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Iran-Atomverhandlungen
"Iraner haben großes Interesse an Abkommen"

SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich sieht schwierige Zeiten auf die internationale Gemeinschaft zukommen, sollten die Atomgespräche mit dem Iran scheitern. Kritik übte er am Verhalten Israels. Das Land habe sich in eine "selbst gewählte Isolation" begeben, sagte Mützenich im DLF.

Rolf Mützenich im Gespräch mit Christine Heuer | 02.04.2015
    SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich.
    SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich. (dpa/Michael Kappeler)
    Der SPD-Außenpolitiker geht davon aus, dass auch Teheran ein großes Interesse an einem Atom-Abkommen und einem etwaigen, schrittweisen Abbau von Sanktionen habe. Schließlich stünden im Iran Wahlen bevor. Eine Vereinbarung sei nötig, um gesellschaftlichen Fortschritt im Iran zu erreichen.
    Mützenich mahnte verlässliche Beziehungen sowohl zu Israel als auch zu Teheran an. Es brauche ein regional verlässliches Sicherheitssystem. Allerdings habe sich die Regierung Netanjahu nicht zuletzt durch den Siedlungsbau in eine selbst gewählte Isolation begeben.

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Seit fünf Uhr schauen wir auch in dieser Sendung gebannt nach Lausanne, auf die Atomverhandlungen, die dort die Fünf-plus-eins-Staaten mit dem Iran führen über ein Abkommen. Noch haben wir kein Ergebnis dieser Verhandlungen, aber wir haben Rolf Mützenich in der Leitung, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Außenpolitiker der SPD. Guten Morgen, Herr Mützenich.
    Rolf Mützenich: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Sie sind ein einflussreicher Mann. Wissen Sie mehr als wir? Wissen Sie zum Beispiel, woran es hakt in Lausanne?
    Mützenich: Nein. Ich weiß in dem Sinne nicht mehr als die Öffentlichkeit. Und ich glaube, es ist auch gut, dass Vertraulichkeit vereinbart worden ist, weil das war eines der großen Probleme in den letzten Jahren, insbesondere noch, als wir mit der Regierung Ahmadinedschad gesprochen hatten. Da wurde eigentlich keine Vertraulichkeit letztlich auch eingehalten.
    "Dem Iran muss klar sein, dass Vertrauen aufgebaut werden muss"
    Heuer: Das ist jetzt anders. Es dringt in der Tat relativ wenig nach außen. Aber wir wissen schon, worüber gesprochen wird. Lassen Sie uns da einen Punkt mal herausgreifen: die Sanktionen gegen den Iran. Teheran besteht ja darauf, dass die möglichst sofort beendet werden. Stellt der Iran da zu hohe Forderungen?
    Mützenich: Nun, dem Iran muss klar sein, dass Vertrauen aufgebaut werden muss. Deswegen ist insbesondere die Möglichkeit, dass man dies abgeschichtet tut, durchaus nachvollziehbar. Und dem Iran ist ja auch klar: Wir haben verschiedene Sanktionsebenen, sowohl die USA bilateral, die Europäische Union, aber dann insbesondere auch die Vereinten Nationen über den Sicherheitsrat. Das muss man zueinander bringen und ich glaube, es wäre gut, wenn man zu einem abgeschichteten Verfahren kommt.
    Heuer: Das heißt, schrittweise die Sanktionen abbauen?
    Mützenich: In der Tat, weil wir wollen ja auch Vertrauen aufbauen, und wir haben gesehen, in den internationalen Beziehungen geht das auch nur schrittweise, und deswegen, glaube ich, ist es hier notwendig, auch der iranischen Delegation noch mal klar zu machen, dass alle Teilnehmer der internationalen Gemeinschaft an den Gesprächen mit dem Iran, aber auch insgesamt an einem Vertrauensaufbau interessiert sind, der natürlich dann auch mehrere Monate noch braucht.
    "Sicherheitsrat will weiterhin auch ein Wort mitreden"
    Heuer: Dann machen wir das aber mal konkret. Mit welchen Sanktionen sollte man beginnen? Was kann als erstes abgeschafft werden?
