Privatmuseum für polnische Kunst eröffnet

"Ein Kunstwerk gehört einem nicht alleine"

Porträtfoto des Museumsbesitzers Werner Jerke
Museumsbesitzer Werner Jerke am 22. April 2016 in Recklinghausen. © picture alliance / dpa / Marcel Kusch
Von Thomas Frank · 24.04.2016
In Recklinghausen hat ein Museum eröffnet, das ausschließlich polnische Kunst zeigt. Der Gründer des Museums, Werner Jerke, hat hier Herausragendes geleistet. Allerdings lief nicht immer alles so, wie es sich der Kunstsammler ausmalte.
Ein architektonischer Hingucker ist es allemal, das neue Privatmuseum für polnische Kunst in der Recklinghäuser Altstadt. Es sieht aus wie ein in Granit gegossenes Modellhaus mit Satteldach.
"Mit der Form wollte ich mich an die Altstadt anpassen. Ein Museum ist, meine ich, auch ein Kunstwerk, und dann hab ich mir gedacht, dann spielen wir noch zusätzlich mit den Materialien. Deswegen entstand das Gebäude wie ein Monolith aus einem Granitstein."
… kommentiert Museumsgründer Werner Jerke. In den Granitklotz sind hier und da Türen und Fenster eingelassen, an die Hinterseite schmiegt sich ein Anbau aus schwarzem Glas. Eher Mausoleum als Museum, das auch nicht so recht in die Umgebung passen will. Zu schroff grenzt es sich von den Gebäuden gegenüber ab: dem Ikonenmuseum mit seiner Goldfassade und der St. Peter Kirche aus Sandstein.
Das Problem: Jerke, der eine Augenklinik in Herten leitet, hat den Bau selbst entworfen.
"Ich hab mit vielen Architekten gesprochen, nur ich hab eigentlich keinen gefunden, der das machen wollte, was ich mir eigentlich vorstelle."

Wie eine Kopie der Bischofsresidenz in Limburg

Also verhandelte Jerke alleine mit der Stadt. Die drängte ihn aber, seinen Entwurf umzugestalten. Dementsprechend wirkt das Museum nun wie eine Kopie der skandalumwitterten Bischofsresidenz in Limburg, nur in blaugrau und mittelmäßiger.
Werner Jerke führt ins Innere seines Museums.
"Hier im Foyer sehen Sie die große Treppe, die auch schon etwas puristisch gestylt ist, also wir haben versucht, hier mit sehr wenig Materialien zu arbeiten. Sie sehen nur Estrich, Betonestrich, Granit, weiße Wände."
Auf zwei Etagen präsentiert Jerke einen Ausschnitt aus seiner Sammlung.
"Was ich zeige, besteht eigentlich aus den Avantgarde-Bildern, die in der Zeit, wo sie entstanden sind, was Neues waren."
So trifft man auf polnische Avantgardisten der 1920er-Jahre wie Władysław Strzemiński. Von ihm zeigt das Museum …
"… die erste wichtige Arbeit, wo er mit der eigenen Richtung 'Unismus' anfängt und bricht mit dem Konstruktivismus von Malewitsch."

Mehr als 600 Werke von polnischen Künstlern erworben

"Schwarze Sprengung des Rechtecks", ein Relief aus einem schwarzen Rechteck, das in vier Teile zerrissen und auf einen weißen Hintergrund drapiert wurde. Es geht um Mathematik, Größenverhältnisse, das Zusammenspiel von Form und Fläche.
Jerkes Leidenschaft für Kunst keimte in Krakau auf. Dort studierte der 58-Jährige noch Geografie, bevor er 1981 nach Deutschland übersiedelte und sich zum Mediziner ausbilden ließ.
"In einer Stadt wie Krakau, wo Sie in jeder Ecke, wenn Sie sich umdrehen, nur alte, gute Architektur, viel Kunst sehen, irgendwann nimmt man das auf wie ein Schwamm."
Inzwischen hat Werner Jerke mehr als 600 Werke von polnischen Künstlern erworben. Damit pflegt er eine lange Tradition der Sammlung polnischer Kunst im Ruhrgebiet. Mit den "Ruhrpolen", die vor über 100 Jahren "tief in den Westen" zogen, dort arbeiteten und die Kultur mit prägten, hat das nichts zu tun. Die Vorlieben für polnische Kunst sind schlichtweg den Sammlungsinteressen der Museen und Privatpersonen geschuldet.
So spezialisieren sich etwa die Recklinghäuser Museen seit mehr als sechs Jahrzehnten auf "Naive Kunst", auch aus Polen. Auch das Bochumer Kunstmuseum sammelt seit seiner Gründung 1960 polnische Kunst.
Um auf die Eröffnung des Museums Jerke einzustimmen, zeigten Bochum und Recklinghausen zusammen mit dem Skulpturenmuseum Glaskasten Marl elf Wochen polnische Kunst. Ist das Ruhrgebiet damit das Zentrum polnischer Kultur?
"Da sind wir am Arbeiten."

Komplett selbst finanziert

Jerke möchte mit seinem komplett selbst finanzierten Museum die Bürger der Region erst einmal stärker mit polnischer Kunst vertraut machen.
"Meine Philosophie ist: Ein Kunstwerk gehört einem nicht alleine. Die Kunst ist eigentlich das Eigentum der ganzen Gesellschaft."
Künstler der polnischen Moderne ab 1960 etwa sind kaum bekannt. Etwa Tadeusz Kantor, der "Joseph Beuys" Polens.
"Das ist eine Arbeit aus den 50er-Jahren, ein informelles Bild."
Ein gestisch-expressives Farbknäuel aus schwarz, weiß, grau, blau und rot.
"Und Sie sehen auch, dass schon in Polen in der Zeit informell gemalt wurde, nicht nur in Amerika."
Aber auch Künstler der postkommunistischen Ära sind vertreten. Sie finden sich vor allem auf der zweiten Etage, die aus Dachschrägen besteht.

Eigene Rolle überschätzt - und trotzdem wichtig

"Am Ende von dem Raum sehen Sie ein vier Meter großes Fenster speziell für das Museum entworfen von einem Spitzenklasse-polnischen-Künstler, Wojciech Fangor, der leider im letzten Oktober verstorben ist."
Ein Fenster in rot, blau und gelb. Die Gemälde schweben auf beiden Seiten, an Metallfäden befestigt, in der Luft. In einem Raum, der sakral wirken soll, erinnert die Hängung jedoch eher an einen Wäscheboden.
Dem Museumsgründer wurde empfohlen, einen Kurator hinzuzuziehen, doch leider schlug er den Rat aus. Doch selbst wenn Werner Jerke seine Rolle als Mäzen überschätzt hat, kann sein privates Kulturengagement nicht hoch genug geschätzt werden: Er beschert der polnischen Kunst außerhalb Polens ein wichtiges Forum. Und natürlich steigert er mit seinem Privatmuseum auch das Prestige der Stadt wie der Region.
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