Nomadenleben erwünscht
Acht junge Regisseure waren Anfang Mai am Münchner Volkstheater zum Festival "Radikal jung" eingeladen. Eine von ihnen: Felicitas Brucker mit ihrem Stück "Engel". Das hat sie noch während ihrer Regieassistenz an den Münchner Kammerspielen inszeniert, inzwischen arbeitet die Theatermacherin jedoch freiberuflich an mehreren Bühnen in verschiedenen deutschen Städten.
"Das ist die Mailbox von Felicitas Brucker, ich freue mich über Nachrichten. Piep."
Sich mit Felicitas Brucker zu verabreden, ist nicht gerade einfach.
"Ich bin dann einfach hundertfünfzigtausendprozentig darin, und es gibt dann eigentlich in erster Linie dieses Leben."
Dieses Leben: Das ist ihre Arbeit. Gerade erst hat Felicitas Brucker ihre Regieassistenz beendet - schon steckt sie mittendrin im Theatergeschäft. Ist zu einem Festival nach München eingeladen. Inszeniert in Berlin eine Uraufführung. Und in Hannover hat die 32-Jährige gerade Premiere gefeiert. Das Stück "Ulrike Maria Stuart" von Elfriede Jelinek handelt von zwei deutschen Terroristinnen, von Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof.
Szenenausschnitt:
"Zeitig früh wird man mich finden, leblos hängend an dem Gitter meines linken Zellenfensters, das Gesicht zur Zellentür gewandt."
Schwere Kost - die sich die junge Regisseurin bewusst ausgesucht hat. Ein bisschen anstrengend muss Theater schließlich sein - erst recht bei Jelinek.
"So eine Art Hassliebe war das auch, und bei der blieb's auch, mit allen Höhen und Tiefen. Ich find das noch wie vor 'ne ganz großartige Sprache und einen Text, der 'ne ganz große Archaik und 'ne Ironie und 'nen Humor hat und 'ne Höhe und 'ne Derbheit, genau das alles vermischt."
Felicitas Brucker ist, wenn man sie schließlich vor sich hat, sehr präsent. Schaut wach aus blauen Augen und redet lange Sätze. Ihr Körper ist mädchenhaft - nicht aber die Haltung: die Beine stehen breit auf dem Boden, die Ellenbogen liegen auf den Oberschenkeln. Sie trägt den dunklen Pony fransig; schwarze Hosen, Nietengürtel, Chucks.
Knapp drei Jahre hat Felicitas Brucker an den Münchner Kammerspielen assistiert, inszeniert dort erste eigene Stücke wie "Engel" und "draußen tobt die dunkelziffer". Und schon während ihrer Assistenz kommen die ersten Angebote von anderen Häusern. Seit einem Jahr pendelt sie jetzt zwischen Freiburg, Hannover, Berlin, Hamburg und München. Die Tage sind immer randvoll - mit Theater.
"Es ist ja kein Beruf, wo man so Nine to Five seinen Job macht und dann abends Freunde trifft, sondern ich bin 150 Prozent darin, auch zeitlich. Ich bin dann auch einfach so im Stoff drin, und wenn ich dann noch in 'ner anderen Stadt bin, wie jetzt Hannover und Freiburg, dann bin ich sowieso zwei Monate mehr oder weniger weg und komm nur selten nach Hause, das macht es schwer für sich, noch den Freundeskreis, der sich außerhalb des Theaters befindet, aufrecht zu erhalten."
Auch für ihren Freund, der im Ausland arbeitet, bleibt nicht viel Zeit. Aber genau dieses unstete Leben habe sie sich ja gewünscht.
"Ich wollte als Kind immer unbedingt zum Zirkus, dass war früher immer so 'nen Riesentraum, weil es mich so fasziniert hat, wenn ich die so gesehen habe, mit ihren Waggons, wie die rumgefahren sind, von Stadt zu Stadt und da gearbeitet haben. Und ich hab in letzter Zeit, als ich gedacht hab, Mensch ich sehe meine Freunde nicht mehr, meine Familie - da hab ich gedacht, na ja, ich wollte es ja schon immer, eigentlich."
Dass sie so viel unterwegs ist, so viel Kraft in ihre Stücke steckt, das gefällt auch anderen. Im vergangenen Jahr hat die Akademie der Künste die junge Regisseurin ausgezeichnet und ihr den Förderungspreis des Kunstpreis Berlin verliehen, dotiert mit 5000 Euro. Sie habe sich unglaublich gefreut, sagt Brucker. Weil es sie in ihrer Arbeit bestätigt. Und darin, dass Theater mehr ist als ein Markt für gefällige Produkte. So hat sie es etwa in England erlebt, wo sie zwei Jahre gewohnt und studiert hat.
