Nikolaus statt Weihnachtsmann

Moderation: Joachim Scholl · 06.12.2006
Der Jesuitenpater Eckhardt Bieger beklagt eine Verflachung des Weihnachtsfestes. Zusammen mit der Frankfurter Nikolausinitiative kämpft er für "Weihnachtsmannfreie Zonen" und erinnert an den Heiligen Nikolaus und dessen soziales Engagement. Dies komme dem Sinn des Weihnachtsfestes näher als der allgemeine Kaufrausch, erklärte Bieger im Deutschlandradio Kultur.
Scholl: 6. Dezember, Nikolaus, Süßigkeiten verteilt von einem lieben guten Onkel mit weißem Bart und Zipfelmütze, so stellt man sich den heutigen Tag mitsamt dem Weihnachtsmann gemeinhin vor. Und in diese gemütliche Vorstellung hämmert hart der Ruf nach weihnachtsmannfreien Zonen, das fordert nämlich die so genannte Frankfurter Nikolausinitiative.

Eckhardt Bieger ist Jesuitenpater und spricht für die so genannte Nikolausinitiative in Frankfurt am Main machtvolle Worte gegen den Weihnachtsmann, gegen unsere landläufige Vorstellung vom Herrn im roten Mantel mit Rauschebart und Zipfelmütze. Guten Morgen, Herr Bieger.

Bieger: Guten Morgen.

Scholl: Was haben Sie denn gegen den netten Weihnachtsmann?

Bieger: Dieser Weihnachtsmann ist erst einmal viel zu jung, um mit dem Nikolaus mithalten zu können. Er ist im 19. Jahrhundert in Deutschland entstanden und dann auch nach USA exportiert worden. Und der berühmte rote Mantel, den hat er in den 30er Jahren von Coca-Cola bekommen, weil, die haben ihre Fahrer in der Weihnachtszeit so ausstaffiert wie heute die Nikoläuse herumlaufen. Und wenn man für Coca-Cola Werbung machen will, dann sollte man sich mit dem Weihnachtsmann beschäftigen, wenn man mit der Figur des Nikolaus, dieser Persönlichkeit, die um 300 gelebt hat, dann hat man aber als Mensch mehr davon und das würde auch dem Weihnachtsfest aufhelfen. Das hat der Mann da schon ganz gut erklärt, der aus Italien berichtet hat.

Scholl: Wer war denn der heilige Sankt Nikolaus wirklich?

Bieger: Das war ein Bischof in Kleinasien, Demre heißt die Stadt heute, früher Myra, der durch besonders sozialen Einsatz bekannt geworden ist. Wenn die Kinder heute Nacht, zum Beispiel im Rheinland ist das üblich, etwas in die Schuhe gelegt bekommen, dann geht das auf eine Überlieferung zurück, dass er drei Schwestern, die nicht heiraten konnten, weil der Vater keine Ausstattung bezahlen konnte, denen hat er nachts Goldstücke durchs Fenster geworfen. Er wollte eben unerkannt bleiben. Und dieses Brauchtum haben wir heute noch mit dem so genannten Einlegebrauch.

Scholl: Der Einlegebrauch in den Strumpf, in den Stiefel.

Bieger: Ja.

Scholl: Welchen Schaden richtet denn, Ihrer Meinung nach, jetzt der Kult um den roten Weihnachtsmann an? Lassen Sie uns die Coca-Cola-Frage noch einmal zurückstellen, da sind wir nämlich zu anderen Erkenntnissen gekommen. Was aber beklagen Sie denn eigentlich als kulturellen Schaden?

Bieger: Dass Weihnachten am Ende an den Umsätzen des Einzelhandels gemessen wird. Denn Nikolaus hat bestimmt nichts dagegen, dass die Weihnachtsmärkte funktionieren und dass die Menschen etwas Gutes zu Essen haben an Weihnachten und dass es Geschenke gibt, die hat er ja selber gemacht. Aber diese Verflachung des Weihnachtsfestes allein als Geschenkfest, ohne dass die wahren Werte, die dahinter stecken, zum Ausdruck kommen, dafür steht der Weihnachtsmann. Wir sind dafür, dass die Weihnachtsmänner in Zukunft sich mehr mit dem Nikolaus beschäftigen und zum Beispiel die Kinder hüten, wenn die Eltern durchs Kaufhaus gehen. Und dann sollten sie denen eine Legende des Nikolaus erzählen, denn dann bekommen die Kinder mit, was da überhaupt dahinter steckt und auf was es im Leben auch ankommt.

Scholl: Jetzt fordern Sie sogar weihnachtsmannfreie Zonen und machen Aktionen. Welche sind das denn?

Bieger: Ja gut, das ist ein Gag sozusagen. Wir bekämpfen ja nicht aktiv die Weihnachtsmänner, sondern wir wollen eigentlich nur durch diesen Slogan darauf aufmerksam machen, dass Weihnachten etwas anderes ist, als was diese Weihnachtsmänner verkörpern. Denn das Geschenk an Weihnachten, das ist ja ganz sinnvoll, leitet sich daher, dass Gott seinen Sohn den Menschen geschenkt hat. Insofern ist der Geschenkcharakter mit Weihnachten verbunden, aber nicht in dieser Oberflächlichkeit.

