Nutbush in Tennessee

Tina Turners alte Schule wird zum Pilgerort

Sängerin Tina Turner bei einem Besuch der Armani-Fashion-Show in Mailand im Februar 2011.
Sängerin Tina Turner bei einem Besuch der Armani-Fashion-Show in Mailand im Februar 2011. © AFP/ Giuseppe Cacace
Von Michael Groth · 11.01.2016
Nutbush City Limits – Tina Turner machte den Ort, in dem sie geboren wurde und zur Schule ging, weltweit populär. Heute leben in Nutbush nur noch wenige Menschen - aber ihre alte Schule kann jetzt besichtigt werden.
Sonia Outlaw-Clark, Chefin des "Kulturzentrums von West-Tennessee" im Städtchen Brownsville, strahlt. Das Erbe Tina Turners, der bekanntesten Bewohnerin dieser Gegend, hat ein neues Zuhause:
"Die Schule wurde 1889 gebaut. Sie verbrachte ihre ersten acht Schuljahre hier. Es ist eine historische Schule – eine der wenigen Schulen, die damals für Schwarze gebaut wurden: ein einziger Raum, in dem alle unterrichtet wurden. Am Anfang mussten die Eltern jeden Monat einen Dollar hinlegen, damit der Lehrer bezahlt werden konnte."
Die alte Schule Tina Turners steht nicht mehr auf dem Feld in Nutbush, dem Geburtsort der Sängerin. Sie steht – für Touristen verkehrsgünstig - neben dem Kulturzentrum, direkt an der Autobahnausfahrt der I-40, eine Stunde östlich von Memphis.

Ein Farmer wollte alles abreißen

Der Farmer, auf dessen Feld die Schule stand, wollte das Gebäude abreißen. Sonia überzeugte die entscheidenden Leute in Brownsville, man sammelte ein paar tausend Dollar, organisierte einen Tieflader und verfrachtete das Holzhaus direkt neben das Kulturzentrum.
In einer Gegend, in der die Geschichte der afro-amerikanischen Bevölkerung kaum dokumentiert ist, war dies, so Sonia Outlaw-Clark, doppelt wichtig. Der kleine Raum, ausgestattet mit Schulbänken und einem Pult, schickt den Besucher auf eine Reise, zurück in eine Zeit, in der Bildung für Schwarze mit Mühe und schwierigen Bedingungen verbunden war – und getrennt von der weißen Bevölkerung stattfand.
Bis zu 50 Schüler zwischen sechs und zwölf fanden in der hier ausgestellten und nur rund 30 qm großen Einraum-Schule mitunter Platz.
"Das ist alles original hier. Wir haben das Gebäude von einem Feld in Nutbush geholt und hierher gebracht. Es drohte, auseinander zu fallen. Das meiste konnten wir retten. Was fehlte, holten wir uns aus einer anderen alten Schule in der Nähe. Die stand sogar schon etwas länger, aber es ist die gleiche Ära."

Von Turners Geburtsort ist nicht mehr viel übrig

Tina Turner wurde unter dem Namen Anna Mae Bullock in Nutbush, geboren, dem Ort, den sie später im gleichnamigen Song unsterblich macht. Von dem Ort entlang Highway 49, wie Turner ihn besingt, ist heute nicht viel übrig.
"Die Kirche gibt es noch, gleich da drüben. Gin House - damit ist die Baumwollfabrik gemeint, arbeitet auch noch. Wenn wir suchen, dann finden wir hier vielleicht noch ein "Outhouse", ein Plumpsklo im Freien. Nutbush ist nicht selbstständig, von "Stadtgrenzen" kann nicht mehr die Rede sein. 25 Meilen Höchstgeschwindigkeit, das mag damals so gewesen sein. Whiskey bekommst Du hier noch immer nicht."
Auch die Läden gibt es nicht mehr. Die wenigen Menschen, die heute noch in Nutbush leben, fahren ins rund zwanzig Kilometer entfernte Brownsville zum Einkaufen. Die weltweite Tina Turner-Gemeinde stört dies wenig – sie will nach Nutbush. Vieles hier sieht noch genauso aus wie früher. Hier hat sich nichts entwickelt. Die Fans kommen trotzdem hierher. Sie wollen Tinas Heimat sehen.
Einmal im Jahr, im September, kommen die Fans nach West-Tennessee. Sie hören die Musik ihrer Heldin, sie feiern Partys, und, seit einem guten Jahr, können sie sich das Tina Turner-Museum anschauen, das gemeinsam mit der Schule errichtet wurde.
Die Künstlerin bezahlte die Inneneinrichtung, und sie stiftete das, was man so stiftet um die Gemeinde zu erfreuen: ein altes Highschool-Jahrbuch, Briefe, Fotos, goldene Schallplatten, Konzertvideos. Besonders angetan ist Sonia von den Bühnenkostümen.
Brownsville hat rund 10.000 Einwohner, 60 Prozent sind Afro-Amerikaner. 21 Prozent der Bürger leben unterhalb der Armutsgrenze. Unter solchen Voraussetzungen ist es nicht leicht, Kultureinrichtungen zu schaffen und zu erhalten. Sonia Outlaw-Clark ist dennoch optimistisch.
"Das ist alles privat finanziert. Der Stadt Brownsville gehört das Kulturzentrum, und sie haben den Umzug der Schule finanziert. Und Tina hat auch eine ganze Menge dazugegeben."

Zur Eröffnung eine Videobotschaft

Tina Turner, inzwischen 75, lebt heute zurückgezogen in der Schweiz. Ihr Museum hat sie noch nicht besucht, aber sie schickte zur Eröffnung eine Videobotschaft, die in der alten, neuen Schule jederzeit abgerufen werden kann. Adressaten sind neben den Fans auch die Kids aus Brownsville, die jetzt ein neues Vorbild haben.
"Jeder hat einen Traum. Ohne Bildung kann dieser Traum nicht wahr werden. Wenn Du Dir treu bleibst, wenn Du Deine Ziele verfolgst, dann stellt sich Erfolg ein. Schwierige Zeiten sollten Euch nicht davon abbringen. Wer diese Schule besucht, der findet das Beispiel eines Mädchens, das hier aufwuchs, und das, trotz aller Widerstände, aus ihrem Leben etwas machte."
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