Ökologie muss Spaß machen!

20.10.2008
In seinem Buch "Energiewende" konfrontiert Rob Hopkins den Leser zunächst mit einer banalen Gewissheit: Die Ölvorräte gehen zur Neige. Die Konsequenz: Schon jetzt sollten wir unsere Lebensweise umstellen und auf Schafe statt auf den Rasenmäher setzen.
Der Klimawandel war lange ein Tabu-Thema. Bis heute aber ein Tabu-Thema scheint die Tatsache geblieben zu sein, dass uns dummerweise auch noch das Öl ausgeht. Was tun?

Im Sommer dieses Jahres erreichte der Ölpreis einen neuen Höchststand. Warum? Weil Öl immer knapper wird. Eine deutsche Expertengruppe, die "Energy Watch Group", in der unter anderen auch Vertreter der Deutschen Bank und der deutschen Tankstellenbranche sitzen, geht davon aus, dass das Maximum der weltweiten Ölförderung 2006 erreicht wurde und nicht mehr zu steigern ist. Der Hirsch-Report der US-Regierung prognostiziert, dass in 10 bis 15 Jahren die Ölproduktion sinken wird. Der Frage "Was dann?" nimmt sich das Buch des Briten Rob Hopkins an, dessen Titel nicht passender sein könnte: "Energiewende – Das Handbuch. Anleitung für zukünftige Lebensweisen".

In Großbritannien und Irland herrscht im Moment eine Art umweltbewusster Aufbruchsstimmung, der sich seit 2006 35 Gemeinden angeschlossen haben, ausgelöst von Rob Hopkins.
Hopkins, Jahrgang 1970, ist kein Genie; er war schlicht im richtigen Moment am richtigen Platz, um eine ökologische Symbolfigur in Irland und Großbritannien zu werden, denn Rob Hopkins ist der erste Professor auf dem ersten offiziellen Universitätslehrstuhl weltweit für "Permakultur" ("permanente Agrikultur"), die seit 2006 auch von den Vereinten Nationen propagiert wird. Die "Permakultur" hat zwei Aspekte, einmal den praktischen einer Art weitgehender Selbstversorgung der Bürger mit Energie, Wohnraum und Nahrungsmitteln, also Schafe statt Rasenmäher, Besen statt Laubgebläse usw.

Der zweite Aspekt der "Permakultur" mag manchem noch utopischer erscheinen; er fordert, dass Menschen in Zukunft nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander leben und handeln. Das beginnt mit der radikalen Forderung von Hopkins, jeder möge doch mal zuerst seinen Nachbarn grüßen.

35 britische und irischen Gemeinden haben sich in den letzten zwei Jahren zu "Transition-Towns" zu "Energiewende-Städten" erklärt, wobei die unabhängigen, hierarchiefreien Bürgerinitiativen rein basisdemokratisch bzw. "anarchistisch-chaotisch aber effizient" (Zitat Hopkins) arbeiten und nicht von den Kommunalpolitikern gelenkt werden.

Dafür, dass die "Energiewende-Bewegung" gerade erst begonnen hat, hat sich relativ viel getan: Ein großer Bewusstseinsprozess und Motivationsschub hat stattgefunden; Stadtbibliotheken schaffen Informationsmaterial an; Schulen nehmen die Idee der "Permakultur" in den Unterricht auf. In Privatgärten und öffentlichen Parks werden Nutzbäume gepflanzt, Nuss- und Kirschbäume zum Beispiel; Arbeitsplätze für alternative Lehmhäuser werden geschaffen; Gemeinden erklären sich zu plastiktütenfreien Zonen usw. Und die britisch-irische "Energiewende-Bewegung" hat internationale Ableger bekommen. Neben australischen und neuseeländischen Gemeinden hat sich in diesem Sommer auch die erste deutsche Gemeinde der Energiewende-Stadt-Bewegung angeschlossen, der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

"Energiewende – Das Handbuch. Anleitung für zukunftsfähige Lebensweisen" besteht aus den drei Teilen "Kopf", "Herz" und "Hand". Der "Kopf"-Teil informiert über den wissenschaftlichen Stand der Erdöl-Diskussion und das Gegenmodell der Permakultur. Das "Herz"-Kapitel entwirft positive Visionen und beschreibt die psychologischen Vorgehensweisen, die es braucht, um Menschen zu motivieren, wobei sich Hopkins der Therapieformen von Suchtkranken bedient. Der "Hand"-Teil des Buches schildert fallartig jene Prozesse, die in den einzelnen Gemeinden seit Gründung der Bewegung 2006 stattgefunden haben. In einem Extra-Kapitel stellt die deutsche Journalistin Annette Jensen deutsche Bürgerprojekte vor, die bereits schon unabhängig von der "Town-Transition-Bewegung" in Deutschland existieren, wie zum Beispiel die beiden Gemeinden Schönau im Schwarzwald und Jühnde bei Göttingen, die sich vom Energiemarkt vollständig abgekoppelt haben und ihren Strom vollständig selber produzieren. Oder da gibt es den niedersächsischen Ort Bohmte, wo man komplett alle Ampeln und Verkehrszeichen abmontiert hat. Resultat: deutlich weniger Unfälle. Experten schätzen, dass sieben Millionen Verkehrszeichen, - 1,5 Milliarden Euro Anschaffungskosten-, in Deutschland überflüssig sind.

Rob Hopkins´"Energiewende – Das Handbuch. Anleitung für zukunftsfähige Lebensweisen" ist keine besserwisserische Öko-Fibel, sondern eher ein Öko-Thriller. Das Buch schockiert, weil es zeigt, dass die Welt glaubt, wenn sie den CO2-Austoß in den Griff bekäme, könne sie so weitermachen wie bisher, was aber eher eine Werbestrategie der Automobilbranche ist. In Wahrheit geht spätestens in 50 Jahren das Öl zur Neige. Das Buch elektrisiert aber auch, weil es zeigt, wie viel jetzt schon praktisch möglich ist. Hopkins schreibt mit einer herrlichen Unbekümmertheit, - mit Absicht, denn nichts sei schlimmer, als die Menschen mit Horror-Szenarien einer Gesellschaft ohne Öl in eine Schockstarre zu versetzen. Ökologie muss Spaß machen: Hopkins´ Rezept: keine Bürgerinitiative ohne Party. Lachen ist erlaubt bei der Lektüre; köstlich statuiert Hopkins, dass alle, die eine Energiewende-Initiative gegründet haben, sich nach einigen Wochen wünschten, das nie getan zu haben.

Rob Hopkins´"Energiewende – Das Handbuch. Anleitung für zukunftsfähige Lebensweisen" bietet Fakten, Unterhaltung und Internet-Links, und es macht Mut: Ein Buch, das in jeder Stadt- und Schulbibliothek stehen sollte.

Rezensiert von Lutz Bunk

Rob Hopkins: Energiewende - Das Handbuch. Anleitung für zukunftsfähige Lebensweisen
Übersetzt von Waltraud Götting, Xenia Osthelder, Edgar Peinelt, Andreas Simon dos Santos
Zweitausendeins Verlag 2008
236 Seiten, 33 Euro