EU-Urheberrechtsreform

Streit um Uploadfilter

15:52 Minuten
Teilnehmer einer Demonstration des Bündnisses "Berlin gegen 13" gegen Uploadfilter und EU-Urheberrechtsreform im Artikel 13 halten Transparente hoch.
Demo gegen die EU-Urheberrechtsreform: Tausende Menschen protestierten in Berlin gegen Artikel 13 und drohende Uploadfilter. © dpa / Christoph Soeder
Von Yannic Hannebohn, Daniel Bouhs und Paul Vorreiter · 04.03.2019
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Europa bekommt ein neues Urheberrecht: Gegner des Reformvorschlags kämpfen vor allem gegen drohende Uploadfilter, die drastische Folgen haben könnten. Zu den Befürwortern der geplanten Maßnahmen gehören Verlage und die Kreativindustrie.
Seit Monaten diskutiert das Internet über die neue Urheberrechtsreform, vorgeschlagen von der EU-Kommission: Besonders über den Artikel 13, der Dienstanbietern im Internet vorschreibt, wirksame Erkennungstechniken einzusetzen, um Urheberrechte auf ihrer Plattform nicht zu verletzen. Die Technik, die dabei ganz automatisch mitgedacht wird, auch wenn sie nicht explizit im Gesetzestext genannt wird, heißt Uploadfilter.

Was ist eigentlich so schlimm an Uploadfiltern? Das wollten wir von der Piratenpartei wissen, die das zwischen den EU-Mitgliedsstaaten ausgehandelte Gesetz besonders stark kritisiert. Yannic Hannebohn war beim Berliner Stammtisch.

Was befürchten die Kritiker der Reform?

"Es wird genau das Schlimmste passieren, und das Schlimmste ist: Dass die Gerichte sagen werden, der Paragraf sagt 'Alles an Anstrengung muss unternommen werden', dazu gehört ein Uploadfilter, egal ob der funktioniert oder nicht."
Franz-Josef Schmitt ist unzufrieden, wütend geradezu – genau wie alle anderen Mitglieder der Berliner Piratenpartei hier in der Bar in Berlin-Neukölln. Die EU wird vielleicht in ein paar Wochen ein Gesetz verabschieden, das das Hochladen von Bildern, Musik, Texten – eigentlich jeglichem Material – verkomplizieren wird – das sagen sie.
"Wir bestellen gleich noch mal was Kleines." – "Ne gibt nichts. Nur Flips." – "Nur Flips? Keine Snacks?"
Falls die Reform kommt, könnten Plattformen und Webseitenbetreiber dafür haftbar gemacht werden, wenn auf ihrem Angebot urheberrechtlich geschütztes Material zu finden ist. So steht es in Artikel 13 des Entwurfs. Für die Piraten und viele Gegner hieße das automatisch: Dass Webseiten Inhalte noch vor der Veröffentlichung filtern müssten, darauf ob das Hochgeladene anderen gehört, um Strafen zu vermeiden. Kurz gesagt: Webseiten bräuchten Uploadfilter.

Uploadfilter mit Folgen für Satire und Wissenschaft

"Wenn ich ein Foto mache", erklärt Franz-Josef Schmitt, "das sehr ähnlich ist oder ein geschütztes Objekt drauf ist, in Anführungszeichen vielleicht ein Logo, von einem Hersteller drauf ist, vielleicht ein Auto wo man die Marke erkennen kann und das Logo direkt zu sehen ist. Dann kann es auch sein, dass dieses eigene Foto von mir nicht mehr hochgeladen wird. Und dann ist der Post eben unmöglich. Wenn ich zum Beispiel irgendwas, ein Bildchen, das sind ja diese Memes. Das ist alles nicht mehr möglich.
Memes, das sind witzig-ironsiche Bilder im Internet, sie bedienen sich häufig an urheberrechtlich geschütztem Material und überdrehen es zu komplett neuen Aussagen. Zwar sagt die EU explizit, dass Memes und die sogenannte Netzkultur vom Gesetz ausgenommen sind - die Piraten sagen Uploadfilter wären aber längst nicht intelligent genug zwischen Satire und unsatirischer Verwendung von Material zu unterscheiden. Inhalte wie Satire oder Zitate würden, aus Vorsicht, nicht mehr zugelassen werden – oder sie würden verspätet veröffentlicht, weil ihre vorläufige Sperrung mühsam durch Menschen wieder freigegeben werden müsste.
"Wissen verdoppelt sich, wenn man es teilt", steht auf einem in Wahlplakat der Piratenpartei mit Franz Josef Schmitt im Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus von Berlin im Sommer 2016
"Wissen verdoppelt sich, wenn man es teilt": Franz Josef Schmitt auf einem Wahlplakat der Piraten.© imago / Stefan Zeitz
Auch bei akademischem Material wären Filter rigoros, sagt Franz-Josef Schmitt, der für die TU Berlin wissenschaftliche Paper im Netz veröffentlicht:
"Meine Aufgabe ist es die Paper zu verbreiten – das würde mir alles rausgefiltert werden. weil das sind alles Verlagseigentümer. Was ich mache, ist: Ich hole mir die Rechte von den Verlagen. Die Rechte, das weiter zu verwerten, da gibt es ein extra Recht in den Unterlagen von denen, dass ich die Möglichkeit habe, auf der eigenen digitalen Form, auf einer Website heißt es da – zu publizieren. Wenn aber ein Upload-Filter existiert, kann ich das nicht mehr nutzen. Ich kann dann Twitter und Facebook an der Stelle nicht mehr benutzen."

