Nürnberg

Entzauberung der Götterwelt

Von Franziska Stürz · 30.11.2013
Die Gier nach Macht, die Verschwendung der Ressourcen und das Zusammenbrechen von Wertesystemen - darum geht es in Richard Wagners Stück "Das Rheingold". Regisseur Georg Schmiedleitner hat das Stück nun packend inszeniert - ohne viel Brimborium und in ausgezeichneter Besetzung.
Wie aus einem Tarantino-Film entsprungen, wollte Regisseur Georg Schmiedleitner die Welt der Wagner-Götter auf die Nürnberger Bühne bringen und ihnen vor allem lebendige, menschliche Züge verleihen.
Tatsächlich zeichnet die neue Rheingold-Produktion eine schonungslose, auf das Wesentliche reduzierte Lesart aus, in der die Götterwelt entzaubert und so auch entromantisiert wird. Die Rheintöchter, wie auch die Götter, bewohnen einen von Stefan Brandmeyer offen gehaltenen Bühnenraum, der im Hintergrund durch einen mit Plastikfolien verschmutzten Schling - oder Grünpflanzenvorhang begrenzt ist.
Auch der Bühnenrand wird von leeren Plastik Wasserflaschen in schimmernden Haufen gesäumt. Das Thema Resourcenverschwendung kommt auch beim Anblick des Rheingoldes in den Sinn, das in flüssiger Form in Kanistern gelagert wird - Stichwort "flüssiges Gold" als Sinnbild für Öl?
Regisseur Schmiedleitner bleibt bei den zwangsläufig vorgesehenen magischen oder zauberischen Elementen dem Text der Oper treu, nimmt die Zauberspielchen aber nicht besonders ernst. So verwandelt sich Alberich - großartig gesungen und überraschend sympathisch verkörpert von Antonio Yang - in eine fette, aufblasbare Made und wird dann als Gummikröte von Wotan auf den Boden geklatscht und gefangen genommen.
Nürnberger Ensemble glänzt bei Aufführung
Überhaupt spritzt in dieser Inszenierung nicht nur viel Wasser, sondern auch Blut, wenn neben ausgiebigem Morgensex zwischen Fricka und Wotan, Alberich von Wotan und Loge mit Fußtritten gequält wird und ihm der Finger samt Ring mit einer Heckenschere abgeschnitten wird. Auch das Leiden der Göttin Freia in der Gewalt der Riesen wird plastisch an ihrem geschundenen Körper sichtbar.
Das Nürnberger Ensemble glänzt bei vollem Einsatz mit hervorragenden sängerischen und schauspielerischen Leistungen. Egils Silins übernahm als souveräner Gast kurzfristig die Rolle des Göttervaters, und Vincent Wolfsteiner überzeugte trotz Schnupfen als pfiffiger Loge.
Marcus Bosch bot üppigen, schwelgerischen Wagnerklang and den opulenten Schlüsselstellen, wie dem Gang nach Walhall, wo das Auge mit Nüchternheit konfrontiert war. Generell nahm er das Orchester aber bei durchsichtigem, straffem Spiel so weit zurück, dass die Sänger in der direkten Akustik des Nürnberger Hauses stets hervorragend zu hören waren.
Dadurch geriet der Klangteppich bisweilen etwas spröde, aber die bewusst eingesetzte Schlichtheit passte zu dieser durch die Darstellung packenden, drastischen Inszenierung. Großartig die auf der Seitenbühne als goldene Unterhosenmännchen mit Gasmasken ausstaffierten Nibelungen- Schlagzeuger, deren Schmiedethema sich perfekt mit dem Orchesterklang mischte.
Nürnberg präsentiert mit diesem Einstig in den Ring zum Ausklang des Jubiläumsjahres 2013 zweieinhalb Stunden packend und verständlich erzählten, mit Action geladenen Wagner ohne viel Brimborium in ausgezeichneter Besetzung.
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