    Mützenich: Das wird natürlich jetzt noch mal bei den Verhandlungen genau gesehen werden. Wir müssen beobachten, dass bei den Vereinten Nationen - und das ist ja scheinbar auch eine der Diskussionen - der Sicherheitsrat weiterhin auch ein Wort mitreden will, insbesondere dann, wenn Sanktionen aufgehoben werden und möglicherweise gegen eine Vereinbarung verstoßen wird. Dann ist es das Interesse der derzeitigen Verhandlungen, dass dann sofort zu diesen Sanktionen wieder zurückgegriffen werden kann, und hier gibt es offensichtlich einige Sicherheitsratsmitglieder, die noch ein wichtiges Wort des Sicherheitsrates dann zu dem möglichen Zeitpunkt auch von sich letztlich erwarten. Auf der anderen Seite glaube ich, dass wir durchaus bereit sein können, in bestimmten Bereichen wie zum Beispiel auch der Sicherheit des Flugverkehres im Iran vielleicht schneller zu einem Ergebnis zu kommen.
    Heuer: Was heißt denn das konkret? Das klingt ja alles so diplomatisch, Herr Mützenich, kann ich verstehen. Aber was meinen Sie konkret?
    Mützenich: Ich glaube, dass wir ganz konkret schauen müssen, dass wir innerhalb der Europäischen Union durchaus Bewegungsspielraum in diesem Zusammenhang sehen können, und ich glaube, es geht dann insbesondere darum, die Fragen von lebensnotwendigen Dingen, wie zum Beispiel das, was ich angedeutet habe im Hinblick auf die Wartung von Flugzeugen, auf Flugzeugtechnik, hier dem Iran stärker entgegenzukommen, als wir das in der Vergangenheit getan haben.
    "Wir wollen natürlich eine Vereinbarung haben"
    Heuer: Nun stecken die Verhandlungen vielleicht nicht fest, man weiß das ja nicht so genau, aber es ist auch aus dem Umfeld zu hören, dass der Westen allmählich die Geduld verliert mit dem Iran. Ist das so?
    Mützenich: Wir wollen natürlich eine Vereinbarung haben und deswegen ist es auch richtig gewesen, jetzt noch mal sehr stark auch die Verhandlungen insbesondere durch die Beteiligung der Außenminister zu erhöhen. Ich hätte mir gewünscht, wenn der russische, chinesische und französische Außenminister vor Ort geblieben wären. Ich glaube, das hätte möglicherweise das eine oder andere auch noch mal erleichtert. Aber jetzt ist es so und das zeigt ja auch, dass gerade der Türöffner insbesondere die iranisch-amerikanischen Beziehungen sind, und ich finde es sehr respektvoll, dass der deutsche Außenminister alles im Rahmen seiner Möglichkeiten tut, die Verhandlungen zu einem Erfolg zu führen. Die Iraner - und das haben sie ja auch bereits dokumentiert - haben ein großes Interesse an einer Vereinbarung. Sie stehen vor innenpolitischen Herausforderungen, vor Wahlen, und Präsident Rohani, glaube ich, will ein Abkommen, und das hat auch der Religionsführer akzeptiert.
    Heuer: Ja, aber es ist nun schon so, dass die Konservativen im Iran diesen gemäßigten Präsidenten Rohani unter Druck setzen. Es ist außerdem auch so, dass Barack Obama, wenn es das Abkommen gibt, im Kongress ja gar keine Mehrheit dafür hat. Was ist ein Abkommen, selbst wenn es zustande kommt, dann tatsächlich wert?
    Mützenich: Es ist eine Menge wert, wenn sich beide Seiten darauf verständigen. Es ist dann eine Regierungsvereinbarung und wir würden dann sehen, dass die Strategie von Präsident Obama, seiner Administration, von Anfang an den Iran als Verhandlungspartner zu fordern und auf der anderen Seite auch deutliche Signale an die iranische Gesellschaft zu tun, dann am Ende richtig gewesen ist. Und scheinbar sehen auch mehr und mehr Akteure, insbesondere im religiösen Bereich im Iran, dass eine Vereinbarung notwendig ist, um einen gesellschaftlichen Fortschritt im Iran zu erreichen, weil sie haben erlebt, dass in diesem Umfeld die Bevölkerung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt dann vielleicht auch nicht mehr bereit ist, diese Sanktionen mitzutragen.
    Israel: "Das ist ja teilweise eine sehr selbst gewählte Isolation"
    Heuer: Israel warnt ja vor einem solchen Abkommen. Kann es sein, Herr Mützenich, dass wir, wenn es eins gibt, den Iran aus der Isolation rausholen, aber Israel tiefer in eine neue Isolation hineintreiben?
