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Französische Romantik
Vokalmusik von Cherubini, Hérold, Boisselot und Catel

Cherubini, Boisselot, Catel, Hérold - von diesen Komponisten der französischen Romantik hat die Mezzosopranistin Karine Deshays sechs Werke mit dem Ensemble Opera Fuoco unter der Leitung von David Stern eingespielt. Auf "French romantic Cantatas" finden sich auch unbekanntere, aber spannende Werke der Epoche.

Von Klaus Gehrke | 08.06.2014
    Ein Stapel mit CD-Rohlingen (Compact Disk), aufgenommen am 13.11.2007
    Neu auf dem Plattenmarkt: "French romantic Cantatas", beim Label Palazetto Bru Zane erschienen. (picture-alliance/ dpa - Armin Weigel)
    Der Titel ist schon ein wenig irreführend: Denn bei den eingespielten Werken handelt es sich zum einen keineswegs um Kantaten im sakralen Sinne. Und zum anderen sind unter den sechs Stücken zwei reine Instrumentalwerke. Aber die haben dann doch auch wieder mit Gesang zu tun: Immerhin handelt es sich dabei um zwei Opernouvertüren. Die eine davon stammt beispielsweise aus Cherubinis Oper "Medea".
    Französische Musikinstitution
    Cherubini, 1760 in Florenz geboren, ließ sich 1786 in Paris nieder und avancierte dort rasch zu den populärsten romantischen Opernkomponisten seiner Zeit in Frankreich. Als er 1842 in Paris starb, trauerte das ganze Land um den Verlust einer "Musikinstitution" - denn viele junge Komponisten suchten den alten Cherubini auf, um ihr Talent testen zu lassen. Mit den wechselnden Machtverhältnissen im Land - immerhin erlebte er die letzten Jahre Ludwigs XVI, die Revolutionszeit, Aufstieg und Fall Napoleons, Restauration und Bürgerkönig Louis Philippe sowie erneute Revolution mit - hatte der Komponist keine Probleme. Er passte sich an die jeweilige Situation an und schrieb sowohl katholische Messen als auch Revolutionsopern. Darüber hinaus griff Cherubini immer wieder die in Frankreich überaus beliebten Stoffe aus der griechischen Antike auf; das zeigt sich nicht nur in der 1797 uraufgeführten "Medea", sondern auch in der kleinen Kantate "Circe", die acht Jahre zuvor für die einflussreiche Pariser Loge Olympique entstand.
    Szene statt Kantate
    Cherubinis Kantate könnte man auch getrost als dramatische Szene bezeichnen - denn sie ist ähnlich wie entsprechende Werke des empfindsamen Stils und der Frühklassik konzipiert: Auf eine meist ruhige Instrumentaleinleitung folgt ein längerer rezitativischer Teil, den eine Arie abschließt. Diese Art Mini-Oper bot Singstimme wie Begleitung gleichermaßen die Möglichkeit, von zärtlich sinnend bis wild herausfahrend sämtliche Ausdrucksregister zu ziehen. Das nutzte auch der 1791 geborene Louis-Ferdinand Hérold in der 1811 komponierten lyrischen Szene "Ariane": Die Tochter des kretischen König Minos, ist mit Theseus, der mit ihrer Hilfe das Ungeheuer Minotaurus erschlagen und den Weg aus dem Labyrinth gefunden hat, auf der Insel Naxos gelandet. Ihre Liebe zu dem griechischen Helden wandelt sich in verzweifelten Hass, als sie bemerkt, dass Theseus sie heimlich verlassen hat.
    Spezialisten für französische Romantik
    Karine Deshayes, die an der Pariser Sorbonne studierte, ist seit 1998 Ensemblemitglied der Opera Lyon und gab bisher zahlreiche Gastspiele unter anderem an der New Yorker Metropolitan Opera, dem Teatro Real in Madrid oder den Salzburger Festspielen. Schwerpunkte im umfangreichen Repertoire der französischen Mezzosopranistin bilden die Werke der Wiener Klassik und der französischen Romantik. Das Orchester Opera Fuoco feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen; gegründet wurde es 2004 von dem Dirigenten David Stern, dem Sohn des weltberühmten Geigers Isaak Stern. Opera Fuoco widmet sich hauptsächlich dem bekannten und nicht so bekannten Repertoire des 18. und 19. Jahrhunderts, das die Musiker im Sinne der historisch informierten Aufführungspraxis interpretieren.
    Eher unbekannte Werke, aber spannende
    Kaum bekannt ist hierzulande etwa der 1773 in der Normandie geborene Charles-Simon Catel, dessen Werke zu Zeiten der Französischen Revolution gefeiert wurden. Zu ihnen gehört die 1802 uraufgeführte Oper "Semiramis", deren Ouvertüre David Stern und Opera Fuoco auf ihrer neuen CD eingespielt haben. Nicht nur Catel, sondern auch Xavier Boisselot und gewissermaßen auch Louis-Ferdinand Hérold sind im Vergleich zu Luigi Cherubini außerhalb von Frankreich kaum bekannt. Für sie und andere Komponisten der französischen Romantik setzt sich das Label Palazetto Bru Zane ein, das sich genauso für unbekannte Werke großer Meister interessiert: Beispielsweise gab das Label vor Kurzem einen Livemitschnitt von Jules Massenets fast völlig vergessener Oper "Le mage" heraus. Auch die jetzt veröffentlichte CD ist mit den exzellent interpretierenden Mitwirkenden Karine Deshayes, Opera Fuoco und David Stern eine echte Bereicherung für das klassische Repertoire. Einziger kleiner Wermutstropfen ist für mich der ziemlich starke Nachhall der Aufnahmen, der an einen großen Kirchenraum erinnert. Und den verbindet man ja normalerweise mit Kantaten.