"Da wird dann auch ein Shakespeare in drei Wochen mit ein paar Stars, die eingekauft werden, durchgestellt und das ist die Probenarbeit. Ich find aber die Probenarbeit an sich so essentiell, weil das die Zeit ist, in der man sich mit Menschen, mit dem Stoff, dem Thema auseinandersetzt, um tiefer zu gucken, wie man es erzählt kriegt und was gemeinsam darin findet."
Aufgewachsen ist Felicitas Brucker in Stuttgart. Beide Eltern sind Pädagogen und in den 80er Jahren sehr friedensbewegt. Die Tochter ist oft mit dabei, beim Protest auf der Straße - gegen Krieg, für gesellschaftliche Veränderung. Nach einer solch klaren, vielleicht naiven Utopie sehnt sie sich die 32-Jährige auch heute manchmal.
"Wir sind so wie überanalysiert, alle. Man guckt sich die letzten Jahrzehnte an, also die Auseinandersetzung mit der Elterngeneration, mit der Großelterngeneration und man hat so in jedem Jahrzehnt und jeder Generation von Versuchen, von Utopien und von Scheitern gesehen und steht dann da heute vor einem Mosaikbild und fragt sich: Was ist das für uns?"
Antworten auf diese Frage zu suchen, dabei hilft ihr das Theater. Für sie ist es Übungsraum und Denkfabrik, ein Ort, an dem es richtig peinlich werden darf - und soll.
"Ich finde es generell wichtig, auch bei anderen Stücken, sowohl für mich und für so ein Gruppengefühl, dass man sich gemeinsam einen Raum schafft, im Idealfall einen angstfreien Raum, in dem man viel reden und experimentieren kann."
Erst spät im Studium hat sich Felicitas Bucker für Regie entschieden, da war sie bereits 26, das Studium fast fertig. Theaterwissenschaften und Publizistik in München - nebenbei hat sie alles Mögliche ausprobiert. Hat gemalt, getanzt, ist mit ihrer Band aufgetreten, in der sie Bassgitarre spielt. Doch irgendwann merkt sie: hinter der Bühne fühlt sie sich viel wohler.
"Ich kann's vom Gefühl her beschreiben, dass es einfach Proben gibt, die so glücklich machen, dass man einfach weiß, warum man das macht und dass man das machen muss. Letzen Endes faszinieren mich die Menschen, also was tun sich Menschen an, also wie weit gehen die?"
Sich mit Felicitas Brucker zu verabreden, ist nicht gerade einfach.
"Ich bin dann einfach hundertfünfzigtausendprozentig darin, und es gibt dann eigentlich in erster Linie dieses Leben."
Dieses Leben: Das ist ihre Arbeit. Gerade erst hat Felicitas Brucker ihre Regieassistenz beendet - schon steckt sie mittendrin im Theatergeschäft. Ist zu einem Festival nach München eingeladen. Inszeniert in Berlin eine Uraufführung. Und in Hannover hat die 32-Jährige gerade Premiere gefeiert. Das Stück "Ulrike Maria Stuart" von Elfriede Jelinek handelt von zwei deutschen Terroristinnen, von Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof.
Szenenausschnitt:
"Zeitig früh wird man mich finden, leblos hängend an dem Gitter meines linken Zellenfensters, das Gesicht zur Zellentür gewandt."
Schwere Kost - die sich die junge Regisseurin bewusst ausgesucht hat. Ein bisschen anstrengend muss Theater schließlich sein - erst recht bei Jelinek.
"So eine Art Hassliebe war das auch, und bei der blieb's auch, mit allen Höhen und Tiefen. Ich find das noch wie vor 'ne ganz großartige Sprache und einen Text, der 'ne ganz große Archaik und 'ne Ironie und 'nen Humor hat und 'ne Höhe und 'ne Derbheit, genau das alles vermischt."
Felicitas Brucker ist, wenn man sie schließlich vor sich hat, sehr präsent. Schaut wach aus blauen Augen und redet lange Sätze. Ihr Körper ist mädchenhaft - nicht aber die Haltung: die Beine stehen breit auf dem Boden, die Ellenbogen liegen auf den Oberschenkeln. Sie trägt den dunklen Pony fransig; schwarze Hosen, Nietengürtel, Chucks.
