnachten als Braten enden. Und Gottfried, der für weiteren Nachwuchs sorgen wird:
"Der ist ein gotländisches Pelzschaf", erklärt Görne.

Die Qualität der Schafwolle wird unterschätzt

Gottfried rammt erst mal den Reporter mit seinem dicken Schädel, um klar zu machen, wer hier Chef auf der Weide ist. Dann reibt er sich an Kathrin Görne. Die krault den dichten Wollpelz: "Diese feine lockige Wolle mag ich sehr."
Weißgrau, fein lockig, sehr stabil, wasserabweisend.
"Die Wolle hat bei uns dann einen sehr hohen Lanolin-Anteil, das sogenannte Wollfett, und das ist wasserabweisend. Wolle kann achtmal so viel Wasser aufnehmen wie ihr Eigengewicht, das kann kein anderer Rohstoff."
Trotzdem will heute kaum jemand Schafwolle haben. Baumwolle und Synthetik dominieren den Bekleidungsmarkt. Nur feine Merinowolle, die meist aus Übersee kommt, lässt sich direkt auf der Haut tragen. Für gröbere Schafwolle, eigentlich perfekt für Outdoor-Pullover, interessiert sich kaum jemand.
"Wird immer noch weggeschmissen, wird vergraben, sie versuchen es zu kompostieren. Du bezahlst pro Tier beim Schafscherer mindestens 5 Euro."

Arbeiten mit den Händen und mit alten Maschinen

Draufzahlen und die Wolle als Gartendünger verwenden? Nicht mit Kathrin Görne. Sie und ihr Mann holten die ersten Gotlandschafe von einem Gnadenhof in Schleswig-Holstein. Dann machten sie sich auf die Suche nach alten Maschinen, denn Schafwoll-Produktion ist ein hochmechanischer Prozess:
"Das ist mit extrem viel Arbeit verbunden. Die Wolle muss erst mal gewaschen werden, dann muss das trocknen, dann muss ich das durch die Kardiermaschine jagen, durch die große Maschine. Und dann noch über feines Nadelband. Und dann ist sie so, dass man sie spinnen kann. Aber das alles mit einem Handspinnrad oder einer Handspindel zu spinnen, das geht nicht", sagt Kathrin Görne lachend.
Eine hundert Jahre alte Kardiermaschine fanden sie an der Rhön, nun suchen sie nach einer Spinnmaschine. Um die Produktion zu erhöhen.

Die Nachfrage ist da

"Früher gab es ja diese Wollspinnereien, in Sachsen, in Thüringen, in Görlitz soll es eine riesige Spinnerei gegeben haben. Die Maschinen sind spätestens nach der Wende alle irgendwohin verschwunden, wer noch eine hat, kann sie uns bringen."
Vielleicht finden wir eine Maschine in Rumänien, sagt Kathrin Görne. Oder in Bulgarien. Bis dahin wird sie weiter mit ihren Mitstreiterinnen am Spinnrad sitzen. Und Kleinstmengen produzieren. Mit denen sie die Nachfrage bei Weitem nicht decken kann. Nebenbei wird sie aber noch ihr Seifensortiment erweitern. Um eine schafige Komponente:
"Was ich jetzt auch gelernt habe, dass man nicht nur das Schaffett verseift, sondern auch die Wolle. Keratin in der Wolle macht die Seife auch sehr pflegend."
Ein Schaf-Seifen-Produktions-Zyklus, ganzheitlich und handwerklich. Und dass hier in Zukunft das Wollgeschäft vielleicht eine kleine Renaissance erlebt, hat sich mittlerweile herumgesprochen:
"Hier im Märkisch-Oderland gibt es etliche Alpaka-Züchter, die auch die Wolle wegschmeißen. Ich kenne aber schon zwei, die sagen: Kannste haben, kannste haben. Na, warten wir mal, was nächstes Jahr alles sackweise bei mir aufschlägt."
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