"Nobelpreis der Musik"

Von Volker Michael · 23.05.2005
Der Polar Musik Preis 2005 geht in diesem Jahr an den brasilianischen Kulturminister, Komponisten, Sänger und Musiker Gilberto Gil und den deutschen Bariton Dietrich Fischer-Dieskau. Der Preis versteht sich als eine Art "Nobelpreis der Musik" und wird seit 1992 vergeben.
Vergeblich klopfte er bei der Nobelstiftung an – Schwedens wohl erfolgreichster Musikmanager Stikkan Anderson, genannt Stig. Jahrelang versuchte er, einen Nobelpreis für Musik einzurichten. Die Stiftung lehnte ab, allerdings nicht, weil das Preisgeld fehlte. Das wollte und konnte Stig Anderson ja selbst einbringen, denn er hatte sich als Texter und Manager der Gruppe ABBA in den 70er Jahren ein Vermögen verdient.

Nicht ganz rechtmäßig, wie die vier Bandmitglieder meinten, die noch bis 1990 gegen Anderson vor Gericht zogen. Durch die Einrichtung eines Musikpreises sah er wohl die Möglichkeit, seinen Ruf zu retten und sein Vermögen zu veredeln.

Doch die Nobel-Stiftung blieb hart und verwies auf den Willen ihres Gründers Alfred Nobel: Der hatte außer der Literatur eben keine weitere Kultursparte für preiswürdig befunden. Alle Einwände, die Nobel-Stiftung habe schließlich 1969 einen neuen Preis für Wirtschaftswissenschaften eingerichtet, halfen nichts.

Und so stiftete Stig Anderson 1989 seinen Polar-Musik-Preis. Den Namen fand er bei seinem so erfolgreichen Plattenlabel Polar–Records. Die Entscheidung darüber, wer den Preis alljährlich zu bekommen habe, überließ Anderson großzügig der Königlich-Schwedischen Musikakademie.

Rauschend sind die Feste, die jedes Jahr bei der Verleihung des Polar-Musik-Preises in Stockholm gefeiert werden – eine Oscar-ähnliche Zeremonie gehört dazu, bei der der Schwedische König die Urkunden überreicht. Und ein edles Bankett in einem Hotel, bei der die Preisträger Kostproben ihrer frisch ausgezeichneten Fähigkeiten geben können. Ein gesellschaftliches Ereignis für die internationale Musikszene!

Nur große, ohnehin bekannte Künstler erhalten den Polarmusikpreis, für ihr Lebenswerk sozusagen. Peinlich genau achtet die schwedische Musikakademie auf die Balance von Ernster und unterhaltender Musik. Gleich im ersten Jahr 1992 wurde Paul McCartney ausgezeichnet, gleichzeitig erhielten die Baltischen Staaten den Preis als Anerkennung und Unterstützung, da sie sich eifrig um die Wahrung der Urheberrechte bemühten.

Im zweiten Jahrgang erhielten der Jazzer Dizzy Gillespie und der Vater der Polnischen Avantgarde, Witold Lutoslawski den Polarmusikpreis. Der erste deutsche Preisträger war 2001 Karl-Heinz Stockhausen. Die Auszeichnung hatte inzwischen einen solchen Stellenwert erhalten, dass sogar Bundespräsident Johannes Rau ein Grußwort sprach...

Viele berühmte Laudatoren treten in Stockholm auf. Der südafrikanische Bischof Desmond Tutu lobte 2002 Miriam Makeba dafür, dass sie der Welt ungewöhnliche Knacklaute beigebracht habe....

Ähnlich wie die Literatur-Nobelpreisjury sorgt auch die des Polarmusikpreises immer wieder für Überraschungen. 2001 wurde neben Stockhausen und dem amerikanischen Komponisten Burt Bacharach auch der Synthesizer-Pionier Robert Moog ausgezeichnet.

Frauen kamen noch nicht so oft in den Genuss des Polarmusikpreises. Neben Quincy Jones und Joni Mitchell waren es bisher nur Miriam Makeba und die in Hamburg lebende Komponistin Sofia Gubaidulina.

Um den Rang des inoffiziellen Nobelpreises für Musik konkurrieren neben dem schwedischen Polarmusikpreis mindestens zwei weitere Auszeichnungen – der deutsche Ernst-von-Siemens-Musikpreis und der japanische Praemium Imperiale. Die Alfred-Nobel-Stiftung wird keinen von ihnen je in ihre edlen Reihen aufnehmen. Das stört Stig Anderson nicht mehr, er ist 1997 gestorben. Das Blühen und Gedeihen seines Polar-Musik-Preises konnte er aber noch erleben...