Knapp drei Jahre hat Felicitas Brucker an den Münchner Kammerspielen assistiert, inszeniert dort erste eigene Stücke wie "Engel" und "draußen tobt die dunkelziffer". Und schon während ihrer Assistenz kommen die ersten Angebote von anderen Häusern. Seit einem Jahr pendelt sie jetzt zwischen Freiburg, Hannover, Berlin, Hamburg und München. Die Tage sind immer randvoll - mit Theater.
"Es ist ja kein Beruf, wo man so Nine to Five seinen Job macht und dann abends Freunde trifft, sondern ich bin 150 Prozent darin, auch zeitlich. Ich bin dann auch einfach so im Stoff drin, und wenn ich dann noch in 'ner anderen Stadt bin, wie jetzt Hannover und Freiburg, dann bin ich sowieso zwei Monate mehr oder weniger weg und komm nur selten nach Hause, das macht es schwer für sich, noch den Freundeskreis, der sich außerhalb des Theaters befindet, aufrecht zu erhalten."
Auch für ihren Freund, der im Ausland arbeitet, bleibt nicht viel Zeit. Aber genau dieses unstete Leben habe sie sich ja gewünscht.
"Ich wollte als Kind immer unbedingt zum Zirkus, dass war früher immer so 'nen Riesentraum, weil es mich so fasziniert hat, wenn ich die so gesehen habe, mit ihren Waggons, wie die rumgefahren sind, von Stadt zu Stadt und da gearbeitet haben. Und ich hab in letzter Zeit, als ich gedacht hab, Mensch ich sehe meine Freunde nicht mehr, meine Familie - da hab ich gedacht, na ja, ich wollte es ja schon immer, eigentlich."
Dass sie so viel unterwegs ist, so viel Kraft in ihre Stücke steckt, das gefällt auch anderen. Im vergangenen Jahr hat die Akademie der Künste die junge Regisseurin ausgezeichnet und ihr den Förderungspreis des Kunstpreis Berlin verliehen, dotiert mit 5000 Euro. Sie habe sich unglaublich gefreut, sagt Brucker. Weil es sie in ihrer Arbeit bestätigt. Und darin, dass Theater mehr ist als ein Markt für gefällige Produkte. So hat sie es etwa in England erlebt, wo sie zwei Jahre gewohnt und studiert hat.
"Da wird dann auch ein Shakespeare in drei Wochen mit ein paar Stars, die eingekauft werden, durchgestellt und das ist die Probenarbeit. Ich find aber die Probenarbeit an sich so essentiell, weil das die Zeit ist, in der man sich mit Menschen, mit dem Stoff, dem Thema auseinandersetzt, um tiefer zu gucken, wie man es erzählt kriegt und was gemeinsam darin findet."
Aufgewachsen ist Felicitas Brucker in Stuttgart. Beide Eltern sind Pädagogen und in den 80er Jahren sehr friedensbewegt. Die Tochter ist oft mit dabei, beim Protest auf der Straße - gegen Krieg, für gesellschaftliche Veränderung. Nach einer solch klaren, vielleicht naiven Utopie sehnt sie sich die 32-Jährige auch heute manchmal.
"Wir sind so wie überanalysiert, alle. Man guckt sich die letzten Jahrzehnte an, also die Auseinandersetzung mit der Elterngeneration, mit der Großelterngeneration und man hat so in jedem Jahrzehnt und jeder Generation von Versuchen, von Utopien und von Scheitern gesehen und steht dann da heute vor einem Mosaikbild und fragt sich: Was ist das für uns?"
Antworten auf diese Frage zu suchen, dabei hilft ihr das Theater. Für sie ist es Übungsraum und Denkfabrik, ein Ort, an dem es richtig peinlich werden darf - und soll.
"Ich finde es generell wichtig, auch bei anderen Stücken, sowohl für mich und für so ein Gruppengefühl, dass man sich gemeinsam einen Raum schafft, im Idealfall einen angstfreien Raum, in dem man viel reden und experimentieren kann."
Erst spät im Studium hat sich Felicitas Bucker für Regie entschieden, da war sie bereits 26, das Studium fast fertig. Theaterwissenschaften und Publizistik in München - nebenbei hat sie alles Mögliche ausprobiert. Hat gemalt, getanzt, ist mit ihrer Band aufgetreten, in der sie Bassgitarre spielt. Doch irgendwann merkt sie: hinter der Bühne fühlt sie sich viel wohler.
"Ich kann's vom Gefühl her beschreiben, dass es einfach Proben gibt, die so glücklich machen, dass man einfach weiß, warum man das macht und dass man das machen muss. Letzen Endes faszinieren mich die Menschen, also was tun sich Menschen an, also wie weit gehen die?"