Freitag, 19. April 2024

Archiv

Studium
"Wir brauchen eine Qualitätskontrolle für Praktika"

Ein Gutachten von Hochschulrektorenkonferenz und der Universität Potsdam untersucht die Qualität von Praktika im Studium. Einer der Autoren, Wilfried Schubarth, Erziehungswissenschaftler in Potsdam, forderte im DLF "eine Art TÜV". Der solle bewerten, welche Praktika etwas taugen und welche nicht. Konsens herrsche darüber, dass "die Integration von Praktika ins Studium" sehr wichtig sei.

Wilfried Schubarth im Gespräch mit Jörg Biesler | 27.09.2016
    Mehrere Studenten in weißen Kitteln arbeiten in einem Labor. Eine Studentin hat einen Mörser in der Hand. Andere betrachten Reagenzgläser.
    Pharma- und Chemiebranche galten einmal als führend bei der Arbeitgeberqualität für Praktikanten. (Picture Alliance / dpa / Jan Woitas)
    Jörg Biesler: Praktika sind wichtig im Studium. Seit der Bolognareform spielt die Beschäftigungsbefähigung, so heißt das, eine größere Rolle, und auch die Studentinnen und Studenten scheinen sich früher Gedanken zu machen über die Zeit nach dem Studium. Sie machen nämlich viele freiwillige Praktika. Was aber ist ein gutes Praktikum – bislang gibt es nicht viel zum Thema, heute aber legen die Hochschulrektorenkonferenz und die Universität Potsdam ein Gutachten vor, das die Qualität der Praktika im Blick hat. Einer der Autoren ist Professor Wilfried Schubarth, Erziehungswissenschaftler an der Uni in Potsdam. Guten Tag, Herr Schubarth!
    Wilfried Schubarth: Guten Tag, Herr Biesler!
    Biesler: Sie haben auch eine ganze Reihe von Defiziten gefunden in Praktika, zum Beispiel oft eine zu geringe Integration von Praktika ins Studium. Aktuell, scheint es, ist es eher Zufall, ob ein Praktikum gut ist und hilfreich oder nic
    Schubarth: Ja, die Studenten können ja nicht überschauen, was ist ein geeignetes Praktikum für mich, ist die Praktikumseinrichtung auch gut, macht die ein gutes Angebot. Deswegen brauchen wir hier eine Qualitätskontrolle, einen TÜV, wer braucht welche Praktika, wer hat ein klares berufsfeldbezogenes, wo man das genau benennen kann. Wo sind unspezifische Berufsfelder, da sieht das Praktikum ganz anders aus. Zu einem guten Praktikum gehört eben, dass man es vorbereitet, dass man es integriert ins Studium, dass es kein Anhängsel ist, sondern dass es eingebunden ist mit Vorbereitung und Begleitung und Nachbereitung, als gleichberechtigten Leistungsnachweis auch im Studium, denn in Praktika sollen ja Kompetenzen erworben werden, die sonst im Studium nicht erworben werden, und das muss man genau beschreiben. Dann kann es auch gut werden.
    Unterschiede der Praktika je nach Fach
    Biesler: Sie haben jetzt Empfehlungen für Qualitätsstandards formuliert. Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, spielt die richtige Integration ins Studium, also Vorbereitung, Nachbereitung, genau überlegen, wohin geht der Student, wohin geht die Studentin eigentlich, und was macht sie dann da, was könnte sie möglicherweise lernen dort, was sie an der Hochschule nicht lernen kann, das sind so die wichtigsten Punkte?
    Schubarth: Genau, ja. Wir haben unterschieden einmal zwischen inhaltlichen, zwischen formalen Standards und strukturellen. Inhaltlich heißt es, wie wir schon angesprochen hatten, dass Praktika aufgewertet werden. Dann haben wir diese Wechselwirkung, dass die Hochschule von den Praxiserfahrungen profitieren kann, einerseits. Dann gehört auch dazu, dass zum Beispiel eine fachspezifische Konkretisierung, wie ich vorhin schon gesagt hatte: In den Geisteswissenschaften spielen Praktika eine andere Rolle meinetwegen als in Jura oder in MINT-Fächern. Also da muss jedes Fach selbst die Aufgaben machen, gucken, welche Rolle spielt das Praktikum zum Erwerb der Kompetenzen, zur Erreichung des Studienziels insgesamt. Dann die ganzen Debatten um formale Standards: Also braucht man einen Praktikumsvertrag, braucht man eine Praktikumsordnung, wie viele Umfang, also wie lange soll ein Praktikum dauern, wie ist die Arbeitsbelastung, wie ist die Abrechnung, wie ist die Bewertung. Diese Fragen müssen geregelt sein. Da haben wir auch konkrete Vorschläge gemacht. Schließlich das leidige Thema personale Ausstattung, Denn die Studierenden verlangen einen festen Ansprechpartner, der auch eine gewisse Kompetenzen und Status hat. Häufig werden Praktikumsbeauftragte nicht so hoch angesehen an Hochschulen. Da muss auch eine Aufwertung erfolgen. Das ist auch ein wichtiger Wunsch der Studierenden, einen festen Ansprechpartner, sowohl vor als auch während und nach dem Praktikum. Das sind so strukturelle Forderungen, die wir da aufgestellt haben.
    "Aufwertung des Praktikums von allen Seiten anerkannt"
    Biesler: Heute haben Sie das Gutachten vorgestellt auf der Tagung bei Ihnen in Potsdam. Da waren auch Studierendenvertreter dabei, da waren Arbeitgebervertreter dabei. Wie kamen Ihre Empfehlungen da an?
    Schubarth: Überraschenderweise sehr viel Konsens. Das hat mich gefreut, dass die Integration von Praktika ins Studium, die Aufwertung des Praktikum von allen Seiten anerkannt wurde, auch von Studierenden und Arbeitgebern. Interessant, noch ein neuer Aspekt von Studierenden, also neben dem, dass die Praktika ernstgenommen werden – das hatten wir auch gefordert –, dass aber auch die finanziellen Bedingungen – das war jetzt noch mal ein wichtiger Aspekt der Studierenden –, dass sie eben nicht sozusagen unbezahlte Praktika machen, sondern dass in bestimmten Zeiträumen dann auch eine Finanzierung wichtig ist, damit sie dann auch das Studium bewältigen können. Das war ein Aspekt, aber ansonsten sehr viel Konsens und insgesamt auch, dass Integration ein Dauerthema wohl in nächster Zeit sein wird.
    Biesler: Professor Wilfried Schubarth, einer der Autoren des Gutachtens "Praktika im Studium" von der Hochschulrektorenkonferenz und der Uni Potsdam, vielen Dank Ihnen!
    Schubarth: Ja, bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.