Noch nicht Schluss mit lustig

Von Bernhard Doppler · 25.01.2013
Antú Romero Nunes Bearbeitung von Mozarts Don Giovanni ist sehr oft Mitmachtheater, manchmal denkt man auch einer Animation in einem Touristenclub folgen zu müssen. Etwas unfertig scheinen noch der zweite Teil und das schnelle Finale, aber die große komödiantische Energie der Darsteller reißt mit.
Kurz vor der Pause bittet Don Giovanni hundert Frauen unter den Zuschauern zu seiner Party auf die Bühne. Sekt wird angeboten und Masken sind bereitgestellt. Wie diese Party bei Don Giovanni dann abläuft, erfahren die zurückgebliebenen Männer nicht. Der eiserne Vorhang wird herabgelassen, ein Türsteher verwehrt nun mehr den Eintritt, man hört nur laute Discomusik hinter dem Vorhang, vermutlich wird getanzt. Auch nach der Pause im zweiten Teil des Abends bleiben jene hundert Zuschauerinnen weiter auf der Bühne und bekommen von dort also unmittelbar mit, wie der eifersüchtige Massetto (Bruno Cathomas) sich betrinkt, mit Zerline streitet und wieder versöhnt und schließlich sich Don Giovanni – durchaus im Einverständnis – mit dem schwarzen Commendatore (also mit Mozarts Komtur, gespielt von Karin Neuhäuser), dem Tod wohl, zurückzieht.

In Antú Romero Nunes Bearbeitung ist Mozarts Don Giovanni sehr oft Mitmachtheater, manchmal denkt man einer Animation in einem Touristenclub folgen zu müssen. Schon bei der Ouvertüre dirigiert Leporello (Mirco Kreibich) kein Orchester, sondern das Publikum – links und recht in Gruppen teilend oder Männer und Frauen - Wir müssen "Bla-Bla-Bla" in Variationen eine Tonfolge von Mozart singen. Denn Mozart singen – so die Devise des Abends – kann jeder und "macht glücklich!" Das Publikum geht sofort darauf ein.

Klassische Opern von Schauspielern aufführen zu lassen, ist nicht neu: Sebastian Baumgarten ("Tosca" in der Berliner Volksbühne) oder David Marton haben auf diese Weise die Möglichkeiten von Musiktheater de- und rekonstruiert. Antú Romero Nunes und sein musikalischer Kompagnon Johannes Hofmann bieten dabei eine durchaus neue Variante. Zwar steht nicht das Libretto von Lorenzo da Ponte im Mittelpunkt, sondern durchaus die Musik und die einzelnen musikalischen Nummern, doch - unterstützt von einer siebenköpfigen Frauenband - unternehmen die Schauspieler meist gar nicht erst den Versuch, Oper in Kleinformat zu singen. Es bleibt bei Versuchen, oft geradezu abenteuerlichen Versuchen, zu singen - manchmal auch nur einige Takte.

Und dennoch! Viele vertraute Szenen aus Mozarts Oper werden plötzlich überraschend prägnant und zeigen - manchmal zwischen Italienisch und Deutsch wechselnd - eindrucksvoll theatralische Komik: zum Beispiel bei der Registerarie: Leporellos Erklärung vor Donna Anna über Don Giovannis Verhalten. Oder: die Rivalität zwischen Elvira und Zerline oder der sich mit immer wieder neuen nicht enden wollenden Hinweisen auf seine Liebesfähigkeit brüstende Ottavio (André Szymanski), auch wenn er keine Belcanto-Arie singt.

Gegenüber Mozarts "Dramma giocosa" ist die "Bastardkomödie", wie Nunes seinen Don Giovanni nennt, eine Art Barock-Comic (Kostüme: Annabelle Witt) – und Mozart sehr nahe! Vor allem der frauensüchtig kindlich naive Held (Sebastian Zimmler) lässt an den Komponisten, wie er sich etwa in seinen infantil sexuell Briefen äußert, denken. Gegenüber dem naiven sich mit allen Frauen vereinigen wollenden Don Giovanni wirkt sein ebenfalls sehr junger Begleiter Leporello deutlich nachdenklicher.

Etwas unfertig scheinen noch der zweite Teil und das schnelle Finale (der Abgang Don Giovannis von seiner Party) zu sein - aber die große komödiantische Energie der Darsteller reißt mit. Und wenn man auch zunächst staunt, wie schnell und bereitwillig das Publikum in Nunes Mitmachtheater mitspielt – gehört am Ende ein Teil des Publikums zur Inszenierung? - , am Ende ist das Vergnügen über eine große lustvolle Theaterparty allgemein.

Mehr zum Thema finden Sie auf der Homepage des Thalia Theaters Hamburg.