Nouvelle cousine im Altersheim

Von Barbara Frandsen · 20.07.2005
Die Verpflegung im Altenheim genießt keinen besonders guten Ruf. Dass es auch anders geht zeigt der junge preisgekrönte Koch Oliver Pudimat. Im Altenheim Emmaus verwöhnt er seine Gäste und lädt zum Schlemmen ein.
" Der Teller muss leuchten soll sagen, die Produkte haben ja 'ne Grundfarbe von der Natur aus und diese Farbe soll nach dem Kochen noch erhalten sein oder noch kräftiger sein..."

Oliver Pudimat, 25 Jahre jung, 197 Meter groß und breitschultrig, verwöhnt täglich 170 alte Frauen und Männer zwischen 63 und 100 Jahren mit delikaten Gaumenfreuden – nämlich mit Frischkost.

" Wir wissen wie es geht und machen uns die Arbeit mit dem Blanchieren vorher, dann Eiswasser abschrecken, dann verteilen auf Locheinsätze und dann halt so wie wir es brauchen, zeitnah aufdämpfen, Butter drüber und zum Bewohner ... dann haben wir grünen Brokkoli, der ist weich und schmeckt und es macht Spaß zu essen … das kann man schicken. Wenn das so paf, paf, paf, nimm mit und dann 'ne Sauce drüber, dass man nichts sieht..."

Tütensuppen und Saucen sind wahrlich nicht Oliver Pudimats Sache. Am liebsten kocht er große Menus, alles aus frischen Produkten. Dabei wollte der junge Mann nach der Mittleren Reife gar nicht Koch werden. Schwere Brummis über Autobahnen fahren wie Papa, der Berufskraftfahrer, davon träumte schon Klein-Oliver. Doch die Mutter war dagegen. Als die Suche nach einem Ausbildungsplatz zum Fernsehtechniker erfolglos blieb, machte er ein Kochpraktikum im Maritim und anschließend in der Küche eines Kölner Restaurants – eine gute Entscheidung.

" Nach vierzehn Tagen hat er zu mir gesagt, ich könnte die Ausbildung anfangen Ich sollte es mir überlegen. Da hab ich gesagt: "Da brauch ich nicht überlegen. Ich mach die Ausbildung." Und da hatte ich meinen Ausbildungsplatz in der Tasche - also auch wieder die Sache angegangen und ran."

Das ist typisch für den jungen Meisterkoch. Auch beim Altenheim Emmaus stand nach kurzem Einstellungsgespräch fest: Genau die Stelle in dem Haus bietet mir gute Berufschancen.

")Ich habe Wünsche und Träume und wenn ich etwas haben will, dann muss ich etwas dafür tun. Ich bin jetzt anderthalb Jahre hier, und arbeite gerne hier und hab ja noch alle Möglichkeiten, die man sich denken kann. Nen großes Unternehmen, da sind so viele Positionen zu besetzen, gehen Leute in den Ruhestand ..."

Die Berufswahl kann so falsch nicht gewesen sein. Im letzten Jahr kochte der junge Spitzenkoch gar mit 40 jungen Kollegen um die Wette und gewann den "Noilly Prat Trophy" für ein Drei-Gänge-Menü. Die Kochtrophäe ging damit erstmals an einen Küchenmeister in der Gemeinschaftsverpflegung. Die alten Damen sind auf ihren Pudimat richtig stolz und freuen sich jeden Tag auf das Mittagessen.
" Ich kann nur sagen, unsere Küche ist ´ne Wucht, ´ne richtige Wucht. Die Hausfrau kann zu Hause auch nicht besser kochen. Die Speisen sind so angerichtet, dass es eine wahre Augenfreude ist. Wir möchten alle mal wieder die Apfelküchlein, die waren phantastisch. Mehr wie loben konnten wir nit… das muss bis oben hingeschallt haben... sind Sie der Chef? "

Lene Großer, Erna Schmidchen und die vielen anderen Frauen können täglich zwischen zwei Hauptgängen wählen, mal gibt es Kohlrouladen, dann Reibekuchen mit Lachs oder Forelle und zweimal in der Woche ein großes Salatbüffet. Als Vorspeise werden richtige Gemüsesuppen wie bei "Muttern" kredenzt und als krönenden Abschluss eine Süßspeise.

Alle sechs Wochen laden Küchenchef Jakob Eich und sein Adlatus Pudimat zu Kaffee und Kuchen ein. Dann dürfen die Frauen und die 14 Männer auch Speisewünsche für die nächste Zeit äußern. Sie haben, so Pudimat, in ihrem Zuhause einen Anspruch darauf, täglich lecker und frisch zu essen.

" Die wohnen ja hier und deswegen denke ich, die kommen hierher zum Essen und haben keine andere Möglichkeit - sie können nicht das Restaurant wechseln. Also kann ich eigentlich jeden Mittag, wenn ich um halb eins rausgehe, und ein positives Feedback bekomme, wieder denken: "So, das kommt gut an, da legst du noch einen drauf."

Die Bewohner sollen sich rundum wohl fühlen und gesund ernähren– das ist die Philosophie der Caritas-Betriebsführungs- und Trägergesellschaft mbH, zu der das Haus und weitere 16 Altenheime gehören. Dazu passt nahtlos, dass die beiden Köche in ihrer Freizeit interessierten Mitarbeitern Kochkurse geben. Beim Bohnen schnibbeln und Saucen zubereiten lernen sich erstmals Kollegen aus den verschiedensten Bereichen persönlich kennen, aus der Führungsetage ebenso wie aus der Pflege.

" Übers Kochen findet man den besten Draht zu diesen Menschen. Man hat dann ein Thema, über das man sprechen kann. Wenn ich mich mit jemand über die Pflege unterhalte, das bringt ja nichts, weil ich keine Ahnung von der Pflege habe. Aber übers Kochen hat so jeder 'nen bisschen Ahnung. Und nachher das gemeinsame Essen verbindet noch mal zusätzlich."

Kochen und gutes Essen verbindet den jungen Mann auch mit seiner Lebensgefährtin Magdalena, die in dem Altenheim als Wirtschafterin arbeitet. Beide schätzen die familienfreundliche Arbeitszeit und die gute, meist heitere Atmosphäre. Wie etwa beim großen Sommerfest. Da trat der Hüne im zartrosa Seidenröckchen als Tanzeleve in einem Männerballett auf und bewegte sich, nun, graziös kann man nicht sagen, er bewegte sich halt zu den Klängen von Tschaikowskys Nussknackersuite. Da hatten die Damen aber was zu lachen. Seither essen s i e noch lieber was e r kocht.

" Das macht mir Spaß und bewegt mich auch, hier weiter hinzukommen. Und die Bewohnerzahl ist ganz angenehm und die Klientel ist gut, man kann auch mal Kaninchen machen oder mal `ne Entenbrust."