Zweifel an der Umsetzbarkeit der Filterung

Aber der könnte ja so trainiert werden, oder?
"Ja der könnte, hätte. Jetzt sind wir wieder bei 'der könnte, hätte'. Ich kann doch kein Gesetz machen in der Hoffnung, dass was so kommt, dass das Gesetz Sinn macht. Ich muss doch warten bis es da ist und dann gucken ob das hinreichend ist."
Es gibt dieses berühmte Foto von Martin Langer von Rostock-Lichtenhagen 1992, das Bild zeigt zwei Männer, einen mit Hitlergruß. Der Fotograf hat verschiedene Leute, die dieses Bild verwendet haben, dafür abgemahnt, unter anderem Jan Böhmermann und Kai Diekmann. Wäre es nicht mit einem Uploadfilter viel besser gelaufen? Weil dieses Bild herausgefiltert worden wäre und diese Privatpersonen nicht hätten Zahlen müssen, weil die Software sie davor geschützt hätte?
"Ich kann doch nicht 80 Millionen in Geiselhaft nehmen, weil zwei Leute sich kriminell verhalten", sagt Franz-Josef Schmitt. "Das wär so ähnlich als würde ich eine Ausgangssperre verhängen in ganz Berlin weil nachts Verbrechen geschehen. Also es ist eine unzumutbare Belastung des freien Internets."

Kritik am geplanten Leistungsschutzrecht

Die Uploadfilter sind nicht der einzige Kritikpunkt der Piraten, auch dass kleinste Vorschauen aus journalistischen Veröffentlichungen fortan vergütet werden sollen, passt ihnen nicht. Link-Steuer oder Leistungsschutzrecht heißt diese Regelung, sie ist ebenfalls Teil der vorgeschlagenen Urheberrechtsreform.
"Ich find einen Artikel ganz toll irgendwie im Spiegel oder in der Bildzeitung, der auf Bild Online steht, und sage: Schau das dir mal an, will den posten, erklärt Franz-Josef Schmitt. "Dieser Post würde so nicht erscheinen. Jetzt kann man sagen: Ja gut, das ist ja auch Springers Eigentum, das ist ja ok. Aber unsere Sorge ist eben, und ich glaube die ist sehr berechtigt: Dass es sehr weit geht.
Das Urheberrecht sollte anders geregelt werden finden Piratinnen und Piraten. Ihr Gegenvorschlag: Eine ungefilterte Veröffentlichung von Inhalten im Netz bei der Urheber pro Klick bezahlt werden. Mit Ausnahme von Inhalten, die zur freien Verwendung freigegeben werden. Das klingt fair – aber die technische Umsetzung so aufwendig wie Uploadfilter.

Es gibt aber auch Fans der geplanten europäischen Urheberrechtsreform: viele Verbände der Kreativindustrie, die Verwertungsgesellschaften und auch viele Urheber selbst. Sie werben dafür, dass Internetplattformen dafür bezahlen, dass Nutzer Musik und Filme ins Netz laden. Daniel Bouhs hat Menschen getroffen, die sich die Reform des Urheberrechts wünschen.

Was loben die Befürworter der Reform?

Auf einen Kaffee in der Hauptstadtrepräsentanz der GEMA – in weitläufigen Räumen nahe dem Hauptbahnhof. Michael Duderstädt ist dabei, der Direktor des Bereichs "politische Kommunikation", und Micki Meuser, der einst "Die Ärzte" produzierte und heute Filmmusik macht. Er sagt: Dass Nutzer Filme und Musik auf Plattformen laden, ehre die Urheber eigentlich, wer habe schon etwas gegen Fans. Er habe aber ein Problem damit, dass daran vor allem die Plattformen verdienen – mit dem Verkauf lukrativer Werbeplätze um das hochgeladene Material.
"Das, was ich herstelle, generiert Geld im Silicon Valley", sagt Micki Meuser. "Und es ist wohl zu verstehen, dass ich es nicht gerecht finde, wenn ich was herstelle, dass jemand anderes die Wertschöpfung macht und mir nichts abgibt."
Zumindest mit Youtube hat die GEMA allerdings einen Vertrag: Googles Videoplattform vergütet Künstler bereits, wenn ihre Musik in Videos auftaucht, die Nutzer hochgeladen haben – und das ganz ohne Urheberrechtsreform. Stimmt, sagt GEMA-Lobbyist Duderstädt, aber:
"Zum Vertrag der GEMA mit YouTube muss man sagen, dass es ein freiwilliger Vertrag ist vonseiten YouTubes, und dass es ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ist."

