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Folgen des EU-Importverbots
Russischer Hüttenkäse aus Plastik

Seit 2014 gilt das russische Importverbot für bestimmte Lebensmittel aus der EU. Dies hat negative Auswirkungen für die deutsche Landwirtschaft und auch für den russischen Verbraucher. Da Milch in Russland Mangelware ist, findet sich im Hüttenkäse auch schon mal Plastik, Palmöl oder Gips.

Von Oliver Soos | 16.08.2016
    Milchglas mit Münzen
    Viele deutsche Bauern bleiben auf ihrer Milch sitzen. Bis zum vergangenen Jahr ist ein Schaden von über 700 Millionen Euro entstanden, so die Bundesregierung. (dpa / Paul Zinken)
    Im August 2014 präsentiert die Regierung in Moskau eine Liste mit Produkten, die ab sofort nicht mehr aus dem Westen importiert werden dürfen. Es sind vor allem Milchprodukte, Fleisch, Obst und Gemüse. Die Auswirkungen sind enorm, auch für Deutschland. Viele deutsche Bauern bleiben auf ihren Produkten sitzen. Bis zum vergangenen Jahr ist ein Schaden von über 700 Millionen Euro entstanden, so die Bundesregierung.
    Für die russische Landwirtschaft war es die Chance, zu wachsen und sich zu modernisieren und sie hat diese Chance genutzt, sagt der russische Ministerpräsident, Dmitri Medwedew:
    "Die Einführung der Gegensanktionen war für unsere Landwirtschaft günstig. Auf dem Markt ist eine Nische freigeworden, die unsere Landwirte besetzen konnten. Im letzten Jahr hatten wir eine gute Getreideernte, mehr als 104 Millionen Tonnen. Die Produktion von Fleisch hat zugenommen. Der Agrarsektor erlebt einen Aufschwung."
    Brennbarer Käse
    Schlecht ist das Importverbot für den russischen Verbraucher. Zum einen leidet die Qualität der Produkte. Ein Video des Internetmagazins "fontaka.ru" sorgte in Russland für Aufsehen. Eine Reporterin hat auf einem St. Petersburger Markt Hüttenkäse gekauft. Sie nimmt einen Löffel davon und hält ihn über einen Bunsenbrenner:
    "Es riecht ganz klar nach Plastik und es fängt sofort an zu spritzen. Es entstehen weiße Kügelchen, wie bei Popcorn. Furchtbar, wenn man sich vorstellt, was da wohl drinnen sein mag. Das hier, was man eigentlich nicht Hüttenkäse nennen dürfte, ist brennbar und es brennt schon sechs Minuten lang."
    Am Ende verwandelt sich der Hüttenkäse in eine schwarze Masse. Offenbar war er mit Zusatzstoffen gepanscht. Russische Medien berichten immer wieder von Milchprodukten, die mit Palmöl oder Stärke gestreckt wurden, sogar Kreide oder Gips wurde in manchen Produkten gefunden.
    Milchengpass in Russland
    Das Importverbot hat in Russland für einen Milchengpass gesorgt. Dadurch sind auch die Verbraucherpreise deutlich gestiegen. Ein Liter Rohmilch kostet in Russland fünf Cent mehr, als im EU-Durchschnitt. Die Bürger bekommen das zu spüren, klagt Pavel Grudinin, Leiter einer der größten staatlichen Agrarbetriebe in Russland:
    "Die Leute haben angefangen zu sparen. Butter und Sahne ersetzen sie durch pflanzliche Fette. Viele essen deutlich weniger Fleisch, als von den Gesundheitsorganisationen empfohlen wird und andere sparen, indem sie generell weniger essen."
    In Moskau sind die Menschen deutlich wohlhabender, als im Rest des Landes, deshalb werden die Sanktionen und Gegensanktionen hier sehr unterschiedlich wahrgenommen:
    "Ich habe noch nicht einmal gespürt, dass wir Sanktionen abbekommen haben."
    "Europa spürt das viel mehr als wir."
    "Russland ist ein reiches Land und alles wird wunderbar."
    "Ich finde die Sanktionen sehr schlimm. Der Dollar ist gestiegen."
    "Die Löhne sind gesunken. Die Inflation ist schlimm. Die Situation ist sehr schlecht."
    "Schlecht sind die Sanktionen. Wir müssen jetzt überlegen: was essen wir, was kaufen wir, wo fahren wir noch hin."