Aus den Feuilletons

Propaganda via Youtube und Twitter

Mitglieder der Terrorgruppe IS an der syrisch-irakischen Grenzen auf einem nicht näher bezeichneten Foto, das die den Dschihadisten nahestehende Gruppe Albaraka News am 17. Juni 2014 auf Twitter veröffentlicht hat.
Mitglieder der Terrorgruppe Islamischer Staat im irakisch-syrischen Grenzgebiet © dpa / Albaraka News
Von Burkhard Müller-Ullrich · 23.08.2014
Der schreckliche Mord an dem US-Journalisten James Foley durch die Terrorgruppe IS überschattete die Woche. Die mediale Verbreitung von Bildern seiner Enthauptung zeigte ein grundsätzliches Problem der gegenwärtigen Internetkultur.
Ein Video der scheußlichsten Art hat diese Woche überschattet: man sieht die Enthauptung eines lebenden Menschen durch einen Terroristen der Gruppe Islamischer Staat. Dieser Mord an dem amerikanischen Journalisten James Foley und die mediale Verbreitung der Mordszene hängen eng miteinander zusammen, und dieser Zusammenhang stellt für unsere gegenwärtige, um nicht zu sagen: allgegenwärtige Internetkultur ein gravierendes Problem dar.
"Das Video wurde auf Youtube hochgeladen, von dort haben es die Terroristen auf Twitter verlinkt. Die Nutzung von sozialen Netzwerken gehört zu ihrer Strategie",
erklärte die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"Denn die Terroristen der IS wissen, dass sie ihre Botschaft online am schnellsten verbreiten können. Sie sehen, dass Netzwerke wie Twitter und Youtube eine gewisse Zeit brauchen, bis sie reagieren, um Nutzer zu sperren und Videos zu löschen."
30 Minuten reichen, um Tausende von Kopien im Internet zu verteilen und zu verlinken; die Propaganda der angeblichen Gotteskrieger läuft wie geschmiert.
Sie läuft auch in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, die am Donnerstag eine Reportage der in den USA und in Frankfurt niedergelassenen Journalistin Souad Mekhennet druckte. Mekhennet hatte sich mit einem hochrangigen Vertreter der IS im syrisch-türkischen Grenzgebiet getroffen. Der durfte dann schwadronieren:
"Die 'islamfeindliche' Stimmung in Europa und die Diskriminierung hätten ihn auf den 'rechten Weg gebracht' (…). So sei es bei den meisten, die sich aus den Vereinigten Staaten und aus Europa aufmachten, um für das Kalifat zu kämpfen."
Fraglicher Erkenntnisgewinn
Der Erkenntnisgewinn solchen Originaltons ist null, aber die Journalistin und die FAZ kommen ja bloß ihrer heiligen journalistischen Informationspflicht nach, wenn sie einem solchen Terrorgesellen das Wort erteilen. Und bestimmt winkt irgendein Medienpreis für das gefahrvolle nächtliche Interviewtreffen.
Dabei hatte dieselbe FAZ einen Tag zuvor einen Text von Leon de Winter veröffentlicht, der bereits sämtliche Fragen zur Persönlichkeitsstruktur der Dschihadisten beantwortete:
"Die IS-Kämpfer verkörpern all das, was im Laufe der Zivilisation kanalisiert wurde: die sexuellen und destruktiven Energien junger Männer. Der Dschihad kann, wie wir jetzt sehen, diesen Prozess umkehren und die Energien und Bedürfnisse, die junge Männer in einer zivilisierten Gesellschaft unterdrücken müssen, neu fokussieren."
Auch wenn heutzutage Handykameras, soziale Netzwerke, Internetanschlüsse und Kryptografieprogramme im Spiel sind, der mörderische Terror ist derselbe wie im siebten oder dreizehnten Jahrhundert bei den legendären Beduinen, Tartaren und Mongolen. Leon de Winter formulierte es so:
"Die Stimme der Horden ist die Stimme orgiastischer Lust. Diese Horden schlachten Männer und Jungen ab und machen Mädchen und Frauen zu Sexsklavinnen. Die Menschen sind wieder so schutzlos, wie sie es Zehntausende von Jahren waren, bevor wir das Menschenopfer abschafften und mit dem langsamen und schmerzhaften Prozess begannen, unsere grausame Natur zu überwinden. Der Dschihad hat so viel Macht, weil er die mühsam errungenen Beschränkungen ausschalten kann, die wir im Laufe des Zivilisationsprozesses verinnerlicht haben."
Der Zivilisationsprozess stand auch im Hintergrund einer Reportage in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom jüngsten Pow-Wow der Narragansett, eines Indianerstamms im amerikanischen Bundesstaat Rhode Island. David Hesse berichtete von dort Erstaunliches:
Ausgerechnet die Nachfahren der Indianer, die einst Opfer der strikten Rassenpolitik der amerikanischen Regierung wurden – damals galten Vollblutindianer weniger als Halbweiße – betreiben jetzt selbst Rassenpolitik, bloß in umgekehrter Richtung. Hunderte von Stammesmitgliedern – nicht nur bei den Narragansett – wurden hinausgeworfen, weil sie keinen lupenreinen Stammbaum haben.
"Das Bureau of Indian Affairs in Washington zertifiziert Einzelpersonen den indianischen Blutsgehalt bis auf die Bruchstelle in einem amtlichen Ausweis. Gewisse Bundesprivilegien, etwa Bildungsstipendien, gibt es nur von einem Blutsgehalt von einem Viertel. Außerdem führt die Regierung die Liste der anerkannten Stämme. Nur wer da drauf steht, darf zum Beispiel ein Casino betreiben."
Und das ist, wie man im selben Artikel erfuhr, eine erkleckliche Einnahmequelle:

"Die Pala in Kalifornien sollen ihren Angehörigen bis zu 150 000 Dollar pro Jahr und Kopf überweisen können, anderswo ist es noch mehr. Wird die Zahl der Stammesleute verringert, bleibt für die Verbleibenden natürlich mehr übrig."
Die Narragansett von Rhode Island sind allerdings meist arm, der Glückspielbetrieb ist verboten. Hier verlieren die Ausgeschlossenen vor allem die Bindung an die Menschen, die sie einmal als ihr Volk betrachtet haben.
Neues vom Berliner Stadtschloss
Auch vom Berliner Stadtluftschloss hörte man in dieser Woche Neues, und zwar, dass die Spenden, mit denen die Barockfassade finanziert werden soll, bei weitem nicht so üppig fließen wie behauptet, angekündigt und versprochen. Es fehlen, je nach Rechnungsweise, zwischen 50 und 70 Millionen Euro. Der Vorsitzende des Fördervereins, Wilhelm von Boddien zeigte sich jedoch optimistisch, die Vorgabe bis in fünf Jahren zu erreichen – "vorausgesetzt", wie er hinzufügte, "es kommt nicht zu einem Krisenereignis".
Harald Jähner fragte daraufhin in der BERLINER ZEITUNG trocken:
"Kann jemand sich in letzter Zeit an ein Jahr ohne Krisenereignis erinnern?"
Und zum Wochenende legte Jähner noch mal in derselben Zeitung kommentierend und kritisierend nach, indem er auf einen möglichen Rückzug der Berliner Zentral- und Landesbibliothek von dem ganzen Projekt hinwies.
"Der Bau rast dem Richtfest entgegen, die inhaltliche Planung entspricht offensichtlich nicht mal dem Stand der Spendensammlung. Für ein Nachdenken über den Ostflügel war wegen des raschen Baufortschritts angeblich keine Zeit mehr."
So ist nicht nur die Finanzierung, sondern auch die Zweckbestimmung des angeblich bedeutendsten hauptstädtischen Kulturprojekts dieser Dekade unklar.