    Mützenich: Das ist ja teilweise eine sehr selbst gewählte Isolation vonseiten der israelischen Regierung. Wir haben immer wieder in den letzten Monaten versucht, dass Premierminister Netanjahu die Chance nutzt, mit Präsident Abbas zu wirklich geregelten Beziehungen zu kommen. Das hat er bisher verweigert und ich glaube, das ist mehr und mehr auch eine selbst gewählte Isolation, womit die israelische Regierung dann in Zukunft wird auch umgehen müssen.
    Heuer: Und wir nehmen das in Kauf?
    Mützenich: Wir wollen es nicht in Kauf nehmen. Deswegen haben wir ja auch immer wieder sehr stark darauf hingewiesen, dass zum Beispiel der Siedlungsbau ein großes Problem auf diesem Weg ist, und das tut nicht Deutschland alleine, sondern insgesamt die Europäische Union, auch die USA, und ich glaube schon, dass auch in der israelischen Gesellschaft das sehr stark gesehen wird. Wir müssen gucken, welche israelische Regierung jetzt in den nächsten Monaten auch dieses aufnimmt, und ich hoffe, dass sie bereit sind, auch zu verlässlichen Verhandlungen zurückzukehren.
    Heuer: Braucht der Westen den Iran inzwischen einfach mehr als der Westen Israel braucht, angesichts der ja dramatischen Entwicklung im Nahen Osten?
    Mützenich: Wir brauchen einfach verlässliche Beziehungen zum Iran, aber auch zu Israel und auch zu anderen Akteuren in dieser Region, und eigentlich war ja auch immer das das Ziel gewesen, was wir damals 2003 in der rot-grünen Bundesregierung entwickelt hatten. Wir wollen ein regional verlässliches Sicherheitssystem und dazu gehört die nicht Weiterverbreitung von Atomwaffen in der Region, und da sind wir uns eigentlich mit der Mehrheit der internationalen Gemeinschaft einig. Und dass Europa hier an einem Strang gezogen hat beweist ja eigentlich, wie wichtig auch der Versuch ist, immer wieder eine gemeinsame Stimme Europas herzustellen.
    "Auf die internationale Gemeinschaft kommen dann schwere Monate zu"
    Heuer: Herr Mützenich, was ist, wenn das jetzt nicht klappt in Lausanne und wenn es kein Abkommen gibt? Was passiert dann?
    Mützenich: Es wird eine sehr schwierige Situation sein, weil wir erleben ja in der Region nicht nur Bürgerkriege, sondern auch Stellvertreterkriege, und eine zusätzliche Belastung von einem nicht gelösten iranischen Atomkonflikt wird die gesamte Gemengelage erschweren. Und auf die internationale Gemeinschaft kommen dann schwere Monate zu.
    Heuer: Und das heißt im Umkehrschluss, ein schwaches Abkommen ist immer noch besser als gar keines?
    Mützenich: Nein, das heißt es nicht, und das zeigt ja auch gerade das, was von Seiten auch der Verhandlungspartner eingebracht wird. Wir wollen Verifikation, wir wollen Verlässlichkeit, wir wollen schrittweise Vertrauen aufbauen, und das ist letztlich auch das Ziel, und da bin ich der festen Überzeugung, hier ziehen alle an einem Strang.
    Heuer: Ihre Prognose? Wie geht das aus? Haben wir heute ein Ergebnis in Lausanne?
    Mützenich: Wir sollten schauen, dass die Verhandlungspartner auf der einen Seite vielleicht mal ein bisschen Ruhe finden. Ich glaube, das ist auch notwendig, um über vielleicht das eine oder andere noch mal gemeinsam nachzudenken. Und dann wird wahrscheinlich auch noch mal mit vollem Engagement in den nächsten Stunden versucht, ein Ergebnis zu finden.
    Heuer: Und Sie sagen, das geht gut aus?
    Mützenich: Das weiß ich nicht. Es hängt sozusagen an vielen Dingen auch dran. Aber wir müssen alles dafür tun, dass wir ein verlässliches Ergebnis bekommen, was auch insbesondere uns zufriedenstellt, nämlich ein iranisches Atomprogramm, was zu militärischen Zwecken missbraucht werden könnte, in Zukunft zu verhindern.
    Heuer: Rolf Mützenich, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Haben Sie Dank fürs Gespräch, Herr Mützenich.
    Mützenich: Vielen Dank, Frau Heuer. Einen schönen Tag.
    Heuer: Das wünsche ich Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.