Scholl: Wir sprechen hier im Radiofeuilleton mit dem Jesuitenpater Eckhart Bieger von der Frankfurter Nikolausinitiative, die unter anderem weihnachtsmannfreie Zonen fordert. Sie finden ja auch geistliche Unterstützung, so hat etwa Wilfried Röhmel, Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats in München, auf Anfrage der Nachrichtenagentur ddp geäußert, im Gegensatz zum heiligen Nikolaus sei der Weihnachtsmann "ein hässlicher alter Sack". Das sind ganz schön raue Töne.

Bieger: Ja, also wir würden sagen, irgendetwas trifft er. Aber wir würden jetzt nicht so direkt gegen die Weihnachtsmänner vorgehen, sondern sagen, die sollen sich mit dem Nikolaus beschäftigen und dann werden sie auch anders. Und dann transportieren sie auch auf den Straßen und in den Kaufhäusern die weihnachtliche Botschaft sehr viel besser, als wenn sie nur da rumhampeln. Oder diese Weihnachtsmänner, die da an Hauswänden hochsteigen, was für ein Inhalt ist da drin? Das hat doch mit Weihnachten nichts zu tun.

Scholl: Wie kann denn die institutionelle Kirche, Herr Bieger, diesen Sinn für Traditionen wieder wecken? Kann sie das überhaupt, ohne als Miesepeter und Spielverderber dazustehen?

Bieger: Also ich glaube, dass die institutionelle Kirche hier nicht so viel machen muss, weil es an vielen Orten Leute gibt, die als Nikoläuse auftreten und die auch sich an uns wenden, um neue Geschichten zu hören, neue Ideen zu haben. Und das ist eine Bewegung, das spüren wir dieses Jahr, die sehr viel stärker wird. Man will eben doch von dieser Oberflächlichkeit weg. Und diese Nikolausgilden, Nikolausbruderschaften, die es zum Beispiel in der Gegend von Passau gibt, an der Bergstraße und an vielen anderen Orten, die werden das schon machen. Also ich bin da ganz optimistisch.

Scholl: Ich wollte Sie gerade fragen, inwieweit Ihre Initiative Unterstützung von der Bürgerseite erfährt. Jetzt erzählen sie es aus dieser Warte. Wie ist es denn in Frankfurt, kriegen Sie denn da Zuspruch?

Bieger: Ja, also in Frankfurt haben wir ja das Glück, dass wir eine Nikolaikirche haben. Die meisten wissen nicht, dass diese Nikolaikirchen an den Häfen stehen. Auch in Norddeutschland, an der Ostseeküste gibt es viele Nikolaikirchen, weil Nikolaus der Patron der Schiffsleute ist. Und der dortige evangelische Pfarrer Meyers, der macht jedes Jahr schöne Veranstaltungen, der macht zum Beispiel dieses Jahr einen Rundgang durch Frankfurt, wo er neben der Nikolaikirche eben ins Ikonenmuseum geht. Und dann gibt es ja in dem "Struwwelpeter" diesen Weihnachtsmann, der die Kinder traktiert, das ist ja ein Frankfurter Arzt gewesen. Also es gibt schon in den Städten oft genug genügend Anhaltspunkte, um an die Nikolaustradition anzuknüpfen.

Scholl: Also auch ein neues Bewusstsein für den Nikolaus. Aber Stichwort Coca-Cola noch einmal, Herr Bieger. Sie erwähnten das vorhin. Die Legende hält sich nämlich auch hartnäckig, dass also die Coca-Cola Company 1931 eine Werbekampagne gestartet hat und den Weihnachtsmann rot gemacht hat und seitdem ist er rot. Allerdings, die "Zeit" hat schon 1999 nachgewiesen, dass der rotgewandete Weihnachtsmann schon 1927 Standard war, wie man es einem Artikel damals der "New York Times" entnehmen konnte. Ich glaube, da müssen Sie Ihre Attacke doch ein wenig modifizieren.

Bieger: Ja, der Weihnachtsmann ist in Deutschland geboren worden und mit deutschen Auswanderern in die USA gekommen.

Scholl: Aber der rote Mantel, den sagen Sie ja, den hätte Coca-Cola erfunden und das stimmt nun so, glaube ich nicht.

Bieger: Ja, dass der so populär wurde hängt da - die Farbe rot ist natürlich nicht von Coca-Cola erfunden worden, das ist nicht der Punkt.

Scholl: Sie meinen sozusagen, dass er dadurch populär geworden ist. Jetzt klingelt es bei Ihnen hinten am Telefon, wahrscheinlich ist die Nikolausinitiative schon dran, es geht um neue Aktionen. Eckhart Bieger, ich danke Ihnen herzlich, von der Frankfurter Nikolausinitiative im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Und trotz allem: einen schönen Nikolaustag und eine ebensolche Weihnachtszeit!
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