Auf Augenhöhe mit den Internetkonzernen

Das ist die zentrale Botschaft der Urheberrechtsreform: Kreative sollen bei Internetkonzernen keine Bittsteller mehr sein. Im Gegenteil: Sie sollen auf die Kreativen zugehen und Verträge schließen. Die EU-Kommission spricht von einem "Level playing field": einem Spielfeld für alle. Diese Augenhöhe zwischen Internetkonzernen und denen, die Inhalte liefern, vermissen bislang auch die Verlage.
Im 17. Stock des Axel-Springer-Verlags. Dietrich von Klaeden, Konzerngeschäftsführer Public Affairs, steht am Fenster seines fast schon übertrieben aufgeräumten Büros:
"Wir schauen auf den Berliner Westen – auf den Tiergarten, auf den Potsdamer Platz und vor allen Dingen auf das alte historische Zeitungsviertel Berlins, in dem früher im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, mehrere 100 Zeitungen und Zeitschriften beheimatet waren."
Heute setzen Verlage aufs Digitale, auch die Springer-Blätter "Bild" und "Welt". Google bindet über seine Suchtreffer die Artikel von Verlagsseiten mit ein, Facebook über die Beiträge von Nutzern. Na gut, so werden Inhalte verbreitet. Aber die Verlage würden dafür auch gerne etwas sehen.
"Hier sprechen Zwerge mit Riesen", sagt Dietrich von Klaeden. "Und weil das so ist, brauchen wir eine Rechtsgrundlage, auf der wir uns verständigen können, weil der Markt ein Stück weit keine Balance hat."

Google nutzt Verlagsinhalte

Auf einem Tablet schauen wir uns die Suchtreffer von Google an – am Beispiel "Brexit". Es wimmelt nur so von Links auf Verlagsseiten, darunter auch auf Artikel der "Welt". Springer-Manager von Klaeden glaubt: Diese Verlagsinhalte helfen Google dabei, Werbung zu verkaufen, sagt er:
"Ohne die journalistisch-redaktionellen Inhalte wäre es ein Angebot, das lange nicht so werthaltig wäre und das sich auf jeden Fall nicht in der Weise vermarkten ließe, wie das mit unseren Inhalten der Fall ist."
Dazu komme: Vielen Nutzern reichten schon Schlagzeilen, die oft den Kern einer Nachricht enthalten. Sie kämen dann gar nicht rüber auf die Seiten der Verlage – gut für Google, blöd für die Verlage. Die hoffen deshalb, dass mit der Urheberrechtsreform ein sogenanntes Leistungsschutzrecht kommt und Google und Co. zahlen müssten. Kritiker fürchten allerdings Kollateralschäden.
Reporter: "Nehmen wir dieses Forum. Da geht es um Multiple Sklerose. Angeboten wird unter anderem auch immer eine Presseschau, die dann verlinkt zu 'T-Online', zur 'Ärzte-Zeitung' etc. Sind das Angebote, die auch dafür bezahlen sollen?"
Dietrich von Klaeden: "Es ist so, dass Pressespiegel nicht unter das Leistungsschutzrecht für Presseverlage fallen, sondern den sogenannten Pressespiegel-Paragrafen im Urheberrecht."
Außerdem seien Zitate unter Umständen erlaubt. Und überhaupt: Das Leistungsschutzrecht greife nur, wenn hinter Seiten ein Geschäftsmodell liege, ein Abo- oder Werbemodell wie bei Facebook. Aber: Ja, dann wollten Verlage Geld.

Wie tolerant können Filter sein?

Bilder aus dem Kinofilm "Shrek". Reinmontiert: der Europaparlamentarier Axel Voss, der Vorkämpfer für die Reform. In dem Video kämpft er gegen seine Kritiker – unterlegt mit Filmmusik. Der Musikproduzent Micki Meuser ist nicht begeistert:
"Ich finde das kein besonders schönes Beispiel. Ich finde das fast beleidigend."
Die sogenannten Uploadfilter müssten aber so tolerant eingestellt sein, dass das durchgehe – die Technik, da ist er sich sicher, könne das. Filtersysteme kämen aber ohnehin nur dann in Frage, wenn Plattformen sich weigerten, Kreativen etwas zu bezahlen. Ansonsten hätten auch die Künstler etwas davon, dass ihre ursprünglichen Werke von Nutzern neu zusammengesetzt würden, sagt er:
"Ist ja auch egal, ob das dann eine Parodie ist oder ob es ein wirklich hochgeladenes Werk ist mit dem originalen Filmausschnitt. Es würde die Musik erkannt und Hans Zimmer würde seine berechtigten Tantiemen bekommen."
Und dann wäre die Welt in Ordnung – jedenfalls für die Kreativen, die für die Urheberrechtsreform werben.
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